Es ist endlich – zumindest für einige wenige – soweit: Das Steam Deck von Valve ist da. Wegen weltweiten Krisen wurde es schon einmal verschoben, auf Grund der hohen Nachfrage und neuen wie alten Krisen ist es immer noch schwer zu bekommen. Und das wird sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern. Wer heute bestellt, wird frühestens Ende des Jahres, möglicherweise auch erst Anfang 2023, sein Steam Deck in Händen halten. Sollte man trotzdem und besser gleich bestellen? Unser Review ist vielleicht eine Entscheidungshilfe.
Nach ein paar Monaten unbestätigter Gerüchte enthüllte Valve im Juli des vergangenen Jahres schließlich ihr Steam Deck – ein tragbarer PC und eine Handheld-Spielkonsole in Personalunion. Schon auf dem Papier war sie ein Kraftpaket: eine speziell entwickelte APU von AMD, basierend auf den Zen 2 und RDNA 2 Architekturen; 16 GB DDR5 RAM; eine (modellabhängig) bis zu 512GB große SSD; ein 7 Zoll großer Touchscreen im Seitenverhältnis 16:10 bei einer Auflösung von 1.280×800 Pixel; WLAN und Bluetooth 5.0; und die Möglichkeit der Speichererweiterung mittels MicroSD-Karte.
Auch Steuerungsmöglichkeiten gibt es noch und nöcher: zwei Analog-Sticks; zwei Trackpads; Steuerkreuz und die üblichen A/B/X/Y Tasten; vier Schultertasten und vier zusätzliche Tasten auf der Rückseite; außerdem ein Gyroskop, haptisches Feedback und der schon erwähnte Touchscreen. Über den USB-C Anschluss neben Lademöglichkeit außerdem die Möglichkeit einen externen Monitor, aber auch Maus, Tastatur, Netzwerk und Co. anzuschließen.
Technisch gesehen also ein kompletter, portabler Spiele-PC – und das auch noch zu einem unschlagbaren Preis: Leistungstechnisch unterscheiden sich die insgesamt drei Modelle nicht, nur Größe und Art des verbauten Festspeichers variieren. Um 419 € gibt es eine 64GB große eMMC, um 549 € eine 256GB große SSD und um 679€ schlussendlich eine 512GB große SSD sowie ein speziell entspiegeltes Display. Wem das alles zu wenig erscheint, nicht vergessen: Über den MicroSD-Slot lässt sich die Speicherkapazität problemlos und günstig erweitern und über den USB-C Anschluss lassen sich auch externe Festplatten anschließen. Im Sommer soll dann auch noch ein offizieller Dock folgen – bis dahin kann man allerdings auch die meisten USB-C Hubs verwenden.
Goodbye Windows, hello Proton
Im Vorfeld wurde gerne gescherzt, dass keine jemals erschienene Plattform über so viele Starttitel verfügt hat. Schließlich sind alleine bei Steam inzwischen über 50.000 (in Worten: FÜNFZIGTAUSEND) Spieletitel gelistet. Auch wenn sich die Situation in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, weiß jeder PC-Spieler aber: Nicht jeder Titel läuft auf jeder Hardware gleich gut. Zudem verzichtet man beim Steam Deck – schon aus Kostengründen – auf ein (vermeintliches) Fixum eines jeden Spiele-PCs: Windows als Betriebssystem. Stattdessen kommt das auf Arch Linux basierende SteamOS in Version 3 zum Einsatz. Heißt nur Spiele mit (immer noch seltener) nativer Linux-Unterstützung sind spielbar? Mitnichten, Proton heißt das Zauberwort. Proton ist ein von Valve auf Basis von Wine und DXVK entwickelter Kompatibilitäts-Layer. Ein Kompatibilitäts-Layer funktioniert ähnlich einem Emulator, muss aber nicht ganze Prozessoren und andere Architekturen nachbilden. Stattdessen fungiert er quasi nur als „Übersetzer“, meist zwischen unterschiedlichen Betriebssystemen, die aber auf derselben Hardware(architektur) laufen. Da man sozusagen nur jeweils in das entsprechende Befehlsäquivalent übersetzen muss, geht das sehr schnell und man verliert kaum effektive Leistung.
Wer möchte kann sich übrigens trotzdem Windows 10 oder seit kurzem auch Windows 11 auf dem Gerät installieren – entsprechend verfügbare Windows-Lizenz natürlich vorausgesetzt. Während einige zusätzliche Titel so funktionieren, verliert man bei manchen Titeln sogar Leistung und die Bedienung von Windows ist deutlich weniger flüssig. Aber wie so viele Dinge im Leben ist auch diese Entscheidung eine ganz persönliche. Blickt man auf die Community, präferiert die absolute Mehrheit derzeit allerdings das „offizielle“ Betriebssystem.
Verifiziert und/oder spielbar
Auch wenn Proton ständig verbessert wird – keine Woche vergeht ohne Updates, manchmal sind es sogar nur Tage – gehen (noch) nicht alle Titel gleich gut und in extrem seltenen Fällen auch gar nicht. Valve hat darum entsprechende Filter für das hauseigene Deck-Kompatibilitätsprogramm eingebaut und man kann im Store bzw. in der eigenen Bibliothek filtern, welche Spiele bereits offiziell unterstützt werden – derzeit etwas über 2.000. Im Vergleich zu den eingangs erwähnten 50.000 ist das natürlich nicht viel, heißt aber nicht (unbedingt), dass die eigenen Lieblings-Titel nicht funktionieren werden, auch wenn sie aktuell auf der Liste fehlen.
Valve ist nämlich ausgesprochen streng, was seine Kompatibilitätssiegel betrifft und teilt diese in drei Stufen ein. Um „verifiziert“ zu sein, muss wirklich alles perfekt funktionieren und das Spiel (bei ggf. etwas reduzierten Einstellungen) auch durchgehend flüssig laufen, mit mindestens 30 FPS. Die Ansprüche an die zweite Stufe „spielbar“ sind kaum weniger hoch: Wenn etwa die On-Screen-Tastatur auch nur einmal zum Einloggen oder zur Eingabe von Text verwendet werden muss, gilt ein ansonsten perfekt laufendes Spiel schon nur mehr als „spielbar“. Je nach Perspektive ist die derzeit letzte Stufe, also ab wann ein Spiel (derzeit) als „nicht unterstützt“ gilt, also extrem niedrig oder hoch.
Nicht unterstützt
Während bei „spielbar“ beispielhaft angeführt wird, was zur Perfektion fehlt, verrät Valve aktuell nicht, warum ein Titel komplett durchgefallen ist. Und die Mehrheit aller Titel ist – 50.000 Spiele zu testen dauert halt etwas – schlichtweg noch gar nicht bewertet. Tatsächlich zeigt die Erfahrung nämlich: Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert, auch ein offiziell nicht unterstütztes oder nicht getestetes Spiel auszuprobieren. Tatsächlich funktionieren die allermeisten Titel nämlich gut und auch stabil.
Wirklich problematisch sind derzeit eigentlich nur die Anti-Cheat-Mechanismen vieler Multiplayer-Titel. Diese greifen bekanntlich teilweise sehr tief und auf geheimen Wegen in das jeweilige Betriebssystem ein und das kann Valve teilweise nicht nachbauen. Entwickler können ihre Anti-Cheat-Implementierung natürlich entsprechend anpassen, ob sie das auch wollen (oder sogar dürfen) hängt aber natürlich von vielen Faktoren ab. Respawn bzw. EA hat bei Apex Legends zum Beispiel sehr schnell reagiert und der beliebte Free2Play-Shooter gilt inzwischen als „verifiziert“. Epic hat hingegen schon ausrichten lassen, dass man nicht im Geringsten daran denkt, Fortnite unter Linux – und damit SteamOS – spielbar zu machen. Ein Schelm, wer hier einen Zusammenhang mit der Konkurrenz zwischen zwei gewissen Download-Plattformen vermutet. Aber auch Bungie hat derzeit keine Ambitionen Destiny 2 SteamOS-tauglich zu machen – weißt aber im gleichen Atemzug darauf hin, dass es unter Windows auch auf dem Steam Deck ausgezeichnet läuft. Aber vielleicht lassen sie sich ja noch umstimmen …
Angespielt
Aber genug der reinen Theorie: Im Rahmen dieses Reviews haben wir das Steam Deck natürlich auch mit einem Querschnitt unterschiedlichster Titel aus den unterschiedlichsten Genres getestet. Tatsächlich war – vielleicht auch mit ein bisschen Glück – kein einziger schlecht bzw. komplett unspielbar.
„Verifizierte“ Referenztitel wie der Action-Blockbuster God of War oder unser Survival-Geheimtipp Dysmantle liefen wie erwartet perfekt. Aber auch „spielbare“ Titel wie die komplette Tomb Raider-Reihe, das letzte auf Steam erschienene Assassin’s Creed, Odyssey, oder das aktuelle 3D-Jump’n’Run Psychonauts 2 machten durchgehend eine gute Figur und Lust auf mehr. Nur bei einem Titel wurde schnell klar, warum derzeit offiziell noch nicht unterstützt: Batman: Arkham City läuft spielerisch perfekt – bis auf einen Audio-Bug, der viele Geräusche und Sound-Effekte blechern und verzerrt wiedergibt.
In die Kategorie perfekt spielbar ordnet sich auch das side-scrollende Beat’em’up Asterix & Obelix: Slap Them All!, das Indie-Action-Adventure Crashlands und der anspruchsvolle Deckbuilder & Puzzler Fights in Tight Spaces. Aber auch Titel, welche man – zumindest als alter PC-Spieler – eher mit der Maus spielt, laufen hervorragend. Der von Schach inspirierte Taktik-Puzzler Pawnbarian, oder Adventure-Klassiker wie Broken Sword (a.k.a. Baphomets Fluch) und Monkey Island in der Special Edition, funktionieren hervorragend via Touchscreen und/oder Trackpad. Und ja, auch Shooter funktionieren gut, sind aber ein wenig Geschmackssache.
Auch das Shooter-Highlight DOOM Eternal gehört zu den offiziellen Referenz-Titeln und wurde schon im Vorfeld gerne und oft präsentiert. Wer Shooter gerne mit Gamepad spielt, fühlt sich sofort zuhause. Aber auch Maus-Puristen – sofern sie nicht einfach Maus und Tastatur anschließen, es ist ja ein PC … – können auf ihre Kosten kommen. Das Gyroskop ist hier ein Geheimtipp: Ist dieses aktiviert kann man, solange man den Daumen leicht auf dem rechten Joystick liegen hat, mittels drehen und kippen des Geräts die Ausrichtung das Fadenkreuz „feinjustieren“. Das funktioniert überraschend gut und könnte den einen anderen Shooter-Gamepad-Verweigerer zumindest zu einem Versuch motivieren.
An dieser Stelle vielleicht noch ein paar Worte zur Ergonomie: Das Steam Deck ist im Vergleich zu anderen Handhelds groß, aber nicht unhandlich. Es liegt verdammt gut in der Hand und die zahlreichen Steuerungselemente sind sinnvoll angeordnet und gut erreichbar – anders als z.B. bei der Nintendo Switch, wo nicht nur Menschen mit etwas größeren Händen mit der Zeit verkrampfen. Und obwohl mit knapp 670 Gramm auch kein Fliegengewicht, ermüden die Hände auch bei längeren Spiele-Sessions nicht so schnell.
Apropos Epic (und viele andere)
Man kann es nicht oft genug betonen, was der große Unterschied zu anderen Spiele-Handhelds ist: Das Steam Deck ist ein (portabler) PC und keine geschlossene Plattform. Valve unternimmt keinerlei Anstrengungen um den Nutzer:innen vorzuschreiben, was sie auf ihren Steam Decks spielen, lesen, schauen oder arbeiten dürfen – ganz im Gegenteil. Wer es sich zutraut, wechselt mit nur zwei Klicks aus dem Spiele-Modus in den Desktop-Modus. In der auf KDE Plasma basierenden Desktop-Umgebung kann man dann frei schalten und walten. Zahlreiche Applikationen, Spiele und vieles mehr kann man entweder aus der offiziellen Discover-App oder aus den Weiten des Internets „fertig“ herunterladen. Wer lieber selbst kompiliert: auch kein Probllem. Dank Proton und einer fleißigen Community lassen sich hier dann auch zahlreiche Programme, Launcher und Spiele installieren, die mit Valve bzw. Steam nichts zu tun haben; Videos schauen mit VLC; im Internet surfen mit Firefox, Chrome und Co.; und gerüchteweise lassen sich sogar viele (selbst und legal angelegte) Backups verschiedenster (Handheld)-Konsolen emulieren.
Aber selbst fremde Store-Launcher lassen sich inzwischen schon relativ komfortabel einpflegen. Über den Heroic Games Launcher erhält man beispielsweise Zugriff auf die eigene Epic Games bzw. GOG-Bibliothek. In vielen Fällen funktionieren die Spiele auch hier sofort, nur manchmal ist etwas Bastelarbeit nötig. Im Selbstversuch liefen sowohl aktuelle Titel aus dem Epic Store, wie zum Beispiel LEGO Batman 3, aber auch angestaubte Klassiker, wie Fallout in der GOG-Version, anstandslos. Und auch Battle.net, Ubisoft Connect (vormals Uplay) und Origin haben viele bereits zum Laufen gebracht.
Vor- und Nachteile
Aufgrund des Formfaktors und weil (unter anderem) ebenfalls ein Spiele-Handheld wird das Steam Deck gerne mit Nintendos Switch verglichen. Der Drang dies zu tun ist verständlich, greift aber in manchen Dingen zu kurz und in anderen einfach komplett daneben.
Der größte Unterschied und gleichzeitig auch Nachteil: Das Steam Deck ist keine Konsole, bei der man sich darauf verlassen darf, dass man ein Spiel herunterlädt, startet und gut ist. In den allermeisten Fällen sollte und wird es so sein, aber eben ohne Garantie.
Aber: Das Steam Deck ist auch keine Konsole, bei der man sich darauf verlassen darf, dass man nur genau das spielen und ansehen darf, was der Hersteller für mich kuratiert hat. Wer schon länger ein aktiver PC-Spieler ist, hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einen Steam-Account mit mehr oder weniger Spielen. Die Titel müssen nicht einmal zwangsweise aus dem Steam Store kommen, trotzdem ist jeder einzelne von ihnen ein quasi kostenloser Launch-Titel, sobald man das Deck in Händen hält. Kein Upgrade-DLC oder überhaupt Neukauf von Titeln, die man schon einmal gekauft hat. Keine monatliche Abogebühr, um auf Multiplayer-Features und dergleichen zuzugreifen. Kein offizielles Zubehör, das noch einmal kräftig die Geldbörse leert.
Das Steam Deck ist ein PC, mit all seinen Vor- und all seinen Nachteilen. Ein PC, der softwaretechnische neue Ansätze verfolgt und trotzdem – schon wenige Wochen nach dem Verkaufsstart – auf eine gigantische Liste an Titeln zurückgreifen kann. Stand 02. April gelten immerhin 2.039 Titel als „verifiziert“ oder „spielbar“. Und wöchentlich, nein täglich werden es mehr – und da werden die unzähligen Steam-externen bzw. fehlender Prüfung zum Trotz gut funktionierenden Spiele noch gar nicht berücksichtigt.
Spezifikationen
Prozessor
AMD APU
CPU: Zen 2 4 Kerne / 8 Threds, 2.4-3.5GHz (bis zu 448 GFlops FP32)
GPU: 9 RDNS 2 CUs, 1.0-1.6 Ghz (bis zu 1.6 TFlops FP32)
Verbrauch: 4-15W
Speicher
16 GB LPDDR5 RAM (5500 MT/s 32-bit Quad-Channel
microSD-Slot: UHS-I, unterstützt SD, SDXC und SDHC
Modellabhängig:
64 GB eMMC | 256 GB NVMe SSD | 512 GB NVMe SSD
Display, Grösse und Gewicht
7 Zoll (16:10) Touch-Screen
1.280 x 800 Pixel @ 60 Hz
298mm x 117mm x 49mm
ca. 669g
Anschlüsse & Stromversorgung
Bluetooth 5.0
Dual-Band (2.4 / 5Ghz) WiFi, 802.11a/b/g/n/ac
USB-C DisplayPort 1.4, bis zu 8K 60Hz oder 4K 120Hz externes Display, USB 3.2 Gen 2
45 USB-C PD3.0 Netzteil
40Wh Batterie (nicht austauschbar)
FAZIT
Valves bisherige Ausflüge ins Hardware-Geschäft lassen sich recht einfach zusammenfassen: Ambitioniert, durchaus durchdacht, oft ein bisschen revolutionär – aber nicht wirklich von kommerziellem Erfolg gekrönt. Aber spielt letzteres für Valve überhaupt eine Rolle? Auch wenn es nicht in das inzwischen etablierte Bild eines gewinnmaximierenden Großkonzerns passt, hat man schon immer wieder das Gefühl, dass es bei Valve noch so etwas wie Pioniergeist gibt, den Mut etwas Neues auszuprobieren, auch wenn es sich auf absehbare Zeit nicht (oder sogar nie) amortisieren wird.
Ähnlich vermutlich auch beim Steam Deck, auch wenn die Nachfrage scheinbar deutlich höher ist und Potenzial für zukünftige Entwicklungen in diese Richtung aufzeigt. Trotzdem wird und will das Steam Deck kein Switch-Killer sein und auch nicht annähernd die gleichen Stückzahlen umsetzen. Es richtet sich außerdem größtenteils an ganz andere Zielgruppen, nicht nur was Alter, Spielegenres und Experimentierfreudigkeit angeht.
Wer sich auf den Konsolen zuhause fühlt, seine kostbare Freizeit nicht für Experimente jeglicher Art riskieren mag oder einfach nicht den Sinn oder Mehrwert eines Steam Decks für sich persönlich sieht: Kein Problem, bitte einfach weiterhin viel Spaß haben. Wirklich niemand „braucht“ ein Steam Deck zum Glücklichsein. Das Steam Deck ist aber gleichzeitig ein großer Wurf, ein revolutionäres Stück Hardware und ein in Erfüllung gegangener Traum – aber eben nur für Manche.
2 Kommentare
glaub die 2te version ende 2023 wird viel besser
Diesbezüglich wurde weder etwas angekündigt, noch halte ich es für ansatzweise realisitsch. Schließlich wird man erst Anfang 2023 überhaupt die derzeitigen Bestellungen ausgeliefert haben.