Steep im Test

Was tun, wenn die aktuelle Schneelage dem geplanten Ski-Ausflug wieder einmal einen Strich durch die Rechnung macht? Kein Problem, denn mit Steep schickt uns Publisher Ubisoft in eine riesige virtuelle Open-World-Berglandschaft auf der Schneemangel absolut kein Thema ist.

Im Tiefschnee stapfe ich den Berghang hinauf, das Board auf dem Rücken. Was in der Realität meist eine stundenlange, schweißtreibende Angelegenheit ist, dient bei Steep lediglich als kurze Einleitungssequenz. Ohne viel Erklärungen geht es dann auch schon los. Von einer kleinen Plattform wage ich den Sprung in die Tiefe und gleite dank Wingsuit sanft in die vorgegebene Landezone. Zum Verschnaufen habe ich aber keine Zeit, denn direkt im Anschluss geht es gleich mit dem Board weiter. Ich folge einem vorgegebenen Pfad  der mich abseits von präparierten Pisten durch verschneite Täler und Wälder führt. Ein gekonnter Abschwung im Ziel und schon schnappe ich mir das Fernglas, um nach neuen Drop Zones Ausschau zu halten. Das sind die Ausgangspunkte für weitere Challenges, die nicht nur die beiden Sportarten Snowboard und Wingsuit umfassen, sondern auch Skifahren und Paragliding. Eine Story gibt es natürlich auch, die ist aber derart banal und nebensächlich und nicht mehr als ein ausgeschmückter Karriere-Modus der mich vom Wintersport-Noob zum Extremsport-Star begleitet.

Next Drop Zone, Challenge accepted!

Anders als in vergleichbaren Sport-Simulationen beschränkt sich Steep nicht nur auf vereinzelte Pisten, sondern stellt dem Spieler eine offene, frei erkundbare Spielewelt zur Verfügung. Als Setting dienen dabei die Alpen, die sich in rund sieben verschiedene Gebiete unterteilen lassen, darunter Strecken in Tirol, am Matterhorn oder dem Mont Blanc mit jeweils sehr unterschiedlichen Umgebungen. Die fast hundert verschiedenen Drop Zones an denen der Spieler starten kann, stehen aber nicht gleich von Beginn an zur Auswahl, sondern müssen durch das Absolvieren von Challenges freigeschalten werden, wie beispielsweise Checkpoint-Rennen, Air Contests oder Wald-Slalomläufe. Zusätzlich gibt es noch einige Startpunkte die sich in unentdeckten Gebieten befinden und man nur beim freien Erkunden entdecken kann.

Bei den Challenges wird die Sportart grundsätzlich vorgegeben, ansonsten kann der Spieler per einfachen Knopfdruck selbst entscheiden welches Gerät er anschnallen oder ob er die Bergwelt per pedes erforschen will. Offenbar konnte sich Ubisoft dabei nicht zwischen simluations- und arcadelastiger-Steuerung entscheiden, wodurch diese etwas unausgewogen ausgefallen ist. An sich lässt sich die Spielfigur sehr einfach und intuitiv lenken, aber was das Trick-Repertoire angeht, wird man doch etwas zu sehr eingeschränkt. Nichtsdestotrotz ist das Geschwindigkeitsgefühl beim Skifahren und Boarden, aber vor allem beim Fliegen mit dem Wingsuit hervorragend. Lediglich die trägen Paragliding-Aufgaben sind etwas mühsam. Die einzelnen Challenges motivieren dann auch für kurze Zeit, jedoch fehlt es dabei auf Dauer etwas an Abwechslung.

Schöne, einsame Bergwelt

Die fehlende Variation an Aufgaben und Spielmodi sollte eigentlich die Multiplayer-Komponente wieder ausbügeln. Die Betonung liegt dabei auf „sollte“. Befinden sich andere menschliche Spieler in der Nähe, kann per einfachen Knopfdruck eine Gruppe gebildet werden. Mit dieser kann man dann die Pisten gemeinsam unsicher machen oder sich in konkurrierenden Wettbewerben messen. Dabei geht das Einzelspieler-Erlebnis nahtlos in den Mehrspieler über, denn Steep verlangt von Haus aus eine permanente Online-Verbindung. Diese „Always-On“-Politik hat aber einen unschönen Nebeneffekt: Sind die Steep-Server oder uPlay nicht erreichbar, kann das Spiel erst gar nicht gestartet werden. Bei unseren Tests durften wir des Öfteren Bekanntschaft mit dem Fehler DE-014-01 machen, der immer dann kommt, wenn mal wieder keine Verbindung zum Spiel hergestellt werden konnte. Leider geht abseits von technischen Netzwerk-Problemen das Mehrspieler-Konzept insgesamt nicht auf. Einerseits haben wir generell nicht sehr viele andere Spieler angetroffen und nur die wenigsten haben überhaupt auf unsere Einladung reagiert.

Aber wozu den Trubel eine Gruppe, wenn es doch viel schöner ist, das atemberaubende Berg-Panorama alleine zu genießen? Hier muss man Ubisoft wirklich Respekt zollen, denn optisch ist Steep wirklich top! Die riesige, toll gestaltete Spielwelt mit ihren kilometerlangen Abfahrten mit der verschneiten Winterlandschaft sieht optisch hervorragend aus und wird nur dann übertroffen, wenn man am Gipfel des Berges steht und dabei den Anbruch der Abenddämmerung beobachtet. Auch akustisch wird einiges geboten. Neben einem umfangreichen Sound-Design bei dem sogar echte Ski-Geräusche vor Ort aufgenommen wurden, gibt es musikalische Untermalung in Form von Rock, Hip Hop und Techno Beats. Problematisch gestaltet sich vereinzelt die Positionierung der Kamera, sodass Hindernisse teilweise zu spät erkannt werden. Und auch sonst gibt es kleinere technische Unzulänglichkeiten, wie etwa bei einem Respawn, wenn die Spielfigur in einem Objekt hängen bleibt. Aber nichts wirklich schwerwiegendes.

FAZIT

Ganz ehrlich, ich tue mir sehr schwer Steep objektiv zu beurteilen. Das liegt vor allem daran, dass Ubisoft scheinbar aus seinen „Always-On“-Fehlern nicht gelernt hat und das Spiel bei mir mehrmals den Start verweigerte, weil die Server nicht erreichbar waren. Das nervt, fällt aber vermutlich unter die Kategorie „Einzelschicksal“. Abgesehen davon ist Steep eine gute, wenn auch nicht hervorragende, Ski- und Snowboard-Simulation vor einer malerischen Berg-Kulisse. Echtes Highlight sind dabei definitiv die waghalsigen Wingsuit-Flüge. Auf Dauer fehlt es aber an Abwechslung. Ein komplexeres Trick-Repertoire, Tuning-Möglichkeiten der Ausrüstung oder größere Turniere – das sind nur ein paar Möglichkeiten, wie man die Langzeitmotivation hätte steigern können. Und warum Ubisoft zwanghaft auf ein abgespecktes MMO-Konzept setzt, bleibt mir ein Rätsel. Mehrspieler-Challenges gut und schön, aber manchmal will ich einfach nur gemütlich die Piste rundersliden und die Spielewelt erkunden. Das kann ich auch ganz gut alleine, ohne aktive Internetverbindung und in Abhängigkeit zu einem Server. Für mich persönlich funktioniert dieser Online-Modus nicht. Im Gegenteil, die an sich riesige Spielewelt wirkt trotz toller Kulisse menschenleer und monoton. Schade, denn die Idee und das Grundgerüst sind großartig, nur den einzelnen Zutaten fehlt eine Prise an Feinschliff.

 

Gesamtwertung: 6.8

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 4 | Motivation: 6

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