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Styx: Shards of Darkness im Test

Styx mag vielleicht stinken, auch kann man ihn als klein und hässlich bezeichnen, aber der kleine Goblin mit den fragwürdigen Manieren und dem Drogenproblem hat etwas, dass ich bei seinen Kollegen Garrett und Corvo schmerzlich vermisste: einen ordentlichen Batzen Charisma!

Er hört Stimmen, flucht, kratzt sich am Hintern und ist sich der digitalen Natur seiner Existenz bewusst, eine Tatsache die man vor allem dann zu Spüren bekommt, wenn unser kleiner (Anti)Held in den Tod stürzt oder von den Wachen erledigt wird. Denn dann erscheint der Game-Over-Bildschirm und Styx wendet sich direkt an die Person am Gamepad. Bei diesen Durchbrüchen der 4. Wand kann es schon mal vorkommen, dass Styx einem anbietet, niemanden zu erzählen was man heimlich mit dem Apfelkuchen angestellt hat, wenn man dafür aufhört ihn ständig umzubringen oder es wird eine berühmte Szene aus Terminator 2 zitiert, nur dass statt dem zu erwarteten Daumen einem der Mittelfinger gezeigt wird. Doch auch abseits des Game-Over-Bildschirms hagelt es Referenzen und zynische Seitenhiebe auf die Film- und Computerspielgeschichte. Ganz besonders hat er es auf Assassins Creed abgesehen, aber auch Corvo (Dishonored) und Garrett (Thief) werden nicht verschont, selbst Batman bekommt sein Fett weg. Im Allgemeinen trieft das Spiel vor Selbstironie und ich hatte in der rund 20 Stunden langen Kampagne einiges zu lachen.

Leider bewegt sich die Story des Spiels nicht auf diesem Niveau und dient eher als „Klebemittel“ um den einzelnen Missionen einen roten Faden zu geben. Auch fallen die Nebenfiguren im Schatten einer Rampensau wie Styx sehr blass aus, was ich schade finde, denn eine spannende Story sowie denkwürdige Figuren hätten mir noch einmal mehr Freude bereitet, Styx bei seinem Vorhaben zum Erfolg zu verhelfen. Denn eine Dieb-bekommt-Auftrag-und-wird-übers-Ohr-gehauen-Story habe ich vermutlich schon öfter gesehen als Styx mir im Game-Over-Bildschirm meine Gamer-Skills absprach – bin mir bei diesem Fakt, aber nicht zu 100% sicher, denn in beiden Fällen habe ich nach den 50. Mal aufgehört zu zählen. Die englische Vertonung ist übrigens ausgezeichnet, allerdings lassen die deutschen Untertitel zu wünschen übrig, da sie den derben Humor des Spiels massivst entschärfen.

Das Level-Design – Wo ein Problem, da tausend Möglichkeiten!

Als sehr ansprechend empfand ich das Level Design, welches sich nicht nur in die Vertikale, sondern auch in die Horizontale erstreckt. Die Story-Missionen sind sehr abwechslungsreich und laden dank mehrerer Pfade sowie massenweise Sammelobjekten, zum Erkunden ein. Und zu entdecken gibt es Vieles: Gespräche die belauscht werden wollen, Ressourcen für Craftingobjekte und Nebenmissionen, welche gelegentlich sogar in kleinere Rätsel gipfeln und als Belohnung äußerst praktische Ausrüstung versprechen. Ähnlich wie Deus Ex: Mankind Divided, oder Dishonored lässt uns Styx: Shards of Darkness selbst über unsere Vorgehensweise entscheiden: Vergifte ich mein Opfer? Erdolche ich es, oder lasse ich es wie einen Unfall aussehen? Ich könnte die Mission allerdings auch ohne Leichen beenden – ich habe die Wahl. Es gibt nicht die EINE richtige Möglichkeit.

Für besonders ehrgeizige SpielerInnen gibt es pro Mission vier Medaillen für Schnelligkeit, geringe Opferzahl, geringe Anzahl ausgelöster Alarme sowie das finden von (meist 20) Sammelstücken. Wobei sich manche dieser Medaillen untereinander aufheben, und dadurch mehrfaches Spielen einer Missionen erforderlich ist, um bei jeder Herausforderung den Gold-Status zu erreichen. Denn bei einem Speedrun durch die schnellste Route eines Levels wird es nicht möglich sein alle Sammelstücke zu ergattern. Jedoch lassen sich die einzelnen Missionen, wenn einmal bewältigt, im Unterschlupf des Goblins jederzeit erneut spielen. Teilweise sehr tückische optionale Zusatzaufgaben ziehen den Grad der Herausforderung noch einmal drastisch an. Um eben diesen Herausforderungen des Spiels gewachsen zu sein stehen Styx diverse Werkzeuge und Fähigkeiten zur Verfügung. Allem voran die Amber-Vision, welche, ähnlich wie die Detektivsicht aus den Batman: Arkham Asylum Spielen, interessante Objekte in der näheren Umgebung hervorhebt und einem Planung und Vorgehensweise erheblich erleichtert.

Und Planung ist wichtig, denn der Goblin kann nur heimlich vorgehen. Direkte Konfrontationen wird er, trotz der Möglichkeit zu parieren, vor allem in den höheren Schwierigkeitsstufen, nicht überleben.  Um nicht entdeckt zu werden ist es daher klug sich überwiegend im Schatten und der Finsternis zu bewegen. Als Richtwert hilft dabei die Scheide des Dolches, welchen Styx am Rücken trägt, je heller sie leuchtet, desto besser ist man vor achtsamen Blicken verborgen. Sollte mal kein Schatten in der Nähe sein, dann kann sich Styx sich auch unsichtbar machen, um unbemerkt an lästigen Wachen vorbei zu schleichen. Sollte es ganz dick kommen kann er auch mal eben einen Klon auskotzen, der Wachen ablenkt, während man dem Ziel entgegen huscht.  Diese Fähigkeiten benötigen allerdings Goldharz (gelbe Anzeige am rechten, unteren Bildschirmrand), und an eben diesem wird es dem Goblin mit seinem Problem öfter mangeln als ihm lieb ist, denn Styx ist süchtig nach dem Gesöff und verbraucht es in der Regel schneller als er sich neues besorgen kann. Doch ein erfahrener Meuchler wie Styx kann im Zweifelsfall auf ein weit gefächertes Repertoire an Mordwerkzeugen zurückgreifen: Pfeile für Gegner in der Entfernung, Fallen für unachtsame Idioten oder Säure, um im klassischem Breaking Bad – Style eine Leiche verschwinden zu lassen. Doch sollte der Goblin diese Werkzeuge mit Bedacht einsetzen, da sie sehr begrenzt sind.

Willkommen im Unterschlupf – Crafting, Skill-Tree und Ausrüstung

Zwischen den einzelnen Missionen hat man allerdings die Möglichkeit in Styx´s Unterschlupf das Waffenarsenal mit gesammelten Ressourcen auf dem Craftingtisch aufzufüllen. Dazu benötigt Styx in den Missionen gesammelte Materialien wie zB. Eisenerz, reines Goldharz, Insekteneier oder Giftsporen. Im Kleiderschrank des Unterschlupfs kann Styx seine Kleidung, sowie den Dolch wechseln, sofern er alternative Ausrüstung gefunden hat. Diese Ausrüstung wirkt sich durchaus auf das Spielgefühl aus, so kann man eine Robe freischalten die ermöglicht jederzeit und überall zu craften, ohne von einem Tisch abhängig zu sein. Sehr praktisch, leider ist man allerdings in dieser Robe erheblich lauter unterwegs. Ein weiteres Beispiel ist ein Dolch der mit jedem lautlosen Kill einen Teil der Goldharzanzeige wieder auffüllt, aber zum parieren unbrauchbar ist.

Erfahrungspunkte, welche durch Tötungen und erfüllen von Quests und Nebenquests erarbeitet werden, können im Unterschlupf in einem Skilltree investiert werden. Der Skilltree unterteilt sich dabei in: Heimlichkeit, Kampf, Alchemie, Klonen und Sinne. Am Ende eines jeden Skilltrees wartet jeweils eine von zwei Spezialisierungen, diese können mit „reinem Quartz“ freigeschaltet werden.

Grafik, Steuerung, Sound und KI

Die Level sehen toll aus, gespickt mit einer Vielzahl an Details und einigen bezaubernden Licht- und Schattenspielen sind sie sehr schön anzusehen. Die Texturen waren meistens auch sehr gut, gelegentlich kam es zum verzögerten Nachladen von Texturen, aber nicht so oft, dass es mir groß negativ aufgefallen wäre. Auch Styx selbst ist klasse animiert, man kauft ihm in jeder seiner Gesten und Bewegungen sein zynisch – hinterhältiges Wesen ab. Anders sieht es allerdings bei den Gegnern und Nebenfiguren aus, diese Bewegen sich ziemlich steif und wirken ein wenig hilflos, auch können sie optisch nie das Niveau der Hauptfigur erreichen.

Die Steuerung ging, nach einer kleinen Einspielzeit, gut von der Hand. Auch das Klettern funktionierte klasse, nur das schwingen vom Seil aus war gelegentlich ein wenig ungenau.  Der Soundtrack und die Klangkulisse sind auch gut ausgefallen, doch passierte es mitunter, dass die Hintergrundmusik ausblieb und erst bei erneutem Laden wieder spielte.

Die KI der Gegner lässt manchmal etwas zu wünschen übrig, man kann zB. in manchen Situationen direkt neben einer Wache laufen ohne bemerkt zu werden, da sie ihren Kopf nie dreht. Wenn man entdeckt wird suchen sie einen, aber nie besonders lange. Auch finde ich schade, dass Wachen nicht auf das Verschwinden ihrer Kollegen reagieren, erst wenn sie eine Leiche sehen merken sie, dass etwas seltsam ist. So gab es manchmal leider auch Momente an denen ich mir an den Kopf fasste: zB. als ich zwei Bodyguards von ihren Schützling weglockte, diesen eliminierte und verschwinden ließ, die Bodyguards zurück kamen, sich auf ihre ursprünglichen Plätze stellten, und auf den leeren Platz des Schützlings starrten, aber nicht reagierten, bzw. sich so verhielten als wäre er noch da. Anders wäre es gewesen wenn ich die Leiche liegen gelassen hätte: da hätten sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt und sie hätten Alarm geschlagen. Fordernd wird es erst wenn mehrere Wachen gleichzeitig zugegen sind, oder gepanzerte Wachen, die man nur mit List oder Gift beseitigen kann, da der Dolch nicht durch die Rüstung kommt.

FAZIT

Stellenweise hatte ich mit Styx: Shards of Darkness mehr Spaß als mit dem Genre-Kollegen Dishonored 2. Eine Tatsache, die vor allem der Hauptfigur geschuldet ist. Styx, mit seinem zynischen Wesen, schlechten Manieren und gelegentlich leicht soziopathischen Neigungen ist, in meinen Augen, die Hauptfigur, welche Corvo nachts in seinem Bett, träumt zu sein.

Wenn er über Dächer schleicht und sich bei einem Sprung in die Tiefe darüber beschwert, dass doch nie ein Heuhaufen in der Nähe wäre wenn man ihn braucht, oder einen mehr als zweideutigen Spruch zum Zustand seiner Lenden, bei dem Gedanken an ein Warenhaus voller „Goldharz“, vom Stapel lässt, ist es verdammt schwer nicht zu lachen. Styx durchbricht mit der selben Leichtigkeit die vierte Wand, wie er achtlose Elfen-Wachen an die (Achtung: schlechtes Wortspiel voraus!) Ufer des Styx schickt und reibt dem Spieler im Game-Over-Bildschirm süffisant unter die Nase, wofür der X-Button am Controller gedacht sei. Schade nur dass eine so geniale Figur, weder eine tolle Geschichte noch einen ebenbürtigen Gegenspieler spendiert bekommt. Man stelle sich vor zu welchen humoristischen Meisterleistungen Styx gezwungen wäre, wenn man ihm jemanden gegenüber stellt, der seiner großen Klappe gewachsen wäre.

Die einzelnen Missionen sind sehr gut gestaltet, auch das Level-Design motiviert durch verschachtelten Aufbau und alternative Routen ungemein. Interessant wäre aber gewesen mehr von dieser Welt zu erfahren, vielleicht durch Notizen, oder Gesprächen mit Komplizen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass hier leider Potenzial verschenkt wurde. Abschließend kann ich sagen, dass mir Styx: Shards of Darkness alles im Allen Spaß gemacht hat und kann es besonders Schleichspiel-Begeisterten, als Happen für zwischendurch empfehlen. Denn Styx ist ein (Anti)Held der Seinesgleichen sucht und absolut einen Blick wert ist.

Gesamtwertung: 7.2

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 4 | Motivation: 8

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