„Don’t judge a book by its cover!“, musste ich mich beim Testen von Sunset Overdrive wieder einmal selbst ermahnen. Denn, was als vermeintlich billiger präpubertärer Klamauk startet – die erste Waffe, welche uns das Spiel in die Hand drückt, ist eine phallisch geformte Schrotflinte mit Feuerschaden, deren Ölkanister (?) ein Skrotum formen –, entpuppt sich nach kurzer Zeit als videospielgewordene Humoreske in apokalyptischem Gewand. Hinter der bunten Fassade des Spiels schlummert eine ausgeklügelte Spielmechanik, die durch ihre individuelle Anpassbarkeit besticht und die Portierung des ehemals Xbox One exklusiven Überraschungshits aus dem Jahre 2014 für PC ist durchwegs gelungen.
Von der Reinigungskraft zum Aufdecker – The Awesomepocalyptic Dream
Auf der Pre-Release-Party zu Fizzcos neuestem Energydrink OverCharge Delirium XT in der Stadt Sunset City torkelt uns, einer Reinigungskraft, ein sich sichtlich im Zuckerschock befindlicher Partygast entgegen und bittet uns um Hilfe. Wir gehen gerade mit viel Elan unserem Traumjob nach und sind dementsprechend wenig kooperativ. Doch noch bevor wir den Typen abweisen können, mutiert das bedauernswerte Geschöpf vor unseren Augen zu einem von Blasen übersäten Fanta-farbenen Monster mit scheinbar ausschließlich zwei Gelüsten: Fizzco Energy Drinks und Menschenfleisch. Der Getränke- und Lebensmittelhersteller Fizzco, ständig auf der Suche nach dem verflucht besten Getränken auf Erden („best damn beverages on Earth“), hat mit OverCharge Delirium XT einen Energy Drink entwickelt, der im Bereich Kundenbindung allzu erfolgreich ist. Wer sich das Gesöff einverleibt verwandelt sich kurzer Hand in einen OD (OverCharge Drinker), einen orangenen Mutanten mit Reißzähnen, Klauen und vor allem mieser Laune. Wie uns der neue väterliche Freund Walter – der unser namenloses, dafür aber umso gesprächigeres, Alter Ego zu Beginn des Spiels aus einer misslichen Lage in dessen Appartement befreit – bald aufklären wird, verursacht das Getränk einen Overdrive des endokrinen Systems, lässt also den Hormonhaushalt seiner Konsumenten überreagieren; mit den bereits bekannten Folgen. In nachvollziehbarer Manier eines kapitalistisch gut geeichten Megakonzerns riegelt Umbrella… ähm… Fizzco natürlich…, riegelt Fizzco also die Stadt ab, um das Missgeschick zu vertuschen und den Börsenmarkt nicht unnötig in Aufruhr zu versetzen. Unser Ziel wird es sehr bald sein, der Quarantäne-Zone zu entkommen, um die üblen Machenschaften Fizzcos aufzudecken. So weit so Resident Evil in bunt und unter dem Einfluss von Amphetamin. Die zweckmäßige Geschichte tritt jedoch sehr bald in den Hintergrund und weicht der Freude an einer gekonnt selbstironischen Inszenierung und motivierenden Spielmechanik.
Durch die Apokalypse, hinter die Welt, ans Ende der… Stadt
Entgegen der Popgruppe Tokio Hotel, in Anlehnung an deren „Hit“ (selten ist die englische Sprache so treffsicher wie in diesem Fall) Durch den Monsun obige Überschrift formuliert ist, setzt Sunset Overdrive bewusst auf Humor und das immer wieder äußerst treffsicher. Im Unterschied zur Zombie-Apokalypse in Raccoon City ist die Mutanten-Apokalypse in Sunset City kein Grund zu verzagen, sondern Grund zur Freude, da Boss-freie Zone (wenngleich es Endgegner gibt), in der wir nach unseren eigenen Regeln leben; zumindest in jenem engen Rahmen, der uns durch die Mutanten und andere Widrigkeiten gesteckt ist. Dies unterstreicht Insomniac Games – ob bewusst oder nicht – etwa dadurch, dass sich das Studio immer wieder über genreübliche Spielmechaniken und -elemente lustig macht, ohne jedoch mit denselben wirklich zu brechen. So klärt uns etwa immer wieder eine körperlose Stimme, mit resonantem Timbre, aus dem Off über spezifische Gameplayelemente und -mechaniken auf. Auf die Frage des Protagonisten, also uns, ob dies wirklich sinnvoll sei, bekommen wir zur Antwort, dass Studien gezeigt hätten, dies sei tatsächlich die effizienteste Methode zu lernen. Oder aber unser Charakter fragt sich laut, ob wir eine vor uns flüchtende Person verfolgen sollten, denn immerhin schwebe kein Rufzeichen (bekannt aus Metal Gear) über ihrem Kopf; wofür wir wohl Lizenzstreitigkeiten mit Konami zu danken hätten. Zwar ist in dieser spezifischen Situation tatsächlich kein, über die kurze kommentierende Zwischensequenz hinausgehender, Verfolgungs-Indikator vorhanden. In späteren Missionen hingegen schwebt zumeist über dem Kopf einer bestimmten Person jenes Quest-Item, das es zu ergattern gilt, wodurch auch klar ist, welcher Figur wir zu folgen haben (in der Regel sind diese jedoch ohnehin damit beschäftigt auf uns zu schießen, wobei sie zumeist auf das Weglaufen vergessen – die K.I. ist in diesem Spiel, wie bereits die Story, erneut als eher zweckmäßig einzustufen). Rote Explosivfässer sind ebenso vorhanden und werden von uns mit einem selbstreferenziellen ironischen Kommentar, ihre Funktionsweise betreffend, bedacht. Und auch die berühmte Regel Aufgaben stets dreimal wiederholen zu müssen, um eine Quest erfolgreich abzuschließen, wird thematisiert und anschließend praktisch vorexerziert. Diese ironische Selbstreferentialität ist durchaus charmant und witzig. Zugleich jedoch enthebt sich Insomniac Games auf diese Weise, wie bereits im Test zur Xbox One-Fassung auf Gamers.at angemerkt, der Aufgabe altbekannte Spielemechaniken antasten und überdenken zu müssen. Wie es der Auftraggeber einer Nebenmission so schön auf den Punkt bringt: „That is so meta!“ Damit bleibt der Humor jedoch immer wieder auf dem Niveau des Scary Movie Franchise, da keine Anstalten unternommen werden die Mechaniken gewitzt zu dekonstruieren. Die bloße Repetition derselben reicht dafür nicht aus.
Hierbei handelt es sich jedoch um Kritik auf hohem Niveau, denn der Humor von Sunset Overdrive weiß dennoch, gerade weil er mit zahlreichen Meta-Witzen viel Selbstironie beweist, zu überzeugen. Auch die schrulligen Charaktere, mit pointierten Onelinern, sowie eine Prise Situationskomik tragen zum humoristischen Gesamtkonzept des Spiels bei. So nennt sich die zweite Waffe des Spiels High Fidelity, was so viel wie hohe Klangtreue bedeutet und vermutlich uns allen zumindest durch die Abbreviation HiFi wohl bekannt ist. Ganz im Sinne seines Namens schleudert dieses Gerät dem Gegenüber mit hoher Frequenz Schallplatten entgegen. Oder aber es werden Referenzen klug gesetzt: So quittiert die Spielfigur die Kondition eines potentiellen Unterstützers, uns nur dann zu helfen, wenn wir uns dabei filmen lassen wie wir mit viel Style Mutanten ausschalten, mit den Worten immer schon einmal die Hauptrolle in einem Red Neck Running Man gespielt haben zu wollen. Auch Jet Set Radio selbst, unübersehbar ein wesentliche Ideengeber von Sunset Overdrive, wird im Spiel in gewisser Hinsicht ein Denkmal gesetzt, indem wir bestimmte Plakatwände mit einem aufmüpfigen Motiv besprayen können. Diese humorvolle Szenerie ist zugleich das ideale Setting für das eigentliche Highlight des Spiels: Das Gameplay.
Gehen war gestern, 2027 wird gegrindet und gehopst
Die Open World von Sunset City ist das wahrgewordene Dorado eines jeden Freerunners und das weiß Insomniac Games vortrefflich auszuspielen. Die primäre Fortbewegungsart erfolgt zwar per pedes, nicht jedoch gehender, sondern grindender Weise. Dementsprechend gleitet man in gekonnter regular oder goofy Stellung über Oberleitungen, Seile, Eisenbahnschienen, Geländer, Dachkanten und Kanten von Plakatwänden. Versperrt uns auf einer Oberleitung ein Gegner den Weg, so lassen wir uns kurzer Hand fallen und gleiten mittels unserer Brechstange, die uns sonst als Nahkampfwaffe dient, weiter. Wollen wir höher gelegene Plattformen oder Items erreichen, steht uns jedoch weit und breit kein Dach zur Verfügung, von welchem wir uns herabfallen lassen könnten, wechseln wir einfach vom hängenden Grind mittels Betätigung des entsprechenden Buttons in den aufrechten Gleit-Modus und drücken in unmittelbarer Folge den Sprung-Knopf. Dadurch aktivieren wir einen Boost vermittels dessen wir höher springen können. Des Rätsels Lösung für das Erreichen so manchen Luftballons, der knapp außerhalb unserer Reichweite über unserem Kopf schwebt und sich solchermaßen zunächst unserem Zugriff zu entziehen scheint. Grinden wir gegen ein Hindernis, etwa eine Mauer, so werden wir nicht einfach abgeworfen, sondern wechseln automatisch die Richtung und gleiten erneut den Weg zurück, von dem wir herkamen. All dies dient dem Ziel das Tempo des Spiels aufrecht zu erhalten. Dieses lässt sich nochmals dadurch erhöhen, dass wir die rechte Schultertaste betätigen, wodurch wir uns schneller fortbewegen und in der Luft gar einen kurzen Dash hinlegen können.
Dementsprechend bedeutet auch eine Wand nicht das sichere Ende unseres Grinds, oder zumindest der Richtung unserer Reise. Per rechter Schultertaste aktivieren wir den Wall-Run (ähnlich wie in Prince of Persia: The Sands of Time), der es uns erlaubt ganze Hauswände abzulaufen. Selbst über das Wasser können wir eine kurze Strecken gleiten, indem wir neuerlich den Grind-Button betätigen, was eine (Achtung: Wortwitz incoming) flüssige Fortbewegungsweise durch ganz Sunset City ermöglicht, ohne ständig zur nächsten Rail oder aber der nächsten Sprunggelegenheit laufen zu müssen. Dass die Entwickler auf die Implementierung von Fallschaden verzichtet haben lädt zudem zur Erprobung waghalsiger Manöver ein, da wir nicht Gefahr laufen neu laden zu müssen, da uns nach einem Sturz niemand vom Asphalt kratzen muss. Überhaupt ist das Spiel sehr kulant, was das virtuelle Ableben anbelangt: Wie uns die körperlose Stimme im Zuge der Vorbereitung auf die erste größere Hauptmissionen erklärt, brauchten wir uns vor möglichem Versagen nicht zu scheuen, denn die Awesomepocalypse zeichne sich nicht nur dadurch aus, dass es keine Vorgesetzten gebe, sondern zudem stünden einem jeden unendlich viele Wiederholungen zur Verfügung – außer natürlich jenen Menschen, die uns nunmehr zu ODs mutiert als Kanonenfutter dienen… Kollateralschäden eben. Sollten wir im Zuge einer Mission, in welcher es gilt einen hoch gelegenen Punkt zu erreichen abstürzen, so müssen wir mit dem Aufstieg nicht ständig von vorne beginnen, sondern werden bei sehr großzügig verteilten Checkpoints erneut in die Mission entlassen. Sollte uns außerhalb einer Mission das Zeitliche segnen, weil uns die Massen an Gegnern in den Häuserschluchten doch einmal überwältigt haben sollten, so ist dies überhaupt ohne Konsequenzen. Wir werden einfach mit einer netten Animation, unweit der Stelle unseres Ablebens, erneut abgesetzt: Unter anderem lassen wir uns mit einem Seil in den Bildschirmausschnitt herab oder wir entsteigen einem Sarkophag, mitsamt Schwarzweiß-Filter und Dracula-Geste.
Zudem besteht ein wesentlicher Teil der Fortbewegung, nicht zuletzt im Zuge von Kämpfen, darin über Autodächer, Dachventilatoren, Dachfenster, Gebüsche, Wasserfontänen und ähnlichem zu hopsen. Diese Gegenstände erlauben es uns wie auf einem Trampolin in die Höhe zu springen. Ein Spielelement, das bei mir vor allem zu Beginn für heillose Überforderung sorgte. Denn sobald man springt, verliert man den Untergrund leicht aus den Augen; bin ich nun zusätzlich auch noch mit dem Zielen auf Gegner beschäftigt, sprang ich zu Beginn mehr neben mein intendiertes Ziel als darauf, worunter der Flow gerade während der Kämpfe zu leiden begann. Dazu kommt, dass es während der Gefechte, aufgrund all der Zerplatz-, Spritz- und Explosionsanimationen der Gegner sehr unübersichtlich wird, sodass man oftmals vor lauter Schlacht den Gegner nicht mehr sieht. Da ich mit zunehmender Spielzeit jedoch nicht nur die Steuerung besser verinnerlichen konnte, sondern zugleich die Fertigkeiten der Spielfigur gesteigert werden, nimmt die Konfusion und Hektik bald zumindest ein erträgliches Ausmaß an.
Überleben mit Style, AMPs und Overdrives
All das Grinden, Hopsen, Schwingen und an Wänden laufen stellt dabei keinen Selbstzweck dar, sondern dient uns dazu unser Style-Meter zu füllen, vermittels dessen wir wiederum unterschiedliche Fähigkeiten, sogenannte AMPs (amplifier, also Verstärker) aktivieren können, die uns die Awesomepocalypse zusätzlich versüßen. Damit kommen wir, nach dem Ausflug in den Extremsport, zum Rollenspiel-Aspekt von Sunset Overdrive.
Je weniger wir auf unseren Reisen und während der Kämpfe den Boden berühren desto schneller und höher steigt die vierstufige Style-Anzeige. Ebensolches gilt für Combo-Kills von Gegnern. Mit jeder Style-Stufe werden nun unterschiedliche AMP-Kategorien aktiviert und bei Vollendung von Stufe vier erhalten wir einen Bonus auf alle von uns ausgewählten AMP-Fertigkeiten. Dabei unterscheidet das Spiel zwischen Hero AMPs (diese werden bei Style-Stufe eins aktiviert und erlauben uns etwa eine Ausweichrolle, die Gegner wegstößt oder ihnen gar Schaden zufügt), Weapon AMPs (aktiviert bei Style-Stufe 2, statten sie unsere Waffen z.B. mit verschiedenen Arten von Elementarschaden aus), Melee und Dive Bomb AMPs (ebenso mit Style-Stufe zwei aktiviert, beeinflussen sie unsere Nahkampfattacken und den Sturz- oder Stampfangriff) und Epic AMPs (diese kommen bei Style-Stufe 3 zum Einsatz und ermöglichen uns etwa beim Grinden Rails in Brand zu setzen oder aber verursachen beim Springen auf Gegenstände feurige Explosionen). Pro Kategorie und Waffe kann lediglich ein AMP eingesetzt werden (eine Ausnahme stellen die Hero AMPs dar, von denen zwei gleichzeitig zum Einsatz gebracht werden können), was ein gewisses taktisches Moment im Spiel eröffnet. Um AMPs zu erhalten müssen wir entweder die Story-Missionen absolvieren oder aber mittels Batterien – der Währung in Sunset City – oder im Tausch gegen bestimmte Ressourcen (Fizzie Luftballons, Kameras, Schuhe, Toilettenpapier und Leuchtreklameschilder) bei einem Händler (Floyd) kaufen.
Die AMPs werden nun noch durch sogenannte Overdrives ergänzt, von denen drei Kategorien (Combat, Hero und Style) zur Verfügung stehen. Indem wir im Spiel bestimmte Aktionen ausführen (etwa das Abfeuern einer bestimmten Waffenkategorie, Grinden oder aber Beseitigen bestimmter Gegnertypen) erhalten wir unterschiedliche Upgrade-Marker, vermittels derer wir von uns präferierte Overdrives freischalten und anschließend in mehreren Stufen verstärken können. Dadurch lässt sich etwa der Prozentsatz verändern mit dem die Style-Anzeige durch Grinden oder Waffengebrauch gesteigert wird, die Munitionskapazität der Waffen erhöhen oder der Schaden den man einem spezifischen Gegnertyp zufügt erhöhen, respektive von demselben erhaltener Schaden verringern. Hiervon lassen sich insgesamt sechs Stück gleichzeitig zum Einsatz bringen.
Das teilweise etwas eintönige (Über-)Leben in Sunset City
Damit ist der Großteil dessen abgedeckt, womit wir während unseres Ausfluges nach Sunset City beschäftigt sind. Wir folgen der humorvoll inszenierten Hauptmission und Grinden dabei was die Rails aushalten, füllen unseren Style-Meter, um uns der Horden an Gegner möglichst effektiv zu erwehren, sammeln über die Stadt verteilte Ressourcen für neue AMPs oder ergötzen uns an den zahlreichen Nebenquests, die jedoch zumeist in gameplaytechnisch eintönigen, wenngleich neuerlich sehr humorvoll verpackten, Hol- und Bring-Diensten oder aber der gezielten Zerstörung feindlicher Infrastruktur, respektive Humankapitals bestehen. Dass jedoch auch die Hauptmissionen zumeist auf diese beiden Aspekte eingedampft werden können trübt das Gesamtbild. Darüber hinaus werden Elemente dieser Aufgaben sogar einfach in Nebenmissionen recycelt: So fahren wir in der Hauptmission einmal auf dem Dach eines Zuges mit und beschützen denselben, sowie seinen Fahrer, vor aufdringlichen OD-Horden. Genau dasselbe erledigen wir dann nochmals im Zuge einer Nebenquest.
Für ein wenig Abwechslung sorgt mitunter das „Kochen“, also Herstellen, neuer AMPs (ein Verweis auf Breaking Bad darf da natürlich nicht fehlen und wird auch prompt geliefert). Im Zuge dieser Kochvorgänge sind wir damit beschäftigt, die dabei zum Einsatz kommenden Glasgefäße vor andrängenden Gegnermassen in Schutz zu nehmen. Bei diesen Missionen handelt es sich im Wesentlichen um eine Variante des Tower Defense Genres. Die Gefäße sind von Barrikaden geschützt, die von den Scharen heranstürmender ODs beharkt werden. Vermittels unserer Waffen, sowie eigens für diese Missionen zur Verfügung stehende Verteidigungsgeräte (unter anderem zu einem Propeller verbundene Macheten oder ein explodierende Luftballons spendender Clownkopf), versuchen wir die über uns hereinbrechenden Gegnermassen in Schach zu halten, bis der Timer für den Kochvorgang agelaufen ist. Da das eigentliche Gameplay, nach einer kurzen Anordnungsphase der unterschiedlichen Fallen, jedoch neuerlich auf Grinden, Hopsen und Schießen hinausläuft, wird auch hier der gesamte Rhythmus des Spiels nur kurzzeitig durchbrochen. Zudem hält sich auch die Variationsbreite der, wenngleich sehr liebevoll gestalteten, Open World in engen Grenzen und auch zu entdecken gibt es, neben den einsammelbaren AMP-Ressourcen, nicht viel. Sunset City ist primär das bunte Bindeglied zwischen den Missionen. Dafür ist man mit einer Vielzahl von Waffengattungen versorgt, die alle gesammelt und ausprobiert werden wollen; so etwa die TnTeddy, die hochexplosive Teddybären verschießt. Oder der weiter oben bereits erwähnten High Fidelity, welche mit der Ripper aus Unreal vergleichbar ist und vor allem dazu dient eine Horde von ODs abzuwehren, da die abgefeuerten Schallplatten an Gegnern und Gegenständen abprallen und zwischen ihnen hin und her fliegen und damit eine große Fläche und Vielzahl von Gegnern abdecken (an sich müssen wir immer darauf achten welcher Gegnertyp besonders anfällig für welche Waffengattung ist, worüber uns die Übersicht der jeweiligen Waffe im Menü aufklärt). Und auch die Gegnervielfalt weist durchaus eine schöne Variationsbreite auf. Neben zahlreiche Formen von ODs müssen wir uns gegen verschiedene Fizzco-Roboter und auch menschliche Gegner, die so genannten Scab, zur Wehr setzen. Zudem sorgen die Kämpfe gegen vier unterschiedliche Endgegner für etwas Abwechslung von der Gameplay-Routine.
Von der Xbox One zu Windows
Der Port selbst ist Blind Squirrel Games überzeugend gelungen. Der Comic-Look des Spiels hat dasselbe gut altern lassen. Immerhin ist das Spiel nunmehr bereits vor vier Jahren für Microsofts aktuelle Konsole erschienen. Hervorstechendes Merkmal ist die sehr ausdrucksvoll gestaltete Mimik der Spielfiguren: Entsetzen, Trauer, Freude, Überdruss und Unglaube können unserer Spielfigur in den Zwischensequenzen immer wieder vom digitalen Antlitz abgelesen werden. Die Texturen sind größten Teils knackig und die Weitsicht durchaus gegeben. Manchmal übertreiben es die Entwickler mit dem Unschärfefilter.
Die Steuerung geht gut von dem Controller, wenngleich das Zielen der Waffe bei gleichzeitigem Herumspringen oder Grinden mitunter mehr als nur fummelig ausfällt und in wilden Kamerafahrten endet. Die optional zugeschaltete Zielhilfe macht es zwar einfacher führt jedoch immer wieder ein gewisses Eigenleben. Mit der Maus gelingt mir das zielgenaue Abfeuern der verschiedenen Waffen – trotz schwammiger Mausreaktion – besser. Dafür muss ich mit einer hektischen Tastatursteuerung zurechtkommen, die gerade das genaue Springen erschwert. Im Großen und Ganzen ist es demnach empfehlenswert Sunset Overdrive mit einem Controller zu besichtigen. Denn auch die Tastenbelegung ist, selbst nach individueller Anpassung, nicht so intuitiv, wie jene auf dem Controller, was jedoch weniger mit der Qualität der Portierung als vielmehr der Anatomie der menschlichen Hand zu tun hat.
Darüber hinaus muss die Windows-Version ohne Multiplayer auskommen; auf der Xbox One Anlass für oftmalige Kritik, wurde derselbe in der PC-Fassung kurzer Hand ausgespart.
FAZIT
In seinen besten Momenten erinnert Sunset Overdrive an ein gelungenes buntes Potpourri verschiedenster Videospiele: die Art sich fortzubewegen ist sichtlich von Jet Set Radio, Prince of Persia und auch Infamous inspiriert, Humor und Gegnerdesign wiederum erinnern an Saints Row, Borderlands, sowie House oft he Dead: Overkill. Die unterschiedlichen Stärken dieser Spiele vermag Insomniac Games immer wieder gekonnt zu einem rasanten Spielerlebnis zusammenzuführen. Dazu gesellt sich das gelungene Rollenspielelement der AMPs und Overdrives, die es mir erlauben meinen Charakter tatsächlich ausgehend von meinen Spielgewohnheiten und Vorlieben zu formen. Und auch wenn die Geschichte eher zweckmäßig denn innovativ ist, so ist sie doch stimmig inszeniert und humorvoll vorgetragen. Darüber hinaus treffen wir skurrile Charaktere mit Wiedererkennungs- und Unterhaltungswert. Gegner- und Waffendesign sind vielfältig gestaltet und auch grafisch kann das Spiel immer wieder überzeugen. Nicht zuletzt, für einen solchen Titel nicht ganz unwichtig, ist die Steuerung relativ eingängig (easy to learn and hard to master), wenngleich sie auch in der PC-Portierung passagenweise etwas hakelig ausfällt und nicht für Tastatur und Maus optimiert ist. Zu kritisieren bleibt darüber hinaus, dass das Gameplay mitunter wenig Abwechslung bietet. Die Nebenmissionen wirken zum Teil uninspiriert und recyceln Elemente der Hauptmissionen. Das Einsammeln der Ressourcen für die Herstellung der AMPs fühlt sich bald wie Arbeit an. Da jedoch nicht alle Ressourcen benötigt werden, kann man seiner Sammelwut entweder nebenher freien Lauf lassen oder bei Bedarf kurze Sammelaktionen einschieben. Und auch die Open World fällt im Vergleich zu den aktuellen Platzhirschen, wie etwa Red Dead Redemption 2 oder The Witcher III, nunmehr, vier Jahre nach dem Release des Originals, eher beschaulich aus.
Eingedenk all dessen bleibt Sunset Overdrive auch 2018 ein, guten Gewissens, empfehlenswerter Titel. So man sich für eine bunte und ironisch inszenierte Apokalypse mit Extremsportanleihen und durchdachten Rollenspielelementen, mit Abstrichen hinsichtlich der Abwechslung im Bereich des Missionsdesigns und einer nicht mehr ganz so beeindruckenden Open World, erwärmen kann, lassen sich in Sunset City alleine mit den Story-Missionen sehr vergnügliche 10 bis 15 Stunden zubringen.
Was ist Sunset Overdrive? Die Windows-Portierung eines ehemalig Xbox One exklusiven Action-Adventures mit Extremsport- und Rollenspielelementen in einer Mutanten-Apokalypse mit Open World.
Plattformen: PC, Xbox One
Getestet: auf PC Intel Core i5-6600K, 4x 3.5GHz, 16 GB RAM, AMD Radeon R9 Fury
Entwickler / Publisher: Insomniac Games / Microsoft Studios
Release: 16. November 2018
Link: Offizielle Webseite
Gesamtwertung: 7.2
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 6