Gears of War 4 – Test

Irgendwie muss es für die Jungs und Mädels bei The Coalition ein Wechselbad der Gefühle gewesen sein, den Auftrag zur Entwicklung eines neuen Gears of War zu bekommen. Immerhin ist es eine großartige Marke mit viel Zugkraft – eine gewisse Bekanntheit ist einem also nach dieser Nummer gewiss. Andererseits bürdet man sich damit freilich auch viel Verantwortung und Risiko auf. Spielefans sind nicht unbedingt dafür bekannt, milde mit einem Studio ins Gericht zu gehen, das „ihre Serie getötet“ hat. Also bloß nicht zu mutig sein; „never change a winning team“ und so.

Also, liebe Gears-Fans, eines sei gleich zu Beginn gesagt: Viel getan hat sich rein gameplaytechnisch nicht. Und das ist gut und schlecht zugleich. Immerhin ist Gears of War als Serie ja quasi die Mutter der Cover-Shooter. Nicht der erste Titel mit der Mechanik, aber der erste, der das ganze in Deckung Gegehe und aus ihr heraus Geschieße quasi in die Masse gebracht hat. Der Haken: Dass Gears of War das getan hat, ist mittlerweile ziemlich genau 10 Jahre her. Seitdem hat sich viel getan und wir haben die Idee des Cover-Shooters schon in ganz anderer Form spielen und lieben gelernt – egal ob es nun bei Uncharted, The Division oder sonst so war. Dementsprechend wirkt das etwas hölzerne in Deckungen werfen von Gears of War, das auch im neusten Teil noch quasi 1:1 so funktioniert wie in den Vorgängern, irgendwie … naja … alt. Klar: es funktioniert noch immer, aber irgendwie weht dabei immer schon so kleiner Hauch von „Retro“ durch den Raum. Und das gilt bei Gears of War 4 nicht nur für die Deckungsmechanik. Das ganze Spiel wirkt in seinem Aufbau sehr „bodenständig“: Man läuft mit seinen Teamkollegen – wahlweise per KI oder von Freunden gesteuert (das ist immer noch cool und leider selten) – den Levelschlauch entlang und killt eine Gegner-Welle nach der anderen.

Will man nun über Neuheiten schreiben, muss man nach Details suchen. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass man die ersten paar Stunden noch gegen Roboter kämpft. Oder aber, dass man seine Gegner nun aus der so wichtigen Deckung heraus auch zu sich ziehen und dann mit einem Finishing-Move fertig machen kann. Sonst sind es aber auch die Reminiszenzen an früher, die Fan-Augen wirklich zum Strahlen bringen. Zum Beispiel der Auftritt von Marcus Fenix oder aber natürlich der Moment, in dem man zum ersten Mal endlich wieder eine Lancer mit Kettensäge in die Hand nehmen und verwenden darf. Irgendwie bezeichnend aber, dass gerade diese beiden auch im Spiel selbst als Helden und Dinge vergangener Tage zelebriert werden.

Das bringt uns zu einem kurzen Abriss der Story: Nach einigen kurzen Rückblenden in die Schlachten, denen sich die Menschheit in den letzten drei Teilen stellen musste (ihr spielt darin stets einen Helmtragenden Gear … Fans wissen also, was euch JEDES MAL blüht), schlüpft ihr in die virtuelle Haut von JD Fenix. Dieser ist in einer „Post-Locust“-Welt aufgewachsen, in der die Menschheit alle Hände voll damit zu tun hat, die Erde zu repopulieren. Das geschieht unter der Führung der COG. Nicht alle Menschen sind allerdings mit der neuen Weltordnung so richtig zufrieden, spalten sich also ab, leben als Aussteiger – quasi in der Wildnis. JD ist zu Beginn einer davon. Natürlich überschlagen sich aber bald die Ereignisse. Gegen wen man NACH den zuvor erwähnten Robotern kämpfen darf, dürfte niemanden der die Serie kennt überraschen. Niederschreiben und verraten will ich’s trotzdem nicht. So aus Prinzip.

Dennoch seien mir ein paar Worte zur Entwicklung der Story vergönnt: Ich würde nicht soweit gehen zu sagen, dass die Charaktere komplett farb- und tiefenlos sind – an die Qualität der Vorgänger kommt Gears 4 in Sachen Story aber trotzdem einfach nicht heran. Tatsächlich emotionale Momente, wie man sie zum Beispiel auf der Jagd nach Doms Frau hatte, finden sich hier kaum. Dennoch zieht das Spiel in Sachen Inszenierung gerade zum Schluss hin noch einmal anständig an. Erst hier scheint es so, als würde The Coalition es schaffen den Mut zusammen zu nehmen und Leuten, die es „so weit“ geschafft haben, auch mal etwas wirklich Eigenes zu präsentieren. Wobei Passagen in Fahrzeugen oder anderen Maschinen (hier eben Roboter) ja an sich auch nichts ganz Neues für die Serie sind – aber eben doch etwas außergewöhnlicher und auflockernd. Sofern ein weiterer Teil kommt (und davon ist eigentlich auszugehen) hoffe ich inbrünstig auf mehr davon – damit ist das Erbe von Epic Games ganz sicher noch lange nicht gefährdet.

Und apropos „Epic Games“: Die sind ja ohnehin omnipräsent in Gears of War 4 – schlichtweg durch die verwendete Unreal Engine. Diese zaubert erwartungsgemäß ziemlich nette Szenerien auf die Screens, auch wenn das teilweise etwas triste Leveldesign nicht alle Muskeln der Engine vollends zu spielen versteht. Dafür sind die Passagen in denen die – auch neue – Stürme wüten, doch recht imposant anzusehen. Vor allem, weil hier auch die Umgebung zur Waffe gemacht werden kann, indem die Verankerungen von diversen Objekten zerschossen werden. Dann fliegen diese meist sehr schweren Trümmer nämlich mit verheerender Wirkung über das Schlachtfeld – wenn auch in vorgescripteten Bahnen und nicht komplett von der Physik-Engine berechnet. Dafür läuft das Ganze auf der Xbox One jederzeit flüssig.

Auch der Multiplayer ist wieder mit von der Partie und bietet klarerweise mehr als die schon erwähnte Möglichkeit zum Koop-Spiel … was allerdings in meinen Augen das absolute Highlight des Mehrspieler-Parts von Gears of War 4 ist. NICHTS macht so viel Spaß wie – übrigens nach wie vor auch im Splitscreen – gemeinsam mit einem Freund die Gegnerhorden aufzumischen. Nachdem das im Grunde auch das Kernlelement des überarbeiteten (da haben wir es wieder: nur überarbeitet, nicht neu) Horde-Modus ist, liegt dieser auf der Spaß-Skala recht nah dahinter. Es gilt hier Welle um Welle stärker werdender Gegner abzuwehren – auch unter Zuhilfenahme von errichtbaren Befestigungsmaßnahmen wie Turrets oder Barrieren. Last but not least: der klassische Multiplayer. Ehrlicherweise von mir nur kurz ausprobiert und für solide befunden.

Das Prädikat „solide“ verdient auch die PC-Portierung. Wie schon Forza Horizon 3 ist Gears of War 4 ein XBOX Play Anywhere Titel. Will heißen: Wer die Xbox One Version kauft, bekommt die PC-Version gratis dazu und umgekehrt. Dementsprechend konnten wir natürlich auch beide Versionen ausprobieren, wobei die PC-Version mit etwas hübscherer Optik gefiel, als es die Xbox zu leisten vermag. Sonst beschränken sich die Unterschiede aber auch die offensichtlichen Differenzen bei der Steuerung – ob einem Maus und Tastatur nun mehr liegen als ein Gamepad muss freilich jeder für sich wissen. Mir war die PC-Version am Ende des Tages deutlich lieber, auch wenn die Installation über den Store zu Beginn ein paar Mätzchen gemacht hat … und sie am Ende rund 75 GB Speicherplatz in Beschlag nimmt – das sollte gesagt sein.

FAZIT

Gears of War 4 ist wieder einer dieser Titel, der mich etwas enttäuscht, ohne etwas falsch zu machen. Gears 4 ist weit davon ein schlechtes Spiel zu sein, aber ich glaube ich habe mir einfach doch etwas mehr Weiterentwicklung erhofft. Vielleicht bin ich persönlich aber ja auch einfach ein nicht ausreichend großer Fan, um gut zu finden dass sich nur Nuancen verändert haben, seit ich das erste mal vor zehn Jahren einen Locust in zwei Hälften schneiden durfte. Aber immerhin macht es mir das Fazit leicht: GoW-Fans müssen zuschlagen, alle anderen nicht … können aber.

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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