The Crew 2 im Test

Maximalem Speed und Spaß steht meist nur eines im Weg: Die Physik. Deswegen wird diese bei The Crew 2 gerne mal außen vorgelassen. Und das ist gut so. Mit einer eingedampften Version der gesamten USA als Spielwiese und einer Auswahl aus so ziemlich allem, das fossile Brennstoffen zur Fortbewegung nutzt, bietet Ubisofts neuste Open World Raserei eine tolle Basis für oktanschwangeren Spaß. Leider verderben einem auch hier, wie schon beim Vorgänger, einige Schnitzer im Lack gelegentlich den Spaß.

Mangelnde Ambitionen kann man den Damen und Herren bei Ivory Tower wahrlich nicht vorwerfen. The Crew 2 schmeißt das ohnehin fragwürdige Untergrund-Setting des Vorgängers auf den Schrottplatz und schickt euch stattdessen als Rookie in eine Rennliga, die schlichtweg alle Motorsportarten unter einen Hut bringen will. Autos, Motorräder, Boote, Flugzeuge … ja sogar Hovercrafts und Hubschrauber; So ziemlich alles, was irgendwo auf der Welt verwendet wird um Adrenalinjunkies zu neuen Höhenflügen zu verhelfen findet sich in The Crew 2. Und das beste: Ihr könnte jederzeit zwischen all diesen Vehikeln wechseln. Ja in den speziellen Event-Rennen, die die Hauptkampagne des Titels vorantreiben, tut ihr das sogar direkt während des Rennens. Da seid ihr also gerade noch in eurem schicken Porsche durch Häuserschluchten gerast, klappt sich plötzlich Inception-mäßig die Welt zusammen, ihr springt Richtung Fluss und sitzt wie aus dem Nichts in einem Speedboot, nur um schon kurz darauf, nach einem weiteren Sprung, am Steuerknüppel einer superwendigen Propeller-Maschine zu sitzen.

Während die Wechsel hier aber gescriptet sind, könnt ihr beim freien Cruisen durch die gigantische Welt des Spiels tatsächlich jederzeit in jedes einzelne eurer Spaßgeräte wechseln. Egal wo ihr seid. Also ja: Ihr könntet auch mit einem Flugzeug in die Stratosphäre fliegen, nur um dort auf ein Speedboot zu wechseln und zu schauen, ob ihr es tatsächlich schafft damit jetzt die künstlich angelegten Wassergassen des Venetian in Vegas zu treffen … zum Beispiel.

Natürlich könntet ihr aber auch sinnvollere Dinge tun: Rennen fahren zum Beispiel. Dabei hat Ubisoft glücklicherweise davon abgesehen, dass ihr wie im Vorgänger erst über Türme in der Welt immer neue Teile der Map und somit neue Events freischalten müsst. Hier rieseln die abwechslungsreichen Veranstaltungen, die von klassischen Rennen und Time-Trials bis hin zu Stunt-Challenges, Drift-Rennen und Flucht-Settings alles bieten, einfach mit eurem Fortschritt nach und nach auf die große Amerika-Karte. Hier beeindruckend: von der Gesamtansicht des ganzen Kontinenten bis auf wenige Meter über dem Boden kann hier jederzeit stufenlos raus und rein gezoomt werden.

Überhaupt wissen die Ladezeiten mit ihrer erfreulichen Abwesenheit oder zumindest angenehmen Kürze zu gefallen. Gerade noch in den Sümpfen Floridas stehend ist es eine Sache von wenigen Sekunden die Map aufzurufen, ein Flugzeug-Event in Los Angeles auszuwählen, zu starten und somit Ruck-Zuck am anderen Ende der USA in einem Cockpit zu sitzen. Manuelles Fahren oder Fliegen zu den Events ist zwar auch möglich, aber nicht nötig. Jedes verfügbare Rennen kann mittels einfachem Knopfdruck aus der Map heraus gestartet werden. Wir raten trotzdem es ab und an von diesem Schnellreise-Feature abzusehen und einfach mal auf eigene Faust die Gegend zu erkunden. Nicht nur weil ihr so gelegentlich Loot in der Gegend findet oder über witzige „Side-Quests“ wie Foto-Challenges stolpert, sondern auch weil es einfach ganz prinzipiell spaßig ist … und ihr auch hier mittels verrückter Aktionen neue Fans sammelt.

Ich werde Influencer

„Fans sammeln?!“ hör ich euch denken? Ja, genau. Wie es für die Generation Instagram offenbar in Videospielen heute zwingend erforderlich ist sammelt ihr hier nämlich nun nicht mehr einfach „XP“ um aufzuleveln, sondern Social Media Fans … funktioniert ganz genauso wie das Sammeln von Erfahrungspunkten, klingt halt nur vielleicht bissl cooler. Wie dem auch sei: Neben Fans braucht ihr freilich auch schnödes Geld um in der Rennserie von The Crew 2 weiterzukommen. Immerhin werden euch nur die ersten Fahr- bzw. Flugzeuge für jede der vier Event-Kategorien (Street Racing, Offroad, Freestyle und Pro Racing) geschenkt. Den Rest der Verhikel müsst ihr euch schon selbst kaufen. Dabei schlagen so manche Vertreter des üppigen Fuhrparks, die für spätere Events zwingend gebraucht werden (Stichwort Formel-Fahrzeuge) aber so heftig zu Buche, dass Grinden quasi unumgänglich ist. Vor allem zum Endgame hin ist es quasi unmöglich weiterzukommen ohne bestimmte vorher Events mehrmals zu fahren. Dann aber nicht nur um Geld zu sammeln, sondern vor allem um Verbesserungen für eure Fahrzeuge zu erbeuten. Just diese kann man nämlich nicht kaufen, sondern muss sie über Renn-Siege verdienen.

Wenn wir schon bei Schnitzern der Entwickler sind, sprechen wir doch gleich nochmal über die Rennen selbst. Hier können einem gleich mehrere Dinge den Tag verderben. Zum einen macht der an sich coole, fließende Tag/Nacht-Wechsel samt dynamischem Wetter manche Events im Falle eines Falles extrem schwer. Nachts bei Regen durch einen engen Canyon fliegen ist eben doch deutlich kniffliger als bei Sonnenschein. Außerdem setzt die Routenführung ab und an bereits bestehende Streckenkenntnis oder einfach pures Glück voraus, die weder Minimap noch Streckenbegrenzungen einem in so manchem Rennen wirklich dabei helfen zu wissen, welche Route nun am schnellsten ins Ziel führt.

Richtig nervig ist aber die Gummiband-KI von The Crew 2. Natürlich hat deren Verwendung den Vorteil, dass die Rennen immer irgendwie spannend bleiben, sie kann aber auch unglaublich frustrieren. Manche Rennen des Spiels führen nämlich tatsächlich einmal quer über den Kontinent und fesseln den Spieler schon mal geschlagene 45 Minuten ans Lenkrad. Wenn man dann nach 44 fehlerlosen Minuten ausgerechnet in der letzten Kurve gegen einen Stein kracht und hilflos das ganze Feld an einem vorbeiziehen sieht, wird die eigene Ausgeglichenheit auf eine harte Probe gestellt. Vor allem auch, weil sich Ubisoft leider dagegen entschieden hat ein sonst ja schon sehr verbreitetes Rückspul-Feature einzubauen. Wohl kann man sein Auto jederzeit auf die Strecke zurücksetzen lassen oder das Rennen neu starten, beides ist im erwähnten Fall aber kaum hilfreich. Zumindest ist die KI an sich aber durchaus gut gelungen. Die digitalen Kontrahenten reagieren gut auf die Aktionen des Spielers und machen auch mal nachvollziehbare Fehler.

Online-Krampf

Weniger versöhnlich fällt unser Urteil zu den Online-Features des Spiels aus. Das beginnt mit dem prinzipiellen Online-Zwang, der nicht nur generell nervt, sondern im konkreten Fall sogar trotz so mancher Multiplayer-Features am Ende doch vollkommen ungerechtfertigt wirkt. Denn ja, man sieht in der Welt auch mal andere Spieler durch die Gegend fahren oder zu Fuß in den Event-Hubs herumlaufen (Charakter-Editor gibt es übrigens auch keinen – man muss sich mit vorgefertigten Avataren zufrieden geben, die zu großen Teilen irgendwie merkwürdig aussehen), direkt mit ihren interagieren kann man aber nicht. Einen anderen Spieler, dem man irgendwo im Nirgendwo begegnet zu einem spontanen Rennen herausfordern oder sich spontan zu einer namensgebenden Crew zusammenschließen? Fehlanzeige. Ersteres geht gar nicht, zweiteres nur über die leider unzureichend erklärten Spielmenüs. Dann aber freut man sich zumindest über den angenehmen Umstand, dass jedes Crew-Mitglied sich immer über die selben Belohnungen wie der Top-Platzierte des Teams freuen darf.

Miteinander spielen macht also durchaus Spaß. Und gegeneinander? Erneut müssen wir euch enttäuschen. PvP-Modi gibt es keine. Zumindest jetzt noch nicht. Die sollen im Dezember mittels Patch nachgeliefert werden. Überhaupt verspricht Ubisoft das Spiel nach Launch noch mit viel neuem Content zu verwöhnen. Jedes Monat kommen zwei neue Fahrzeuge dazu, im September mit dem großen „Gator Rush“ Update zudem weitere Events. Und das vermeintlich alles kostenlos. Wer allerdings zum rund 40 Euro teuren Season Pass greift, bekommt alles schon ein bisschen früher – und zudem noch andere Boni wie exklusive Fahrerbekleidungen. Diese – und andere Extras – können auch über klassischen Micro-Transaktionen gekauft werden. Glücklicherweise hätten wir während dem Test aber nie das Gefühl gehabt, jetzt Geld ausgeben zu müssen, um bestmöglich voranzukommen. Pay to Win: In The Crew 2 kein Thema. Sehr schön.

Zoom Zoom

Von der schon zuvor angesprochenen, beeindruckenden Kartenansicht und ihren Zoom-Stufen abgesehen sind die Fahrzeugmodelle detailgetreu gestaltet (Cockpit-Perspektiven inklusive), die Wetter-Effekte ebenso wie die Darstellung des Wassers großes Kino und die Fahrphysik … na sagen wir „angemessen“; also nicht übertrieben realistisch, dafür aber jederzeit nachvollzieh- und gut beherrschbar. Einzig ein bisschen mehr Unterschied im Feeling der einzelnen Fahrzeuge einer Klasse hätten wir uns gewünscht. Dass sich ein Mustang fast genauso fährt wie ein Ferrari ist zwar für die Lernkurve gut, aber freilich für Auto-Enthusiasten am Ende doch irgendwie irritierend. Dann wiederum: Wir schon angemerkt ist es ja eben gerade die Physik, die so mancher Idee von Spaß oft im Wege steht. Und es mag zwar sein, dass es nicht realistisch ist, wie gut beherrschbar sich ein Ferrari 458 hier driften lässt, doch gleichzeitig würde der auch kaum den Sprung mit 200 Sachen von einem Hochhaus überstehen. Und doch tut er es hier … einfach weil es spaßig ist. Und just darum geht es hier ja immerhin.

FAZIT

Die große Welt und die gigantische Abwechslung in Sachen Fahr- und Flugzeugen sind definitiv die größten Stärken von The Crew 2. Allein durch diese beiden Faktoren kann man hier schon eine Menge Spaß haben – auch wenn das Setting des Karrieremodus etwas uninspiriert, die Streckenführung teils unzureichend ausgewiesen und der Online-Part nahe an einem Witz ist. Denn obgleich all diese Punkte durchaus schmerzen – zumal es bereits Alternativen wie etwa Forza Horizon gibt, die das deutlich besser hinbekommen – so schafft es das simple, blöde Herumspielen mit der offenen Welt und dem jederzeit möglichen Wechsel zwischen Boot, Flugzeug oder Auto doch immer wieder, dem Spieler ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Und wer weiß: Vielleicht schafft Ubisoft es ja wirklich bis Ende des Jahres mit den angekündigten Gratis-Updates auch diese Makel noch auszubessern. Bis dahin ist The Crew 2 schon jetzt für Adrenalin-Junkies durchaus eine Überlegung wert, aber leider erneut kein Must Have geworden.

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Was ist The Crew 2? Ein Open-World Racer mit den ganzen USA als Spielplatz.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet: Launch-Fassung auf PS4 Pro
Entwickler / Publisher: Ivory Tower / Ubisoft
Release: 29. Juni 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 4 | Motivation: 8

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