The Falconeer im Test

Über den Wolken, da muss die Freiheit wohl grenzenlos sein… oder auch nicht, wie uns The Falconeer zeigt. Unser Falke schafft es nämlich nur sehr knapp über die Wolken. Die meiste Zeit fliegen wir entweder sehr nahe am Boden oder auf Höhe der Wolken, aber nicht viel höher. Das macht auch Sinn, denn dort oben ist es verdammt kalt und der Sauerstoff ist auch schon ein wenig knapp.

Wir übernehmen im Spiel die Rolle eines Falkenreiters, eines Kriegers der Lüfte, der auf seinem riesigen Kriegsvogel über das Wasser gleitet und Missionen erfüllt. Der übergroße Falke (später kommen auch weitere Flugtiere dazu) ist mit einem nach vorne schießenden Blitzwerfer ausgerüstet und mit seinen Greiffüßen kann er Dinge vom Boden aufnehmen und transportieren. Der kreative Kopf hinter The Falconeer ist der Holländer Tomas Sala, der vor allem durch seine Skyrym-Mod Moonpath to Elsweyr bekannt wurde. In den letzten Jahren haben er und sein Team an The Falconeer gearbeitet, einem Third-Person Actionspiel das in einer offenen Welt mit mehreren Fraktionen spielt und neben beeindruckender Grafik und spannenden Luftkämpfen auch fünf Kampagnen enthält, um die Geschichte der geheimnisvollen Welt der Ursee zu erzählen.

Der Prolog

Zuerst muss man als Spieler durch den Prolog (das Tutorial), in dem uns ein Ausbildner der Kriegsvogeltruppen des Imperiums durch einfache Aufgaben lotst. Er erklärt uns wie der Sturzflug und die Ausweichrolle funktionieren, lässt uns Wegpunkte abfliegen und Sperrballone vom Himmel schießen. Schließlich müssen wir durch einen fantastisch aussehenden Gewittersturm fliegen, um unseren Blitzwerfer aufzuladen (aber nicht zu viel, sonst explodiert er) und danach zwei kleine Schiffe, eines mit dem Blitzwerfer und das andere mit einer Bombe, zerstören. Nachdem wir diese simplen Aufgaben erfolgreich absolviert haben, will uns der Ausbildner der Kaiserin des Imperiums vorstellen, die sich gerade auf ihrem Flaggschiff aufhält. Also fliegen wir Richtung Imperial Peak und dem Flaggschiff der Kaiserin. Hier nimmt die Story allerdings eine etwas andere Wendung als sich unser Ausbildner das vorgestellt hat – und das eigentliche Spiel beginnt.

Die Welt

The Falconeer spielt in einer Welt, die zum größten Teil aus Wasser (dem Ursee) besteht. Auf aus dem Ursee ragenden Felsen befinden sich Orte oder andere Bauwerke der Menschen. Über das Wasser fahren Kriegs- und Handelsschiffe, in der Luft fliegen Luftschiffe und Heißluftballone. Riesige Fische springen majestätisch aus dem Wasser, Felsen ragen aus der vom Wind aufgepeitschten See, ein Blitz zuckt über uns am Himmel – und wir fliegen mit unserem Vogel knapp über der Wasseroberfläche dahin. Über die Ursee herrscht das Imperium, mit der Kaiserin an der Spitze. Allerdings gibt es auch andere rivalisierende Fraktionen, wie den mächtigen Mancer Orden oder das Haus Borgia. Als Spieler kann man jederzeit die gesamte Landkarte erforschen und nach Belieben umherfliegen. Es macht Spaß, einfach nur auf seinem Falken sitzend durch die Gegend zu fliegen und die verschiedenen Orte zu bestaunen. Eine Besonderheit bildet der sogenannte Schlund, ein großes Tal mitten im Meer, zu dessen Seiten das Wasser wie von Geisterhand gehalten steht und den Meeresboden freigibt und an dessen Rand sich Orte und riesige Monumente befinden. Im Verlauf des Spieles kann man nicht nur neue Flugtiere erhalten, sondern auch die Welt unter Wasser erforschen. Grundsätzlich spielt das Game auf dem Rücken eines Flugtieres. An einigen Orten kann man zwar landen, aber man gelangt dadurch nur in ein Auswahlmenü und kann zwischen mehr oder weniger Optionen wählen – um danach wieder zu fliegen. Eine Fortbewegung zu Fuß ist nicht möglich.

Die einzelnen Kampagnen (Kapiteln)

Von Beginn des Spieles an sind die ersten vier Kampagnen freigeschalten, man kann jederzeit zwischen ihnen wechseln. Eine fünfte Kampagne muss erst freigeschalten werden. Am Anfang jeder Kampagne wählt man seine Spielfigur für die jeweilige Kampagne und damit sein Aussehen und seine Charakterwerte. Allerdings, und das ist irgendwie seltsam, übernimmt man das Geld und Inventar aus den bereits (teilweise) gespielten anderen Kampagnen, ebenso die auf der Weltkarte (in anderen Kampagnen) aufgedeckten Orte. Macht irgendwie keinen Sinn. Auch bauen die Kampagnen zeitlich aufeinander auf, sodass man die Geschichte unmöglich verstehen kann, wenn man hin- und herspringt. So ganz verstehe ich diese Designentscheidung nicht.

Die erste Kampagne beginnt in dem heruntergekommenen kleinen Schmugglerdorf Dunkle, das sich auf einem kleinen Felsen mitten in der Ursee, am Rande des Einflussbereiches des Imperiums, befindet. Wir spielen einen jungen Söldner (und seinen Kriegsvogel), der seine Dienste jeweils dem Höchstbietenden zur Verfügung stellt; oder zumindest dem, der überhaupt etwas bezahlt. Aktuell ist dies vor allem der Schriftmeister von Dunkle, der uns auf verschiedene Missionen für das kleine Dorf schickt. Die Missionen sind anfangs einfach und kurz. Wir werden auf Patrouille geschickt, müssen wichtige Frachten transportieren, Begleitmissionen absolvieren, verschwundene Bojen finden, Piraten bekämpfen um danach jeweils wieder zurück nach Dunkle zu kommen und unsere Bezahlung zu erhalten. Die Geschichte wird dabei vor allem bei den (sehr) kurzen Besprechungen vor und nach jeder Mission erzählt. Im zweiten Kapitel spielt man auf der Seite des Imperiums, im dritten Kapitel für das Haus Borgia und im vierten Kapitel für den Mancer Orden. Bei sehr vielen dieser Missionen fliegt man nicht alleine, sondern hat einen Alliierten an seiner Seite.

Neben den Story-Missionen können wir auch einen Händler besuchen, um unseren Kriegsvogel zu verbessern. Durch Injektion eines Mutagens können seine Beweglichkeit, Geschwindigkeit oder Ausdauer erhöht werden und an manchen Orten können Segnungen für ihn erworben werden. Mit genug Geld kann man auch einen besseren Blitzwerfer oder andere Waffen kaufen. Auch Handelslizenzen können beim Händler angeschafft werden. Neben dem Händler trifft man auch regelmäßig auf Auftraggeber, die uns zusätzliche Missionen anbieten, die zwar nicht die Geschichte vorantreiben, allerdings recht lukrativ sein können. Es ist auch jederzeit möglich, einfach frei in der Gegend umherzufliegen. Gespeichert wird nach Abschluss jeder Mission. Stirbt man, wird man an den Start der jeweiligen Mission zurückversetzt.

Der Flug des Vogels

Unser Kriegsvogel bewegt sich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nahezu ohne Anstrengung durch die Luft. Nur wenn wir nach oben fliegen muss er sich ein wenig anstrengen, je steiler wir nach oben wollen, desto mehr. Wir können ihn auch anspornen, über kurze Strecken so schnell wie möglich zu fliegen, aber das verbraucht seine Ausdauer sehr schnell. Im Sinkflug erholt er sich und seine Ausdauer steigt wieder. Bei genügend Ausdauer können wir auch akrobatische Rollen nach links oder rechts vollziehen, was ganz nützlich ist um feindlichen Geschossen auszuweichen. Das Wetter hat vergleichsweise geringe Auswirkungen, allerdings beeinflussen Windstöße immer wieder unsere Richtung, wir müssen daher darauf achten, auf Kurs zu bleiben. Auf- und Abwinde führen dazu, dass wir plötzlich Höhe gewinnen oder verlieren.

Dogfights

Die Luftkämpfe mit den vielen Feinden laufen ab wie schon im 1. Weltkrieg – die Vögel umkreisen sich und versuchen ihren Gegner aus kurzer Entfernung abzuschießen. Unsere Blitzkanone setzt feindliche Vögel oder andere (tierische oder mechanische) Flugobjekte in Brand, was grafisch wunderschön dargestellt ist. Die vorteilhafteste Position im Kampf ist es natürlich, oberhalb seiner Feinde zu sein. Dann ist man in der Lage, mit erhöhter Geschwindigkeit auf sie hinabzustoßen und schnell wieder aus der Reichweite ihrer Waffen zu entkommen, falls sie den Angriff überlebt haben. Die meiste Zeit wird man jedoch damit verbringen, seine Feinde zu umkreisen und zu versuchen, sie ins Fadenkreuz zu bekommen.

Um seine Gegner auch zu treffen muss man mit Vorhalt zielen, das bedeutet die Flugbahn der Geschosse sowie die Geschwindigkeit und Richtung seines Zieles zu berücksichtigen. Man muss also dorthin zielen, wo der Feind sein wird wenn unsere Geschosse dort sind. Nur dadurch wird man ein sich rasch bewegendes Ziel auch tatsächlich vernichten können. Gut, dass unsere Blitzkugeln so hell leuchten wie Leuchtspurmunition. Neben kleinen und wendigen Kriegsvögeln fliegen auch Luftschiffe am Himmel herum – die sind größer und langsamer. Hier kann man kaum vorbeischießen, allerdings schießen deren mächtige Waffen auch in alle Richtungen zurück. Bei Bedarf kann man Gegner markieren, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist vor allem in Luftkämpfen mit vielen Teilnehmern praktisch, damit man sich auf einen einzelnen Gegner konzentrieren kann. Neben Luftzielen müssen immer wieder auch Schiffe oder andere Bodenziele angegriffen werden. Man verwendet dazu seinen starr nach vorne schießenden Blitzwerfer oder man fischt sich eine der oft im Meer herumtreibenden Wasserminen heraus und wirft diese aus das Ziel ab. Fliegt man dabei nicht hoch genug, zerstört die Explosion nicht nur das eigentliche Ziel…

Flugsimulation

Handelt es sich bei The Falconeer um eine Flugsimulation? Nun ja, im weiteren Sinne wohl schon, allerdings verfügt man über keine klassischen Fluginstrumente oder gar ein auf das Cockpit projiziertes HUD (Head-up-Display), ein Falkenreiter hat nur seine eigenen Sinne und ein paar weitere Anzeigen zur Verfügung, um den Überblick zu behalten. Zum Glück hat unser Reittier jedoch einen ausgeprägten Überlebenswillen, es stürzt weder ab noch fliegt es direkt gegen Hindernisse, auch wenn wir es schnurstracks in den Boden bohren wollen oder direkt auf einen Felsen zusteuern. Das Vieh verliert auch in einer Wolke niemals die Orientierung und kann unmöglich ins Trudeln geraten, auch wenn wir noch so brutale Flugbefehle geben – die Natur ist der menschlichen Ingenieurskunst halt immer noch einen gewaltigen Schritt voraus.

Ein paar Anzeigen haben wir zur Unterstützung jedoch schon. Ein Kompass zeigt unsere Flugrichtung an, er zeigt uns auch wie wir unsere (vorgegebenen) Missions-Wegpunkte erreichen. Der weiße Balken misst die Entfernung zum nächsten Wegpunkt. Per Knopfpunkt kann auch jederzeit eine Landkarte der Ursee aufgerufen werden, auf der alle bereits entdeckten Orte eingezeichnet sind. Verfliegen kann man sich also nicht. Weiters haben wir eine Anzeige der Gesundheit unseres Vogels (roter Balken), die sich übrigens (relativ schnell) wieder von alleine regeneriert, wie bei einem modernen Shooter. Der blaue Balken gibt uns Auskunft über die Ausdauer unseres Vogels, ohne Ausdauer können wir keine Ausweichrollen machen oder schneller fliegen. Auch erhalten wir jederzeit angezeigt, was als nächstes zu tun ist (Bekämpfe Feinde, Fliege zu Ziel, Kehre zur Basis zurück usw.). Das Auge in der Mitte zeigt uns an, wie gut wir gerade für andere sichtbar sind. Ist es geschlossen, sind wir unsichtbar. Wenn wir wissen wollen, wieviel Munition unsere Blitzkanone noch hat, brauchen wir nur nach hinten zu schauen. Dort sind sich nämlich mehrere Kanister voller Blitzenergie am Vogel festgezurrt, deren Farbe sich bei Verbrauch ändert. Insgesamt ist das Ganze also sehr einfach gestrickt, es gibt nur sehr wenige Fluganzeigen, unser Vogel fliegt quasi von alleine und kann nicht abstürzen und navigieren könnte auch ein Fünfjähriger. Eigentlich muss man kaum etwas wirklich berücksichtigen – man fliegt einfach zu seinem Zielpunkt und genießt den Ausblick. Nachdem die Flüge aber meist eher kurz sind, hat man dazu allerdings nicht wirklich viel Zeit.

The Falconeer ist grafisch unheimlich gut gelungen. Die Objekte des Spieles (Gebäude, Schiffe) sind in einem wunderschönen Low Poly Stil dargestellt und das Spiel läuft absolut flüssig ab. Die einzelnen Orte sind nicht weit voneinander entfernt, sodass lange, ereignislose Flüge kaum vorkommen. Oft ist es auch möglich, zum nächsten Wegpunkt vor zu spulen. Das wäre jedoch schade, denn die Wetterereignisse, Landschaften und Kulissen schauen teilweise einfach umwerfend aus. Man kann jederzeit in den Fotomodus schalten. Hier wird das Spiel pausiert, und man kann die Kamera frei um seinen Vogel herum bewegen. Dadurch kann man herrliche Screenshots anfertigen – oder die Gegend genauer betrachten.

Der Vorfahre

Das Spiel erinnert mich stark an ein uraltes Spiel der Rollenspielspezialisten von SSI, den im AD&D Universum angesiedelten Drachenflugsimulator DragonStrike aus dem Jahr 1990. Schon damals bin ich auf dem Rücken eines Drachens gesessen und habe mich auf meinem Commodore Amiga von Mission zu Mission gekämpft. Inzwischen hat sich die Technologie ein wenig weiter entwickelt – The Falconeer schaut natürlich unvergleichlich besser aus als damals DragonStrike, das Gameplay ist jedoch sehr ähnlich.

The Falconeer auf der Xbox Series X (getestet von Anna)

Wir durften auch einen Blick darauf werfen, wie flüssig The Falconeer auf der Xbox Series X läuft. Nach einem 4K-Update letzte Woche hat man nun auch die Möglichkeit die standardmäßig vorgegebenen 60 FPS auf 120 zu erhöhen, um damit ein schnelleres Spielgefühl zu erzeugen. Nach dem Update sieht das Spiel schärfer als zuvor aus und läuft entsprechend flüssiger. Nur leider kann ich persönlich nicht von den vollen 120 FPS profitieren. Mein LG OLED 65 B6V-Fernseher schafft es zwar 4K darzustellen, jedoch ist seine Reaktionszeit, beispielsweise hinsichtlich der Farbdarstellung, zu langsam, um die höhere Framerate wirklich genießen zu können. Der unschöne Nebeneffekt sind hier entstehende Schlieren, beispielsweise stark am Himmel bei Farbverläufen zu sehen – ein farbenfroher Sonnenuntergang verliert so leider ein wenig Magie. Grafisch hat das Nutzen der 120 FPS einen kleinen bitteren Beigeschmack für mich, gameplay-technisch kommt es jedoch zu einer deutlich schnelleren Reaktion und keinem Input-Lag während dem Flug und im Kampf. Solltet ihr einen Monitor besitzen, dessen Reaktionszeit angemessen schnell läuft, könnt ihr von der hohen Bildwiederholungsrate nur profitieren.

FAZIT

The Falconeer ist ein gut aussehendes Actionspiel in einer offenen Welt und besteht vor allem aus Dogfights – spannenden, flotten Luftkämpfen auf engem Raum. Durch das Absolvieren einer Vielzahl von unterschiedlichen Missionen wird die fantastische Geschichte der rivalisierenden Fraktionen der Ursee in einer Welt voller geheimnisvoller Technologien, alter Relikte, gigantischer Monumente und sagenhafter Fabelwesen erzählt. Als Spieler kann ich aber auch einfach nur die Gegend erforschen und beliebige nicht story-relevante Missionen für verschiedene Auftraggeber erfüllen.

Was ist The Falconeer? Ein Fantasy Open-World Luftkampf Actionspiel.
Plattformen: PC, Xbox Series X|S, Xbox One
Getestet: Verkaufsversion, auf einem PC mit i7-3770, 24 GB RAM, GeForce GTX 1070, 3440×1440 Auflösung, Win 10
Entwickler / Publisher: Tomas Sala / Wired Productions
Release: 10. November 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 6.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 6 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 6

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test