The Great Perhaps im Test

The Great Perhaps ist für die russischen Indie-Entwickler Caligari Games der Einstieg in die Spieleindustrie, mit dem sie ab 14. August die Gameswelt begeistern möchten. Unterstützt wurden sie vom deutschen Entwickler und Publisher Daedalic Games, welcher dafür bekannt ist, besonders Spiele unter seine Fittiche zu nehmen, die in erster Linie auf Story bauen – und The Great Perhaps macht dabei keine Ausnahme. Aber beeindruckt die Zeitreise-Geschichte rund um einen zurückgelassenen Astronauten auf der Suche nach den Überbleibseln der Menschheit auch?

Ein melancholischer Blick in die Zukunft

In The Great Perhaps schlüpfen wir in die Rolle eines Raumfahrers mit Name Kosmos, welcher alleine für die Wartung einer Raumstation im Weltall verantwortlich ist. In bewegten Artworks wird uns der Leidensweg unseres Helden vor Augen geführt: Während dem Gespräch mit einer Kollegin kommt es zu einer mysteriösen Explosion auf der Erde, welche sogar aus dem All zu sehen ist. Bevor die Verbindung abbricht noch eine letzte Nachricht: Bring dich in Sicherheit. Die einzige Möglichkeit zu überleben? Eine Kryo-Kapsel. Knapp 100 Jahre später erwacht Kosmos aus seinem langen Schlaf und realisiert schnell, dass auf seinem Heimatplaneten niemand mehr zu sein scheint, zu dem er Kontakt aufbauen kann. Dem Selbstmord nahe, wird der Raumfahrer von einer virtuellen KI der Raumstation gerettet: L9. Zusammen machen sie sich schließlich zurück in Richtung Erde auf, um nach Menschen, aber auch Kosmos‘ Familie zu suchen. Was sie auf dem Planeten erwartet, entspricht jedoch so gar nicht den Vorstellungen, die sie hatten …

Leere Welt

Hat man nach dem Starten des Spiels die Einleitungssequenz überstanden, springt man direkt ins Spielgeschehen – wobei Spielgeschehen sehr großzügig formuliert ist. The Great Perhaps ist nämlich ein Puzzle-Adventure, welches großen Wert auf die Narrative legt – ganz wie auch viele andere Projekte von Publisher Daedalic Entertainment. Das schließt natürlich unterhaltsames Gameplay nicht aus, trotzdem haben Adventure-Games selten viel Tiefgang, was diesen Aspekt betrifft.

Nach einem kurzen Tutorial findet sich der Spieler so in einer großen Halle wieder, in welcher er eine Laterne findet. Doch nicht nur irgendeine Laterne, nein, mithilfe des kleinen Leuchtkörpers ist es unserem Protagonisten möglich, zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her zu reisen – und tatsächlich stehen die Zeitreisen im Mittelpunkt der Handlung sowie des Gameplays des Titels. Schon kurz nach dem Aufheben der Laterne zeigt sich, dass das Dasein Kosmos‘ in der Vergangenheit begrenzt ist – und genau darum drehen sich auch die meisten Rätsel des Spiels: Durch bedachtes Wechseln der Zeitstränge ist es möglich, Dinge in der Vergangenheit zu reparieren, damit sie in der Gegenwart funktionieren, oder Gegenstände im Jetzt in die frühere Zeit zu transportieren, um dort mit ihnen zu interagieren. Mit diesen Items lassen sich Rohre neu verbinden, Schalter auslösen und mehr. Das Übliche eben. Ab und zu wird überdies von der Weltraum-Handwerker-Profession Gebrauch gemacht, beispielsweise, um einen Stromkasten neu zu verkabeln.

Das Geschehen zwischen den Zeitsträngen spielt nach den Regeln des klassischen Side-Scrollers. Mit unserem Helden ist es möglich, sich nach links und rechts durch die Spielwelt zu bewegen. Springen kann er ebenfalls und, wie mir scheint, hat sich nicht nur die Erdoberfläche, sondern auch die Erdanziehung während seiner 100 Jahre Kryo-Schlaf geändert – natürlich fühlt sich der Sprung des Astronauten nämlich nicht an. Ebenso gibt es keinen genauen Indikator dafür, wie lange es dauert in eine andere Zeit zu reisen. In manchen Situation wäre mir ein visuelles Feedback lieber gewesen als das Geräusch einer Laterne. Auch die Gestaltung der Gegner ist eher mangelhaft. Dabei spreche ich nicht von der visuellen Gestaltung, sondern dem Gameplay. Zwar ergeben sich kombiniert mit dem Zeitreisen Möglichkeiten, Gegner zu umgehen, aber heruntergebrochen läuft es immer auf ein nerviges Wartespiel hinaus. Außerdem: Wird man erwischt, heißt es zurück zum letzten Checkpoint und das Ganze beginnt von Neuem. Besonders mit einer Zeitreise-Mechanik hätte man hier weit mehr herausholen können.

Parallelen zur unserer Welt?

Genug des Gemeckers. Alles in allem war natürlich klar, dass The Great Perhaps kein Bomben-Gameplay vorzuweisen haben wird, was tatsächlich auch nicht weiter schlimm ist – ich bin doch kein Adventure-Banause! Nein, für mich weist sich The Great Perhaps durch seine ganz besondere Stimmung aus. Nicht wenig bedrückend war mein Spieldurchlauf. Mit dem Konzept, dass nicht die Monster, die den Astronauten um die gefilterte Atemluft bringen wollen, sondern der Mensch – oder eher das, was er einmal war – der Feind ist, wird nicht selten gespielt. The Great Perhaps nimmt sich kein Blatt vor den Mund, ob es um Anspielungen an die Ignoranz des Menschen geht, oder um Audiologs von einem kleinen Mädchen, das seine tote Mutter vermisst.

Das bedrückende Gefühl, dass der Mensch für die gewaltige Katastrophe, die der Erde widerfahren ist, Verantwortung trägt, ist ständig präsent. So viel zu save our planet. Auch wenn die visuelle Repräsentation der Spielwelt simpel gehalten ist, werden dennoch kaum Details ausgelassen. Besonders beim Wechseln der Zeitstränge ist es immer wieder interessant, zu sehen, wie sich die letzten 100 Jahre auf die Erde ausgewirkt haben. Und da wären wir auch schon bei der musikalischen Untermalung des melancholischen Titels. Diese ist nicht weniger bedrückend als die Story und auch der Rest der Präsentation gefällt sehr gut. Eine tolle Idee ist es, dass sich beim Wechseln der Zeiten nicht nur das Bild und die Umgebung ändern, sondern auch der Soundtrack dementsprechend lebendig (in der Vergangenheit), beziehungsweise karg (in der Gegenwart) wird. Das Spiel selbst ist wahlweise in Englisch oder Russisch vertont, die Texte sind auch auf Deutsch verfügbar.

FAZIT

Ich bin ehrlich, es fällt mir es schwer The Great Perhaps zu bewerten. Einerseits überzeugt es mich mit seiner bedrückenden Atmosphäre, Musik und Darstellung auf voller Länge, andererseits mangelt es dem Titel aber vor allem an forderndem Gameplay. Zwar gab es für mich einige Momente, die mich kurz zum Pausieren und Nachdenken gebracht haben, und auch welche, die schwer auf die Tränendrüsen drückten, aber leider wurden diese Momente meist von langweiligen „Schleichpassagen“ unterbrochen oder durch viel zu einfache Rätsel gestört. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich mir The Great Perhaps durch solche Ausrutscher – trotz meiner kritischen Art – nicht vermiesen lassen habe. Der Grund dafür ist einfach: In unserer Gegenwart achten wir leider immer mehr auf uns und kaum mehr auf unseren Planeten. Für manche sind belegte Fakten leider nicht Grund genug, um etwas zu ändern, deswegen bin ich umso glücklicher über Titel wie The Great Perhaps, die diese Themen unverblümt ansprechen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft mehr von den Entwicklern Caligari Games sehen werden, einen guten Start hatten sie auf jeden Fall!

Was ist The Great Perhaps? Sci-Fi-Adventure mit gesellschaftskritischer Handlung
Plattformen: PC, MacOS, Linux
Getestet: auf PC Intel Core i7-6700HQ, 8GB RAM, GeForce GTX 960M
Entwickler / Publisher: Caligari Games / Daedelic Entertainment
Release: 14.August.2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 6.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 4 | Spieldesign: 4 | Motivation: 6

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