Die Sage um König Arthur mit seinen Rittern von der Tafelrunde gibt es in unzähligen Varianten. Schloss Camelot, der Heilige Gral, das Schwert Excalibur, die verbotene Liebe zu Guinevere sind meistens Fixstarter in der Erzählung. Ein kosmischer Horror aus einer anderen Dimension, der mit abscheulichen Kreaturen, die in den verdrehten Windungen von H.P. Lovecrafts Gehirn entstanden sein könnten, die ganze Welt verschlingen will, jedoch eher nicht.
Doch genau davon handelt The Hand of Merlin von Entwickler Room-C Games aus Kroatiens Hauptstadt Zagreb und Publisher Versus Evil. Mit taktischen, rundenbasierten Kämpfen als Kernstück, und einer Geschichte die eine Mischung aus König Artur und Sci-Fi-Horror ist, wurde es soeben im Early Access auf Steam veröffentlicht. Es handelt sich um ein Roguelike mit zufällig generierten Ereignissen und hohem Wiederspielwert – zumindest verspricht uns das der Entwickler. Nachdem uns Neocore erst im Jänner mit King Arthur: Knight’s Tale eine recht gute aber noch ziemlich unfertige Neuinterpretation der Legende von Arthur vorgestellt hat, ist nun also Room-C Games an der Reihe. Schauen wir es uns an!
Setting
König Arthur ist tot, und die Welt wird von Abscheulichkeiten aus einer anderen Dimension angegriffen. Überall auf der Welt öffnen sich Risse, aus denen Abscheulichkeiten in die Welt strömen und die Menschen und das Land vernichten. Das Land liegt am Boden, in Albion regiert ein altersschwacher König und die Menschen bekämpfen sich selbst in dieser schweren Stunde immer noch gegenseitig. Merlin ist geschwächt und wandelt nicht auf der Welt, er kann uns nur durch Einflüsterungen den Weg weisen und Hinweise geben. Die Geschichte erzählt von unendlich vielen Parallelwelten (jeder neue Run eine neue Welt), die alle am Abgrund stehen während Merlin versucht, jede davon zu retten – und daher ein klein wenig ausgelaugt ist. Wir spielen drei noch unbekannte Helden, die von Merlin den Auftrag erhalten, nach Camelot zu gehen, dort den Heiligen Gral abzuholen und ihn nach Jerusalem zu bringen, um die Welt zu retten und die Abscheulichkeiten aus einer anderen Dimension aus dieser Welt zu verbannen. Um dies zu erreichen, müssen wir durch vier Länder reisen – Albion, Frankreich, Spanien und schließlich das Heilige Land.
Gameplay
Die Kernmechanik des Spieles sind die rundenbasierten taktischen Kämpfe. Diese werden von einer Art Choose-Your-Own-Adventure Spielmechanik zusammengehalten. Wir bewegen uns auf einer Landkarte von Wegpunkt zu Wegpunkt vorwärts (zurück geht nicht) und haben sehr oft die Wahl zwischen verschiedenen Wegen, wobei auf der Landkarte nur die uns erwartenden Eckpunkte (Stadt oder sonstiger besonderer Ort, Monster aus einer anderen Dimension oder nicht, mögliche Ressourcen) im Voraus bekannt sind, während das tatsächliche Ereignis zufallsgeneriert ist. Die Geschichte wird in einem Buch erzählt, und wir treffen immer wieder Entscheidungen, die unterschiedliche Auswirkungen haben. An vielen Stellen entscheidet der Zufall darüber, wie sich unsere Entscheidung auf die Geschichte auswirkt. Das ist allerdings sehr transparent dargestellt, weil wir an solchen Stellen eine zufällige Karte ziehen müssen, aber den Inhalt der zur Verfügung stehenden Karten zuvor sehen können. Beispielsweise wollen wir ein Pferd aus dem Schlamm ziehen und uns werden zwei Karten präsentiert (und danach umgedreht und gemischt) – eine Karte bringt Erfolg, während das Pferd im Schlamm versinkt, falls wir die andere Karte ziehen. Auf diese Art werden auch wesentlich komplexere Ereignisse mit mehreren Karten gespielt. Die Texte im Buch sind gut geschrieben (und nicht vertont), auch wenn man nach längerem Spielen natürlich oft nur mehr das Ergebnis liest und den Rest überfliegt. Trotzdem sollten Spieler, die nicht gerne lesen sich den Erwerb des Spieles gut überlegen.
Story
Zu Beginn wählen wir uns drei Helden für unsere Gruppe aus. Die Wahl fällt uns leicht, weil anfangs ohnehin nur drei Helden zur Auswahl stehen. Weitere sechs können im Lauf des Spieles freigeschalten werden und in zukünftigen Runs verwendet werden. Wir wählen also die drei Helden, einen melancholischen Krieger, einen depressiven Heiler (der allerdings verdammt gut kämpfen kann) und eine Fährtensucherin mit ihrem Bogen. Die Einflüsterungen von Merlin leiten uns zum Sitz des Königs, dem Schloss Camelot. Dort sollen wir den Heiligen Gral an uns nehmen und danach über Albion, Marca Hispania, al-Andalus und schließlich über das Meer nach Jerusalem reisen. Merlin meint damit, dass wir zuerst unsere Heimat Albion (wo sich auch das Schloss Camelot befindet) durchqueren müssen, dann nach Frankreich übersetzen sollen, die Pyrenäen überqueren, durch das von den Mauren besetzte Spanien zu einem Hafen ziehen und dann mit einem Schiff nach Jerusalem segeln sollen.
Wir marschieren also nach Camelot, erbitten eine Audienz mit dem altersschwachen König Gawain, und der gibt uns ohne viel Diskussion den Heiligen Gral. Ein Diener gibt uns noch eine von zwei (zufälligen) Reliquien/Verbesserungen, wobei wir hier erstmals die Wahl haben, beide kriegen wir nicht, auch wenn wir die letzte Hoffnung dieser Welt sind. All das lesen wir in Textform in einem Buch – und nun beginnt das eigentliche Spiel. Vor uns ist eine Karte von Albion, mit unserem Startpunkt Camelot links oben und der Hafenstadt Corbenic, unserem ersten Ziel, rechts unten. Auf der Karte sind einzelne Wegpunkte mit Strichen verbunden – wir können so unseren Weg wählen. Städte, Wegpunkte, korrumpierte Wegpunkte, jedes Mal müssen wir mit einem zufälligen Ereignis zu Recht kommen. Überall im Land erscheinen Abscheulichkeiten, die Karte ändert sich während wir uns auf ihr bewegen. Eine unnatürliche Katastrophe bricht über die Welt herein und wird sie vollständig vernichten, wenn wir es nicht rechtzeitig nach Jerusalem schaffen.
Kampf
An jedem Wegpunkt auf der Landkarte erwartet uns ein Zufallsereignis, an dem wir im Multiple-Choice Verfahren unsere Handlungen wählen und das Ergebnis präsentiert bekommen. All das in Textform – mit Ausnahme der Kämpfe. Schon bald sind wir in den ersten rundenbasierten Kampf verwickelt, sei es gegen Banditen, Steuereintreiber, Deserteure oder grauenvolle (und kampfstarke) Abscheulichkeiten aus einer anderen Dimension. Wir sehen die Umgebung in einer isometrischen Ansicht und können jeden unserer drei Helden – in beliebiger Reihenfolge – bewegen, Angriffe durchführen oder andere Fähigkeiten einsetzen lassen, solange wir noch Handlungspunkte zur Verfügung haben. Zaubersprüche kosten (sehr spärlich vorhandenes) Mana, Hindernisse dienen uns als Deckung vor Geschossen. Generell ist es nicht sehr vorteilhaft, mit dem Rücken zum Gegner zu stehen. Es ist allerdings möglich, sich von einem Gegner wegzubewegen, ohne einen Schlag in den Rücken zu erhalten.
Jeder Charakter verfügt über Rüstungspunkte. Diese fangen zuerst den Kampfschaden auf und regenerieren sich nach jedem Kampf wieder. Wenn eine Figur keine Rüstungspunkte mehr hat, leidet beim nächsten Treffer ihre Gesundheit. Manche Spezialangriffe umgehen die Rüstung auch und reduzieren sofort die Gesundheit. Gesundheitspunkte füllen sich zwischen den Kämpfen leider nicht wieder automatisch auf, hier hilft nur ein Heiler. Heiler gibt es in den meisten Städten, aber die sind teuer. Es ist nicht möglich, die Karte im Kampf zu drehen, was es manchmal schwer macht, die Übersicht zu bewahren. Man kann zwar den letzten Zug zurücknehmen, aber nur wenn dabei keine Nebeneffekte ausgelöst wurden, daher solltet ihr also mit Bedacht auf den Mausknopf drücken. Wenn einer der drei Helden stirbt, ist er tot. Zumindest bis zum nächsten Run. Man sollte das daher tunlichst vermeiden, denn mit nur zwei Helden wird das Spiel ein ganzes Stück schwieriger. Leider schließen sich uns auf unserer Reise (mit einer kleinen Ausnahme gegen Ende) keine weiteren Helden an, zumindest habe ich keine gefunden. Schade, so bleibt den einzelnen Helden zwar mehr zum Essen aber in den Kämpfen wäre ein vierter oder fünfter Mitstreiter schon ganz nützlich. Die Gegner werden ja auch immer zahlreicher, je weiter man sich Jerusalem nähert.
Ressourcen und Charakterübersicht
Unsere Heldengruppe verfügt über vier Ressourcen: Gold, Verpflegung, Mana für die Zaubersprüche und ihr Ansehen. Wenn das Ansehen unserer Gruppe hoch genug ist, kann jeder unserer Helden im Charakterübersichtsbildschirm eine neue Fähigkeit (von drei zufällig ausgewählten) erlernen. Jeder Held kann insgesamt vier Fähigkeiten beherrschen, weiteres Ansehen kann dann in die Verbesserung dieser Fähigkeiten investiert werden. Außerdem erhalten unsere Figuren mehr Lebenspunkte. In der Charakterübersicht seht ihr auch Waffen- und Rüstungsupgrades, die bei einem Schmied jeweils fünf Mal verbessert werden können – falls ihr zu viel Gold dabei habt. Darüber hinaus kann eine Reliquie (die allesamt unterschiedliche positive Effekte haben) pro Charakter ausgerüstet werden und ihr könnt euch auch die Charakterwerte eurer Helden ansehen. Nicht übermäßig detailliert, aber ok.
Wenn ihr auf Gegner aus der anderen Dimension trefft werden Informationen über diese automatisch in eurer Reisejournal eingetragen und können von euch jederzeit nachgelesen werden. Ganz praktisch. Allerdings ist das Buch bei jedem neuen Run wieder leer – finde ich dämlich. Naja, nachdem es nur sieben verschiedene Gegner aus der Paralellwelt gibt, wäre der Monsterteil im Buch sonst auch ziemlich schnell vollständig. Mit den manchmal erhaltenen Essenzen (Splitter von Merlins Macht) könnt ihr bis zu vier relativ mächtige Zaubersprüche im Beschützerwürfel freischalten – permanent, daher auch für weitere Läufe. In den Städten können wir mit unserem Gold die Dienste eines Heilers in Anspruch nehmen, was auch meistens dringend notwendig ist. Für das restliche Gold können wir unsere Ausrüstung beim Schmied verbessern, Nahrungsmittel oder Reliquien kaufen. Ihr könnt auch Nahrungsmittel oder Reliquien verkaufen, wobei ich es nicht empfehlen würde, den Heiligen Gral zu Gold zu machen. Glaubt mir, ich hab’s versucht und mich nicht lange an dem vielen Gold erfreut. Vom bescheidenen Glücksbringer eines Bauern bis hin zu Arthurs legendären Schwert Excalibur sind Gegenstände mit magischen Kräften in der Welt verstreut. Einige davon können wir bei Händlern erwerben, andere müssen wir uns durch heldenhafte Taten – oder kluges und listiges Vorgehen – verdienen.
Roguelike
Das Spiel ist schwer – so wie es sich für ein Roguelike geziemt. Scheitern gehört einfach dazu. Ein toter Held bleibt tot, zumindest habe ich keine Möglichkeit der Wiederbelebung gefunden. Der grundsätzliche Aufbau der vier Landkarten ist bei jedem Run gleich, nicht jedoch die Ereignisse an den einzelnen Orten. Ereignisse, Gegenstände und Personen sind in jeder Parallelwelt anders auf der Landkarte verteilt. Wir starten jedes Mal als unerfahrene Helden, allerdings gibt es auch ein paar permanente Freischaltungen – nämlich die Zaubersprüche aus dem Zauberwürfel oder neue Helden, die wir zu Spielbeginn für unsere Gruppe auswählen dürfen.
The core features of The Hand of Merlin are all available: a roguelike experience, tactical turn-based combat, non-linear narrative, equipment upgrades, spells, alternate dimensions, and much, much more…
Während meines Spieletests sind mir keine offensichtlichen Fehler oder noch fehlende Inhalte aufgefallen. Eigentlich schaut The Hand of Merlin (warum eigentlich nicht „The Voice of Merlin?) schon durchaus fertig aus. Das Spiel benötigt eine relativ lange Ladedauer zu Beginn, läuft danach aber flüssig. Die Entwickler planen vor allem weiteren Feinschliff, werden aber nach Möglichkeit auch weitere Helden, Feinde und Zaubersprüche einbauen. Der vollständige Launch soll laut Room-C Games in etwa 6 Monaten, jedenfalls noch 2021, erfolgen. Basierend auf dem aktuellen Fertigstellungsgrad erachte ich das auch als realistisch.
So far so good
Die visuelle Präsentation von The Hand of Merlin ist gut. Das Buch, in dem die Geschichte erzählt wird ist hübsch illustriert, die Landkarten sind toll gestaltet, die Benutzeroberfläche ist übersichtlich und aufgeräumt, aber vor allem haben mir die Umgebungen bei den Kämpfen gefallen. Die sind nämlich recht abwechslungsreich. Im Gegensatz zu ähnlichen Spielen, bei denen die Kämpfe auf immer gleichen Karten ablaufen, finden hier die Kämpfe tatsächlich immer in der Umgebung statt, die zuvor in der Geschichte beschrieben wurde. Wir kämpfen also in unterschiedlichen Ländern in Wirtshäusern, auf Bergwegen, einer Wiese oder in einer Lagerhalle… auch wenn das wenig Einfluss auf die Kämpfe hat, schaut es gut aus und bringt Abwechslung ins Spiel.
Die musikalische Untermalung passt sich der Spielsituation an, in den Kämpfen ertönt eine andere Hintergrundmusik als während der Reise auf der Landkarte. Passende Soundeffekte untermalen euren Erfolg oder Misserfolg während der Kämpfe, insgesamt ist das Sounddesign jedoch eher zurückhaltend. Die doch vielen Texte im Spiel sind generell nicht vertont.
Die Steuerung funktioniert gut und ist leicht zu erlernen. Hilfstexte erscheinen, wenn man mit dem Mauszeiger über bestimmten Icons schwebt. Bei den Kämpfen ist gut ersichtlich, wer gerade an der Reihe ist und wohin er gehen kann. Aktuell ist das Spiel nur in englischer Sprache verfügbar, ich nehme aber an, dass Übersetzungen folgen werden. Ein Abspeichern des Spielstandes ist möglich, allerdings wird dabei auch das Spiel verlassen. Abspeichern und am nächsten Tag weiterspielen geht also, das Spiel nach einem unglücklich verlaufenden Ereignis neu laden jedoch nicht.
Ein Roguelike mit rundenbasierten Kämpfen, zufällig auf der Weltkarte verteilten Ereignissen sowie Gegenständen und einer einfach zu verstehenden Geschichte: Gehe nach Camelot. Schnappt euch den Heiligen Gral und bringt ihn nach Jerusalem, um die Welt zu retten. Permadeath und Permaunlocks (neue Helden und Zaubersprüche) sind ebenfalls dabei, Händler bieten verschiedene Verbesserungen (Reliquien) zum Kauf an, an bestimmten Stellen können eure Figuren geheilt werden, alles wie es sich für ein Roguelike gehört.
Das Spiel ist darauf ausgelegt, mehrmals gespielt zu werden. Ein Roguelike eben. Der Umfang ist nicht extrem hoch – wir haben drei größere Landkarten, die wir durchqueren müssen. Wählen wir den schnellsten Weg, sind das rund 12 Ereignisse pro Landkarte, von denen nur ein paar auch zu Kämpfen führen. Die vierte und letzte Landkarte (das Heilige Land) ist deutlich kleiner. Die Karten werden kontinuierlich fordernder (mehr und stärkere Gegner, teurere Nahrungsmittel). Es gibt im ganzen Spiel nur sieben verschiedene Monsterarten aus der Paralleldimension, dazu noch einige menschliche Gegner. Die Ereignisse an den Wegpunkten ändern sich bei jedem neuen Run, wir können auch einen anderen Weg wählen, finden neue Reliquien, und durch das Freischalten neuer Helden und Zaubersprüche werden beim wiederholen Spielen vollkommen neue Strategien möglich. Zwei Schwierigkeitsgrade bieten eine Herausforderung sowohl für Anfänger als auch erfahrene Spieler.
FAZIT
The Hand of Merlin ist ein Roguelike mit fordernden rundenbasierten Kämpfen und vielen (Multiple-Choice) Entscheidungen. Über Erfolg oder Misserfolg verschiedener Handlungen entscheidet oft eine zufällig gezogene Karte. Wir ziehen mit unseren drei Helden durch eine mittelalterliche Welt mit Anleihen aus der Legende von Arthur (und auch der Rolandsage), um sie vor einer Invasion abscheulicher Kreaturen (inspiriert von H.P. Lovecraft) zu retten. Wir feilschen mit Händlern, verbessern unsere Helden und finden alte Relikte, bevor wir uns in Jerusalem der Quelle des Übels stellen. Wer gerne ein wenig liest und vor allem Spaß an taktischen rundenbasierten Kämpfen hat, der sollte sich The Hand of Merlin näher ansehen.