The Inquisitor im Test

Direkt aus dem erzkonservativen Polen kommt ein neues Adventure, das eine alternative Religionsgeschichte präsentiert. Jesus wurde gekreuzigt – und hat sich mit gnadenloser Brutalität an seinen Mördern gerächt. In der Welt von The Inquisitor (herausgebracht von Kalypso) ist das Christentum keine Religion der Gnade und Vergebung, sondern der Rache und Vergeltung. Gott hilf mir, damit ich nicht die Sünde der Gnade begehe.

Sofern ihr mit dieser fiktionalen Auslegung der christlichen Religion kein Problem habt, bekommt ihr in The Inquisitor (ursprünglicher Name: I, The Inquisitor) ein aufwändig produziertes Adventure in 3D, das in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt spielt und euch in die Rolle eines Inquisitors versetzt, der erbarmungslos den Willen der allmächtigen Kirche durchsetzt und Ungläubige und Sünder im Auftrag des Bischofs bestraft. Und mit „bestrafen“ denke ich eher an den Kerker oder an den Scheiterhaufen als an ein paar Ave Marias zur Buße.

The Inquisitor ist vor allem ein Adventure, ihr bewegt euch in einer 3D-Welt, müsst aber neben den Rätseln auch regelmäßig unterschiedliche Action-Sequenzen bestehen, um voranzukommen. Schwertkämpfe, Verfolgungsjagden, Quick Time Events… die Arbeit als Inquisitor ist körperlich fordernd und auch immer wieder lebensgefährlich.

Der Inquisitor

The Inquisitor spielt im Jahr 1533 in der verdreckten mittelalterlichen Stadt Königstein. Als Hintergrund der Geschichte dienen die Fantasy-Romane von Jacek Piekara (nicht verwechseln mit Nicolas Eymerich, The Inquisitor von Valerio Evangelisti), in denen die Kirche ihren Glauben und ihre Macht ohne Gnade durchsetzt, und in der neben Menschen auch andere übernatürliche Wesen ihren Platz haben.

Wir sind Mordimer Madderdin, ein Inquisitor, von der Kirche mit nahezu unbeschränkten Befugnissen ausgestattet, Ankläger und Richter in einem, und sollen die Ordnung aufrechterhalten und den Glauben an Gott stärken. Die wichtigste Aufgabe eines Inquisitors ist es, jeden aufzuspüren, der eine Sünde (vor allem gegen Gott den Allmächtigen) begeht. Wir wurden vom Bischof nach Königstein entsandt, um Gerüchten über einen Vampir nachzugehen. Die Stadt ist aber auch ohne Vampir voll von Sündern, die vom Weg abgekommen sind – wobei die Entscheidung ob jemand vom Glauben abtrünnig geworden ist, ebenso wie die Bestrafung bei uns liegt. Wir entscheiden über das Schicksal der Menschen, ohne dass wir uns mit langwierigen Gerichtsverfahren oder Beweisaufnahmen aufhalten müssen. In dieser Welt ist die Justiz effizient und schnell – und wir SIND die Justiz. Wir sind ein fanatischer Inquisitor, der aber natürlich den Glauben so interpretieren kann, wie es uns gerade nützlich erscheint. Wir treffen regelmäßig Entscheidungen, ob wir im Namen Gottes unbarmherzige Strafen aussprechen oder vielleicht doch – wenn es uns vorteilhaft erscheint – Gnade walten lassen. Mit Moral und Recht nach unseren heutigen Vorstellungen hat das alles wenig zu tun. Die Situationen, in die wir regelmäßig kommen, zeigen gut auf, wozu eine unkontrollierte Machtfülle führt. Wer soll uns denn in die Schranken weisen? Wir setzen ja nur den Wille Gottes durch, und dagegen darf sich niemand stellen!

In den Straßen von Königstein

Wir bewegen uns durch die Stadt, die grafisch schön dargestellt wird, während die 3D-Modelle der Figuren eher mau dargestellt werden, vor allem bei den Dialogen macht sich das stark bemerkbar. Allerdings sind die Interaktionsmöglichkeiten bei unseren Erkundungen eingeschränkt, auch kommen mir die engen Straßen manchmal ein wenig menschenleer vor. Es torkeln zwar immer wieder einmal Betrunkene durch die Gegend, Prostituierte winken an den Straßenrändern, Händler stehen hinter ihren Marktständen, Gaukler tanzen herum, aber im Großen und Ganzen wirkt die Stadt eher dünn besiedelt. Kaum jemand redet viel, niemand schreit herum, keine Menschenmassen quälen sich durch die engen Gassen. Es schaut in manchen Bereichen fast aus wie zu Zeiten eines Lockdowns, wo nur wenige Leute ihr Haus verlassen. Die Türen sind verschlossen, es sind nur wenige Hotspots zu finden, an denen wir interagieren können. Nicht einmal am Marktplatz ist besonders viel los. Wir können gehen und laufen, aber nicht zuschlagen, stehlen, springen oder klettern wie z.B. Altair in Assassin’s Creed. Die meisten Einwohner haben uns nichts mitzuteilen und stehen nur (mit einfachen Animationen versehen) in der Gegend herum, ohne auf unsere Anwesenheit zu reagieren. Wir finden immer wieder Altäre, an denen wir beten können und damit unsere Religiosität auffüllen. Wenn wir an anderen Stellen beten, werden uns Hotspots ebenso wie unser nächstes Ziel angezeigt, um die Mission voranzutreiben. Dadurch wird es trotz der wenigen Interaktionsmöglichkeiten nicht so schnell uninteressant, weil wir immer wissen, wo wir uns als Nächstes hinbewegen müssen. Wenn wir beten, werden generell unsere Sinne extrem geschärft und wir können Geruchsspuren folgen, oder diversen Spuren am Boden. Wir müssen Verdächtige aufspüren, Befragungen durchführen, Beweise sammeln, Tatorte inspizieren und Entscheidungen treffen bzw. Urteile fällen. Die Stadtwache führt dann im Regelfall unsere Anweisungen aus.

Die Multiple-Choice Gespräche sind relevant, die Story entwickelt sich je nach ausgewählter Antwort weiter. Einfach alle Antwort-Möglichkeiten durchklicken geht nicht. Daneben gibt es auch immer wieder kleine Rätsel zu lösen. The Inquisitor ist grundsätzlich ein Detektiv-Adventure, und kein Action-Adventure/Soulslike. Ihr werdet viel Zeit damit verbringen, durch die verschiedenen Viertel der Stadt zu spazieren. Immerhin gibt es Sammelgegenstände zu finden.

Unworld

Schon bald führen wir unsere Ermittlungen nicht nur in der Welt der Lebenden durch, sondern fallen auch durch intensives Beten in Trance und wechseln so in die Unworld hinüber. Hier sind wir genauso wenig beliebt wie in der echten Welt, nur sind die Einwohner eher weniger von uns eingeschüchtert oder gar hilfs- und gesprächsbereit. Ein fliegendes Ungeheuer sucht uns wie das Auge von Sauron, seine Sprösslinge jagen uns am Boden. Wir müssen ihnen ausweichen und uns verstecken, während wir Splitter einsammeln um schließlich eine Vision zu erhalten, die uns Ereignisse aus der realen Welt zeigt und uns so bei unseren Ermittlungen unterstützt. Danach kehren wir automatisch wieder in die echte Welt zurück. Wir sind ein wenig geschwächt, aber unsere Lebenskräfte kehren nach ein paar Gläsern Wein schnell wieder zurück.

Die im Spiel (immer wieder einmal vorkommenden) Schwertkämpfe sind ganz nett gemacht – leichte und schwere Angriffe, Ausweichen, Blocken. Die richtige Positionierung ist wesentlich, es zahlt sich aus, mit einem Gamepad zu spielen. Verglichen mit einem auf den Kampf fokussiertem Spiel (z.B. einem Soulslike) sind die Gefechte aber primitiv. Sie sind nur eine von mehreren Spielmechaniken in The Inquisitor. In den Straßen können wir öfters auch fremden Gesprächen lauschen. Dazu setzen wir uns an bestimmten Stellen auf eine Bank, um dann manchen Fremden bei ihren Unterhaltungen zuhören zu können und so Hinweise zu erhalten. Wenn wir bestimmte Gegenstände erhalten, haben wir manchmal Visionen, die uns Szenen aus der Vergangenheit dieser Gegenstände zeigen. Wir tragen ein kleines Journal mit uns, in dem wir automatisch neu erlangte Informationen über Personen eintragen. Auch unsere offenen und erledigten Quests finden wir hier, ebenso wie gefundene Hinweise. Schnellreisen durch die Tunnel unter der Stadt sind möglich. Wir haben aber kein richtiges Inventar, keine Charakterwerte, keinen Fertigkeitsbaum. Gespeichert wird automatisch an bestimmten Checkpoints.

Zusammenfassung

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