The Lion’s Song im Kurztest

Das kleine Wiener Studio Mi’pu’mi Games ist zwar schon seit über 10 Jahren im Geschäft, der Name wird aber vermutlich nur Branchenkennern etwas sagen. Partnerschaften beispielsweise mit IO Interactive (Hitman) zahlen zwar die Rechnungen, bringen aber kaum Ruhm. Das sollte sich nun, zumindest in Indie-Kreisen, aber ändern, denn mit The Lion’s Song, einer in Episoden erscheinenden, liebevollen Ode an die Kunst und der Menschen die dahinterstecken, hat man ein kleines Meisterwerk geschaffen.

Wien ist anders

Die Geschichte führt uns ins Wien des frühen 20. Jahrhunderts. Jede Episode begleitet einen jungen, brillanten Kopf ein Stück seines Weges und beleuchtet deren Werdegang sowie den damit verbundenen Sorgen, Ängsten, Erfolgen und Misserfolgen. Sei es die aufstrebende Komponistin mit Schreibblockade, den mit seinen Werken selbst unzufriedene Maler, oder eine geniale Mathematikerin, die sich mit dem zu dieser Zeit vorherrschenden Patriarchat herumschlagen muss.

Und auch wenn zunächst kein Zusammenhang zwischen unseren Protagonisten zu bestehen scheint, so wird nach und nach immer deutlicher, dass deren Schicksale doch ineinander verwoben zu sein scheinen. Auch wenn Wien nicht ausschließlicher Schauplatz des Geschehens ist, nimmt die Stadt selbst, damals Hochburg künstlerischer und wissenschaftlicher Schaffenskraft, doch eine nicht unwesentliche Rolle ein.

Kunst liegt im Auge des Betrachters

Um eines gleich vorweg zu nehmen: Wer ausgeklügelte Spielmechaniken und aufregendes Gameplay sucht, wird hier schwer enttäuscht werden. Der Fokus von The Lion’s Song liegt eindeutig beim Erzählen seiner Geschichte. Das funktioniert grundsätzlich im Stile klassischer Point & Click Adventures, nur vereinfacht. Auf ein Inventar und echte Rätsel wird verzichtet, stattdessen liegt das Augenmerk auf Gesprächen mit mehreren Antwort-Möglichkeiten und der Interaktion mit seiner Umwelt durch einfaches Anklicken. Dabei haben unsere Entscheidungen über die aktuelle Episode hinausreichende Auswirkungen. So lädt das Spiel zu mehreren Durchläufen ein, und wer mit Steam verbunden ist kann außerdem am Ende jeder Episode sehen, wie viele der anderen Spieler die selben Entschlüsse getroffen haben.

Den Jungs und Mädels bei Mi’pu’mi ist ein, zwar simpel gestricktes, aber unglaublich vielschichtiges Kleinod gelungen. An der Oberfläche ein gelungenes Portrait außergewöhnlicher Personen auf ihrem Weg zu Ruhm und Anerkennung. Doch darunter verbergen sich komplexe Charakterstudien eben jener Personen, die zeigen, dass auch sie nur Menschen mit Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten sind und wie sehr eben diese Emotionen Antrieb und Quelle besonderer Leistungen sein können. Das alles in maximal 6 Stunden Spielzeit unterzubringen und mit einer Brise Humor und vielen Querverweisen auf damals tatsächlich in Wien residierende Größen, wie Gustav Klimt oder Sigmund Freud, zu garnieren, ist eine kleine Meisterleistung für sich.

Die Schönheit des Einfachen

Bei der Optik bleibt man ebenfalls dem 20. Jahrhundert treu. In braunen Sepia-Farben gehalten, präsentiert sich The Lion’s Song in waschechtem Pixel-Look. Hintergründe und Figuren sind zwar liebevoll und den Möglichkeiten entsprechend detailliert gezeichnet, aber nur minimal animiert. Überhaupt erinnert das Spiel stark an die ersten Zwischensequenzen der NES-Ära.

Klassische Klänge schleichen sich unbemerkt in des Spielers Ohr und setzten sich dort fest. Besonders die titelgebende Melodie wird man so schnell nicht mehr los. Sprachausgabe gibt es leider keine, dafür schön pointiert und glaubwürdig verfasst Dialoge sowie Beschreibungen, die aber nie zu ausufernd werden, wie so gerne in Spielen dieser Art.

FAZIT

Auch ganz ohne falschen Patriotismus kann man nur sagen: Hut ab vor dem Team das The Lion’s Song geschaffen hat. Mi’pu’mi Games erzählt hier eine vielschichtige, komplex aufbereitete Story, voller emotionaler Tiefe, ohne dabei kitschig oder lehrmeisterhaft zu werden. Dazu kommt eine sehr einfache, aber hochwertige und vor allem passende optische Aufmachung und ein hervorragender Soundtrack. Das Spiel muss sich absolut nicht hinter bekannteren Perlen dieses Genres verstecken und es sei ihm zu wünschen, dass es im Sumpf der Steam-Ramschspiele nicht untergeht. Einzig Spielern die sich von einem Game in erster Linie spannendes Gameplay oder Action erwarten, sei hiervon abgeraten.

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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