Leben und Tod. Zwei Seiten einer Gleichung. Alles was lebt, ist unweigerlich dem Tode geweiht. Alles was Tod ist, wurde einst ins Leben geboren. Doch der Tod ist nicht das Ende, er ist der Übergang in eine neue Form der Existenz. Welche? Das kann ich euch nicht sagen, ich hab sie nie gesehen. Ich kenne nur das Reich in dem jene stranden die geblendet durch Schmerz, Trauer und Wut den Weg ins Jenseits nicht finden. Diese Seelen brauchen einen Führer, der sie durch die Düsternis ins Licht leitet, jemanden wie mich, ein Medium!
Alles beginnt in The Medium mit dem Tod eines Mädchens. Seit sie denken kann, wird die junge Marianna im Schlaf von Alpträumen über ein verzweifeltes Mädchen heimgesucht. Darin beobachtet sie eine junge Frau die durch einen Wald vor etwas zu fliehen scheint. Am Ufer eines Sees wird sie von ihrem Peiniger gestellt und kaltblütig erschossen.
Der Tod spielt in Mariannas Leben seit jeher eine zentrale Rolle. Sie wurde als Medium geboren und besitzt dadurch nicht nur die Fähigkeit mit Toten zu sprechen, sondern sie existiert simultan in unserer Realität und jene der Geister, welche sich in einer pervertierten Reflektion des Diesseits manifestiert. Marianna weiß nicht viel über den Ursprung ihrer Fähigkeiten, doch als sie eines Tages einen mysteriösen Anruf erhält, hofft sie auf dem Niwa-Hotelkomplex die lange ersehnten Antworten zu bekommen.
Auf zu neuen Pfaden
Mit The Medium wagt sich das polnische Entwicklerstudio Bloober Team an ihr bisher ambitioniertestes Game. Im Laufe der letzten Jahre konnte sich die Mannschaft mit Titeln wie Layers of Fear 2 einen durchaus respektablen Ruf im Horror-Genre aufbauen. Das Besondere an ihren Werken ist meiner Meinung nach, dass sie spielerisch nie sehr fordernd sind, aber mit guter Atmosphäre, einem ausgesprochen feinsinnigen Gespür für Grusel und Horror sowie komplexen und teils sehr traurigen sowie nachdenklichen Geschichten punkten können. The Medium führt diese Tradition kompromisslos fort, mit allen Stärken und Schwächen, wenngleich man durchaus den einen oder anderen Feinschliff in der Rezeptur erkennen kann.
The Medium beginnt dabei mit recht stillen Tönen. Wir lernen Marianna kurz nach dem Tod ihres Ziehvaters kennen. Die junge Frau ist in das Zuhause ihrer Kindertage zurückgekehrt, um dessen Beerdigung vorzubereiten und Abschied zu nehmen. Hier fällt uns gleich die erste Neuerung im Vergleich zu den vorherigen Titeln des Entwicklers auf: Wir spielen nicht aus der Egoperspektive, sondern aus jener der Third-Person. Dabei bedient sich The Medium der aus diversen klassischen Horrortiteln bekannten „fixen Kamera“. Soll heißen, dass die Regie uns immer vorgibt welche Bereiche einer Szenerie wir sehen und welche nicht. Eine Entscheidung die durchaus Kritik bei Spielern hervorgerufen hat, da diese Form der Kamera als veraltet und unflexibel gilt. Ich persönlich allerdings habe das sehr begrüßt, da der Schrecken oft im Verborgenen liegt und durch geschickte Regie dadurch schön an der Schraube des Schreckens gedreht werden kann. Das gelingt The Medium die meiste Zeit überzeugend. Auch sollte an dieser Stelle erwähnt sein, dass die Kamera zwar stets einen vorbestimmten Blickwinkel einnimmt, aber dennoch dynamischer agiert als in den genannten Vorbildern, dadurch entsteht ein filmisches Flair, welches ich durchaus genossen habe.
Anders sieht es allerdings mit der Steuerung aus, die gestaltet sich außerordentlich eigenwillig und unpräzise. So wird das Ergreifen von Objekten gelegentlich zum frustrierenden Geduldsspiel. Was manchmal dazu führte, dass ich aus der eigentlich tollen Welt und Geschichte gerissen wurde.
Ein Blick in zwei Welten
Die Geschichte ist eine der größten Stärken von The Medium. Sie beginnt zunächst sehr ruhig und entwickelt sich zu einer düsteren Erzählung, die auch vor Themen wie Kindesmissbrauch nicht zurückschreckt. Dabei sind die Abgründe innerhalb der Story nie zum Selbstzweck oder zum reinen Schockfaktor verkommen, sondern werden überraschend einfühlsam erzählt. Selten ist etwas so, wie es zunächst scheint und auch ein vermeintliches Monster hat menschliche Seiten. Böses wird nicht böse geboren, es hat immer einen Ursprung, eine Geschichte. Marianna ist sich dessen mehr bewusst als alle anderen, denn sie wurde mit einem „Fluch“ geboren. Sie existiert simultan in zwei Welten.
Dies wird in The Medium via Split-Screen dargestellt. An manchen Punkten des Spielt teilt sich der Bildschirm und wir sehen die Szene aus der Realität der Lebenden und jener der Toten. Das Reich der Verstorbenen wirkt wie ein abstraktes Spiegelbild der Wirklichkeit. Alles ist verfallen, in rostigen Brauntönen gehalten und von Pilzen überwuchert. Diese Ebene der Existenz ist nicht nur ein atmosphärisches Erlebnis, sondern wird auch von verstörenden Wesenheiten heimgesucht, wie dem von Troy Baker verkörperten MAW, dem Hauptantagonisten von The Medium. Der Mime haucht dieser Bestie allein mit seiner Stimme so viel Leben ein, dass jede Begegnung ein absolutes Highlight darstellt. Bei diesen Aufeinandertreffen muss Marianne meist die Flucht ergreifen, schleichen oder kann sich mit in der Totenwelt gesammelter Energie zumindest etwas zur Wehr setzen. Es ist sehr atmosphärisch zu sehen, wie die Konfrontationen mit der Bestie gleichzeitig in beiden Welten stattfinden und doch hat es mich überrascht wie wenig Platz dieses prominent beworbene Feature im eigentlichen Gameplay einnimmt.
Wie bereits erwähnt kommt es nur in vordefinierten Momenten zu dieser Spaltung der Realität und meist läuft es spielerisch nur darauf hinaus, dass wir irgendwo einen Schalter aktivieren müssen, den unsere Heldin im Reich der Lebenden nicht erreichen kann. Das ist schade, da viel Potenzial liegen gelassen wird. Generell sollte man The Medium mehr wegen seinen erzählerischen Qualitäten spielen als aufgrund des Gameplays. Die Fluchtsequenzen, wie auch die Rätsel sind sehr simpel gestrickt und stellen selten bis kaum eine wirkliche Herausforderung dar. The Medium lässt insofern viele Möglichkeiten ungenutzt liegen. Das tut mir in der Seele weh, denn wäre es in seinem Gameplay so herausragend wie in seinem Storytelling und der Atmosphäre, wäre es ein echter Hit geworden!
Zusammenfassung
Grafik
The Medium sieht toll aus. Es wird geschickt mit der Lichtstimmung gespielt, Figurenanimation und Weltendesign können überzeugen. Leider ist das Game sehr hungrig nach Hardware, so kommt es gerade bei der Realitätenteilung auch auf potenten Rechnern immer wieder zu unschönen Rucklern.
Sound
In Sachen Sound ist The Medium durchaus ein echtes Brett! Die düsteren Klänge des Soundtracks in Kombination mit den großartig vertonten Monstern entfalten ein sehr fesselndes Klangerlebnis.
Handling
Die Steuerung ist ein echtes Manko, da sie stellenweise sehr ungenau ist. Ich habe mich oft geärgert, weil ich ein Objekt erst nach dem dritten bis vierten Versuch anwählen konnte. Auch wird die Steuerung gerade in hektischeren Momenten gerne Mal zum Übel, was dafür sorgt, dass man so manchen Tod unnötig und vor allem unverschuldet stirbt.
Spieldesign
Auch das Spieldesign gehört nicht zu den Stärken von The Medium. Die interessante Idee mit der gespaltenen Realität, wird nicht selten schlicht für simple Schalterrätzel vergeudet. Ein Großteil des Erlebnisses ist es die Umgebung nach Hinweisen für die Geschichte zu durchsuchen, ein Aspekt der mir persönlich jedoch Spaß gemacht hat.
Motivation
Wer in der Hoffnung auf starkes Gameplay einen Blick in The Medium wirft, wird das Ende vermutlich nicht sehen. Wer aber wegen der starken Story und dem schaurigen Ambiente kommt, wird sechs bis sieben tolle Stunden erleben!
FAZIT
The Medium ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen bietet es eine eher maue Erfahrung im Spieldesign, zum anderen ist es aber erzählerisch ein wahres Juwel, da die Geschichte ab- und tiefgründiger nicht sein könnte. Wie so oft bei Spielen von Bloober Team, steckt hinter dem Horror eine persönliche Tragödie, deren Schockwelle sich in dem die Spielfigur umgebenden Alptraum manifestiert. The Medium hat mich oft auf Arten ge- und berührt, die ich nicht erwartet hatte. War es auch keine spielerische Herausforderung, emotional kam ich an mein Limit und ich bin froh, dass ich bis zum Schluss dran geblieben bin.