The Order 1886 TEST

Ihr kennt doch diese Typ-Tests in diversen Magazinen, oder? Die, in denen man einige Multiple-Choice Fragen beantworten soll, die vermeintlich keinen Zusammenhang aufweisen. Addiert man dann am Ende entsprechend einer Antworttabelle die Punkte zusammen, sagt einem der schlaue Test was für eine Art Mensch man ist. The Order 1886 ist da so ähnlich. Stellt einem Menschen die Aufgabe, dass er oder sie auf einer Skala von 1 bis 10 angeben soll, wie gut er oder sie The Order 1886 findet und ihr habt eine exakte Analyse davon, wie sehr er oder sie eine Technik-Schlampe ist … oder ein Technik-Schlamperich. Gendern kann echt anstrengend sein. Wie auch immer; zum Spiel!

Fangen wir doch damit an, was The Order 1886 eigentlich ist. Zum einen ist es – um das offensichtlichste und positivste gleich zu Beginn abzuhaken – eine Technikdemo allererster Güte für die PS4. Die Grafik, die Ready at Dawn da mit ihrer hauseigenen RAD Engine 4.0 aus der PS4 kitzelt ist schlichtweg umwerfend und nicht weniger als der neue Grafikmaßstab über alle Plattformen hinweg. Was bei den meisten Spielen gerade noch von gut gemachten CGI-Zwischensequenzen zu erwarten war, ist hier Spielgrafik. Hammer! Da verzeiht man den Entwicklern dann sogar, dass sie dem ganzen ein 21:9-Format verpasst haben, was auf klassischen TV-Geräten für schwarze Balken ober und unter der Action sorgt. Vor allem die Charaktermodelle sind nicht weniger als ein absolutes Highlight. Aber auch die diversen Effekte wie Shader für Oberflächenbeschaffenheiten, Licht und atmosphärische Effekte sind allererste Sahne. Kurzum: Will man sehen (oder zeigen), was die PS4 wirklich drauf hat, führt kein Weg an diesem Spiel vorbei. Auch die Tonabteilung hat sich nicht lumpen lassen. Musikuntermalung, Sprecher und Waffensounds sind „spot on“, wie es im Englischen so schön heißt.

Wo Licht ist …

Leider ist das dann aber auch schon, wo meine ungebremste Lobhudelei endet. Denn alles andere an the Order ist nett, aber irgendwie … nunja, nicht „spot on“. Das fängt bei der Story an, die wirklich spannende Ansätze hat und ein sehr interessantes Universum im London des späten 19. Jahrhunderts vorstellt – aber eben nur vorstellt. Gerade wenn der Plot rund um unseren Helden Sir Galahad (mit großartigem Schnauzbart btw.) anständig in Schwung kommt, ist das Spiel schlagartig vorbei. Zurück bleibt ein verdutzter und ziemlich unbefriedigter Spieler – so ging es zumindest mir. Ich will hier jetzt nicht zu viel verraten, aber an sich bietet die Geschichte jede Menge spannende Ansatzpunkte für eine wirklich epische Story: Einen aus der Tafelrunde entstammenden Ritter-Orden den dunkle Geheimnisse umwittern, Korruption und Komplotte überall, Rebellion, Liebe, Verrat, Eifersucht, böse Monster … es ist alles da. Nur wird nichts wirklich „anständig“ ausgespielt. Der Hintergrund ist natürlich einfach durchschaut: The Order wird eine Serie. Doch wenn nach ca. sechs Stunden die Credits über den Bildschirm wandern, wirkt diese Erkenntnis mehr verärgernd als erfreulich.

Und dann ist da noch das Gameplay. In seinem Kern ist es schnell umrissen: Ein cover-based Shooter wie wir ihn seit Gears of War schon unzählige Male gesehen haben. An sich nicht schlecht, aber eben auch nichts Besonderes. Wenn dann einzelne Teilgebiete der Grund-Mechanik auch noch nicht mal über „durchschnittlich“ gut hinauskommen, ist das Anno 2015 nur umso ärgerlicher. Da ist dann auch nicht hilfreich dass die Waffen etwas uninspiriert daherkommen und die Gefechte gegen menschliche Gegner von der ersten bis zur letzten Stunde im Spiel immer gleich ablaufen, ohne Höhepunkte oder Abwechslung zu bieten … abgesehen von drei Schleichpassagen im Spiel, die aber kaum „Highlights“ sind.

Also mies?

Zum Zeitpunkt dieses Testes geistern im Netz schon diverse Reviews herum, die dem Spiel 50% und weniger attestieren. Ganz ehrlich: Das ist ungerechtfertigtes Gebashe, das keinesfalls schlüssig argumentierbar ist. Das selbe gilt in meinen Augen aber für alle +90-Wertungen. Klar – ich wurde in den sieben Stunden, die ich für das Spiel gebraucht habe, durchaus gut unterhalten. Aber nachdem es nach eben diesen sieben Stunden absolut keinen Grund mehr für mich gibt, das €60 teure Spiel jetzt auch nur noch einmal in die Hand zu nehmen, außer damit eventuell dem einen oder anderen Besucher mal zu zeigen, wie weit Spiele grafisch heute schon gekommen sind, ist es in meinen Augen definitiv kein 90er. Hat man die Story nämlich durch, gibt es schlichtweg absolut nichts mehr zu tun. Multiplayer (der sich bei einem Team aus vier Recken, wie es in der Story vorgestellt wird, ja irgendwie anbieten würde)? Fehlanzeige. Zusätzliche Einzel-Missionen oder andere Boni? Fehlanzeige. Das ganze Spiel wirkt einfach nur grafisch wirklich „fertigpoliert“. Der Rest ist noch ein ziemlich wüster Rohdiamant, der wohl erst in künftigen Teilen so RICHTIG zu glänzen beginnen wird.

FAZIT

Drehen wir das Spiel aus dem Intro um. Stellt euch folgende Frage: Wie wichtig ist euch eine richtig geile Grafik in einem Spiel – von 1 bis 10. Je dichter eure Entscheidung an der Zehn liegt, desto dringender braucht ihr The Order 1886. Denn obwohl es bei Weitem kein „schlechtes Spiel“ ist … wirklich großartig ist es auch nicht. Es ist eine richtig gut spielbare Tech-Demo mit einem cool designtem Universum, die einen sechs bis acht Stunden Shooter-Standardkost in atemberaubendem Gewand bietet. Kann man kaufen … muss man aber nicht.

Gesamtwertung: 7.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 6 | Spieldesign: 6 | Motivation: 4

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