The Outer Worlds im Test

Wisst ihr Leute, früher, da war alles besser! Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man mit seinen Gedanken, auf die glorreicheren Tage Bethesdas zurückblickt. Mir zumindest, geht es so. Schweren Herzens denke ich an einstige Perlen der Spiele-Schmiede, wie Morrowind, Fallout 3 und Fallout: New Vegas zurück. Alles chronische Zeitfresser, mit hoher Liebe zum Detail, einer tiefen Seele und dem Herzen am rechten Fleck. Darum schmerzt es mich so sehr, zu sehen, dass Bethesda mit Games wie Fallout 4 und Fallout 76 immer mehr zu vergessen scheint, was die Magie von einst ausmachte. Doch zum Glück gibt es Obsidian und ihren Silberstreif am Horizont: The Outer Worlds!

Das Raumschiff „Last Hope“  ist Stoff um den sich Mythen ranken. Gilt das Schiff und deren Besatzung, doch seit Dekaden als verschollen. Ihr seid ein Teil der Crew, und habt die letzten 70 Jahre im Kryo-Schlaf verbracht. Ein Fakt, dessen ihr euch erst bewusst werdet, als euch der schrullige Wissenschaftler Dr. Phineas Wells, zurück ins Leben holt. Eigentlich seid ihr und eure Kollegen aufgebrochen um die Kolonien der Erde im Sternen-System Halcyon, mit eurer Expertise zu unterstützen und somit deren Entwicklung voranzutreiben. Doch die schöne neue Welt der Randsiedlungen, hat sich in eine unvorhergesehene Richtung entwickelt. Statt Freiheit und Gleichheit, regieren geldgierige Konzerne die äußeren Welten. Skrupellos drängen sie die einst hoffnungsvollen Siedler in brutale Knebelverträge, und beuten ihre Arbeitskräfte, unter unmenschlichen Bedingungen, bis zum letzten Atemzug, aus. Neben modernisierter Sklavenhaltung, machen sich auch politische Intrigen, Mord und hoch bedenkliche Werbe-Kampagnen in Halcyon breit. Das können wir nicht zulassen! Ob wir dabei als Held dem finsteren Treiben des Kapitalismus ein Ende setzen, oder ausziehen um uns selbst ein Stück vom Kuchen zu holen, bleibt dabei uns überlassen. Willkommen, in einer Welt der moralischen Entscheidungen, der skurrilen Figuren und des schwarzen Humors. Wilkommen, in The Outer Worlds!

The Hilarious Adventures of Captain Dave White

The Outer Worlds beginnt klassisch für das Genre mit der Erstellung des eigenen Charakters, angefangen mit dessen Look. Dabei legt uns Obsidian eine große Auswahl an optischen Anpassungsoptionen in die Hand. So entscheiden wir über Gesichtszüge, Behaarung, Vernarbung oder die visuellen Eigenheiten unseres Recken. Warum sich The Outer Worlds in dieser Hinsicht so üppig gestaltet, erschließt sich mir nicht ganz. Das Rollenspiel wird ausschließlich aus der Ego-Perspektive gespielt, dadurch bekommen wir die Spielfigur nur im Menü oder bei einer Inaktivität von einer Minute zu Gesicht, dann zoomt nämlich die Kamera heraus und umkreist diese. Meist trägt unser Held auch einen Helm, doch kann in den Optionen eingestellt werden, ob man diesen angezeigt bekommt.

Darauf folgt die Festlegung der Charakterwerte, und dort entpuppt sich The Outer Worlds als wahres Fest für Zahlen- und Skillfetischisten. Hier kann man sich nach Herzenslust austoben und den Avatar seiner Träume erstellen.  Es gibt drei Grundattribute: Körper, Geist und Persönlichkeit. Darunter jeweils zwei Unterstufen, welche wir mit vorhandenen Fähigkeitspunkten auf durchschnittlich, gut, hoch und sehr hoch skillen können. Ich wollte einen Infiltrator mit Schwerpunkt auf Schleichen und Diebstahl. Dadurch habe ich ein Maximum in Geschicklichkeit (Körper) investiert. Da ich mir auch noch moderate Hacking- und Überzeugungsfähigketen wünschte, hob ich Intelligenz (Geist) sowie Charisma (Persönlichkeit) über den Durchschnitt. Zu guter Letzt konnte ich mich noch zwischen diversen Begabungen entscheiden. Meine Wahl fiel auf „Junior-Kassier ohne leitende Tätigkeit“, was mir einen Bonus von +1 auf überzeugen einbrachte.

Hierbei handelt es sich aber nur um den Grundaufbau des Charakters, während des Spiels können wir unsere Spielfigur weiter hochleveln. Dort erwartet uns allerdings ein eigener Skill-Tree. Auch dieser unterteilt sich wieder in diverse Hauptgruppen wie Fernkampf, Verteidigung und Technik. Darunter finden sich abermals drei Unterklassifizierungen. Bei Fernkampf zum Beispiel: Handfeuerwaffen, Langwaffen und schwere Waffen. Steigt man um ein Level auf, so investiert man erhaltene Erfahrungspunkte zunächst in die Hauptkategorien. Erst wenn eine Subkategorie einen Mindestwert von 50 erreicht hat, kann diese gezielt angewählt und ausgebaut werden. Bei jedem zweiten Aufstieg, eröffnet sich ebenfalls der Zugriff auf einen von mehreren Vorteilen. Damit lassen sich dann unter anderem Schnelligkeit oder Traglast des Helden verbessern.

Im Allgemeinen, gestaltet sich der Charakterbau in The Outer Worlds sehr komplex und flexibel. Es macht tierischen Spaß, sich in die schier unendliche Anzahl aus Optionen zu stürzen und den idealen Build für sich zu finden.

Wie Fallout, doch anders!

Kurz nachdem und Dr. Phineas Wells – welcher mich übrigens unweigerlich an Rick and Morty denken lässt – aus unserem Tiefschlaf geholt hat, verschlägt es uns bereits auf den ersten Planeten. Um den teuflischen Konzernen auf die Pelle rücken zu können, müssen wir mobil werden. Es lässt sich schließlich nicht zu Fuß zwischen verschiedenen Planeten hin und her wandern! Zu diesem Zwecke sollen wir uns mit einem Schmuggler treffen. Blöd nur, dass dieser die Sache mit dem Treffpunkt um einiges zu wörtlich nahm und wir mit unserer Landekapsel auf seinem Kopf landeten. Da wir für die versehentliche Enthauptung des Captains gesorgt haben, scheint dessen Schiff, die Unreliable, jetzt uns zu gehören, also ab in ferne Welten? Niemals! The Outer Worlds wäre kein Rollenspiel, gebe es auf dem Pfad zum Erfolg kein Hindernis.

So hat uns der Bordcomputer des Schiffs, Ada, zwar binnen Sekunden als Captain akzeptiert, doch da der Energieregulator beschädigt ist, bleiben wir vorerst am Boden. Ersatz muss her! Möglicherweise lässt sich in Edgewater, einer Siedlung in der Nähe, Hilfe finden. Auf unseren Weg dort hin, können wir die Schönheit begutachten, welche Obsidian bei Erschaffung der Welten in The Outer Worlds kreiert hat. Knallige Farben, eine wunderschöne Tier- und Pflanzenwelt, welche in ihrer Ästhetik sehr an James Camerons Avatar erinnert und ein Horziont der den Atem anhalten lässt. Prinzipiell gibt es in The Outer Worlds keine offene Spielwelt. Das Ergibt sich dadurch, dass die Handlung auf mehreren Planeten spielt, aber die einzelnen Gebiete sind jedoch so ausladend und liebevoll gestaltet, dass dies nicht auffällt.

Vor den Toren Edgewaters, bekommen wir es mit einer Bande Plünderer zu tun. Während des Gefechts, welches sich sehr gut steuert, macht sich ein unerwarteter Nebeneffekt des ungesund langen Kälteschlafs bemerkbar: wir können die Zeit verlangsamen! Es ist kein Geheimnis, dass The Outer Worlds ein geistiger Verwandter der Fallout-Reihe ist, stecken doch mit Timothy Cain und Leonard Boyarsky die Schöpfer der Original-Reihe hinter dem Game. Deshalb lassen sich durchaus Elemente des Vorbilds in The Outer Worlds finden. Sei es die Inszenierung, der schwarze Humor oder das eigentliche Kampfsystem. Zwar hat man sich vom eigentlichen V.A.T.S.-System aus Fallout verabschiedet, doch ist es möglich, während der verlangsamten Zeit einzelne Körperteile des Feindes anzuvisieren und bei Treffern verheerende Effekte beim Gegenüber auslzuösen.

Von Entscheidungen und Kameraden

Haben wir die Meute ins Jenseits befördert, können wir endlich durch die Pforten von Edgewater treten. Dort treffen wir auf unsere erste Begleiterin: die schüchterne Technikerin Parvati. In The Outer Worlds haben wir die Möglichkeit, bis zu zwei Crew-Mitglieder auf unseren Missionen mitzunehmen. Diese unterstützen uns im Kampf, verfügen über einen eigenen Skill-Tree und Background, sind aber nicht unbedingt die smartesten Kerzen auf der Torte. Daher beißen sie bei schwacher Skillung gerne und häufig ins Gras. Man kann das Verhalten der Begleiter im jeweiligen Menü anpassen. Dadurch lassen sich die Sterberaten etwas minimieren. Unsere Weggefährten sind exzellent geschrieben, hochgradig liebenswert und reagieren auf unsere moralischen Entscheidungen. Zusätzlich verfügt jeder Kamerad über eine Questline. Parvati, zum Beispiel, verliebt sich in die Leiterin einer Raumstation und wir sollen ihr helfen ihre Gefühle zu artikulieren, da sie leider nicht über die erforderlichen sozialen Fähigkeiten verfügt. Durch diese Storylines wachen einem diese Figuren richtig ans Herz und man lauscht ihnen gerne bei dem was sie erzählen.

Nun sind wir endlich beim Boss von Edgewater. Dieser hat zwar einen Energieregulator, denkt aber nicht daran ihn rauszurücken, der wird für die Stromversorgung der Stadt benötigt. Aber wie es der Zufall so will, gibt es da draußen eine Siedlung mit Deserteuren. Ich solle doch so nett sein, ihren Strom kappen und sie zur Rückkehr zwingen. Der Stromregulator der danach verlassenen Siedlung, könnte ja dann der Meine sein. Klingt auf den ersten Blick verlockend, auf den zweiten beginnt man Verständnis und Empathie für die Flüchtigen zu entwickeln, denn die Menschen in Edgewater werden wie Sklaven behandelt. Es gibt eine rationierte Lebensmittelversorgung, das Gesundheitssystem bringt jenen, die es am meisten brauchen keine Hilfe, weil sie die geforderte Leistung nicht bringen können und selbst am Tod der Verstorbenen verdienen die Konzerne. Wir stehen vor der Wahl: nehmen wir den Flüchtigen den Strom und schicken sie zurück in die Hölle vor der sie geflohen sind, oder nehmen wir den Bewohnern von Edgewater auch noch das bisschen Komfort das sie in ihrem Leben haben? Da ist sie, die für mich größte Stärke von The Outer Worlds. Es gibt kein Schwarz, es gibt kein Weiß, es gibt nur Grau. Obwohl The Outer Worlds mit viel Humor und Augenzwinkern um die Ecke kommt, ist der zugrunde liegende Kern sehr düster und wartet stellenweise auch mit überraschender Sozialkritik auf. Wenn ein Rollenspiel es schafft, dass du bei moralischen Entscheidungen Bauchweh bekommst, dann hat es etwas verdammt richtig gemacht!

FAZIT

The Outer Worlds ist ein Fest für Fans nostalgisch anmutender Games. Es wirkt in seiner Präsentation wie ein modernisiertes Fallout: New Vegas und hätte in dieser Form bereits so vor einigen Jahren erscheinen können, doch das ist absolut kein Problem. Was Obisidian hier mit relativ geringem Budget aus dem Boden stampft, ist mehr als beeindruckend. Sicher, die diversen Gebiete von The Outer Worlds, sind zwar wunderschön anzusehen, aber, gerade im vergleich zu anderen aktuellen Titeln dieses Genres etwas leer. Eine Entscheidung die Obsidian aufgrund der begrenzten Ressourcen bewusst treffen musste, da sie den Fokus auf Dialog und Entscheidungsfreiheit setzen wollten. Und mein Gott, das haben sie! The Outer Worlds strotzt nur so vor Möglichkeiten im Dialog, bei richtiger Skillung, lassen sich die meisten Konflikte sogar gewaltfrei lösen. Kommt es zu Auseinandersetzungen spielen diese sich meist gut. Nervig sind dabei eigentlich nur die Begleiter, da sie, wenn sie falsch geskillt wurden, gerne mal die Hufe in die Höhe reißen. Hat man dieses Manko aber überwunden, kann man sie taktisch einsetzen und neue Dynamik in den Kampf bringen. Die Story ist sehr gut geschrieben und weiß trotz Augenzwinkern zum Nachdenken anzuregen. Viele der Entscheidungen mit denen uns The Outer Worlds konfrontiert, sind nicht leicht und liegen oft schwer im Magen. Auch die erstklassige (englische) Vertonung weis zu überzeugen und trägt ungemein zur Stimmung bei. Obwohl Obsidian bei The Outer Worlds mit geringem Budget arbeiten musste, ist der Titel technisch sauber. Ich konnte eigentlich keine schwerwiegenden Bugs entdecken – Nur einer ist mir negativ aufgefallen: Betritt man ein neues Gebiet oder größeres Gebäude, kommt es zu einer (sehr kurzen) Ladezeit. Ich hatte danach immer das Problem, dass ich mich dann für 10 bis 15 Sekunden nicht nach links oder rechts drehen konnte. Dies war jetzt bei weitem kein Gamebreaker, aber ging mir dann doch auf die Nerven. Alles in allem war The Outer Worlds genau das was ich mir erhofft hatte: ein schöner und toller Trip in bessere Zeiten. Bethesda sollte sich ein Beispiel daran nehmen, denn in meinen Augen ist The Outer Worlds das weit bessere Fallout.

Was ist The Outer Worlds?: Ein Rollenspiel im Geiste von Fallout: New Vegas.
Plattformen:  PC (derzeit exklusiv im Epic Store!), Playstation 4, Xbox One
Getestet: PC
Entwickler / Publisher: Obsidian Entertainment/Private Division
Release: 25. Oktober 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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