Ein Ferienlager in einem abgelegenen amerikanischen Wald, ein paar Jugendliche bzw. junge Erwachsene – spätestens seit dem Erscheinen des Kulthorrorfilmes „Freitag der 13.“ (1980, Regie: S. Cunningham) weiß jeder Zuschauer ganz genau, was hier in der Nacht passieren wird. Und genau so kommt es dann auch. Allerdings sind wir in „The Quarry“ nicht zum passiven Zuschauen verdammt, sondern beeinflussen durch unsere Entscheidungen den Fortgang des Filmes. Im Gegensatz zu den Ereignissen in Camp Crystal Lake im originalen Slasher-Film können in The Quarry unsere Protagonisten auch allesamt die Nacht überleben – es liegt nur an uns.
Publisher 2K und Entwickler Supermassive Games haben mit The Quarry für PC, PlayStation und Xbox einen Nachfolger im Geiste des 2015 exklusiv auf der PlayStation erschienenen Until Dawn herausgebracht. Diesmal könnt ihr auch am PC und der Xbox den interaktiven Horror mit unzähligen Todesarten für jede der neun Hauptfiguren in überwältigender Motion Capture Grafik genießen. Im Gegensatz zu einem klassischen Horrorfilm werdet ihr für The Quarry jedoch ein wenig länger benötigen – die Spieldauer für das erstmalige Durchspielen kann locker bei rund 10 h liegen.
Interaktiver Horror
Wir steuern in dem Spiel in unterschiedlichen Episoden neun Kinderbetreuer aus dem Ferienlager Hackett’s Quarry. Die Kinder sind bereits abgereist, und die (überwiegend selbst noch recht jugendlichen) Betreuer wollen noch eine ordentliche Abschlussparty veranstalten. Zumindest einer der Betreuer will das, der hat nämlich die Abreise sabotiert um noch eine Nacht mit seiner Ferienliebe (die ihn abserviert hat) verbringen zu können. Das Lager ist eine große Anlage, mit einem Haupthaus, disloziert liegenden Unterkünften, diversen Freizeitaktivitätsmöglichkeiten und selbstverständlich auch an einem See gelegen.
Im Kern entspricht das Gameplay von The Quarry den alten Telltale Episodenspielen. Wir steuern eine Figur durch diverse Szenen, können an bestimmten Stellen Aktionen durchführen, müssen immer wieder (manchmal mit, manchmal ohne Zeitdruck) Entscheidungen treffen, es kommt regelmäßig zu Zwischensequenzen und an (manchmal unerwarteten) Stellen müssen wir Quick Time Events meistern. Unsere Handlungen haben Auswirkungen auf das Verhältnis der Figuren untereinander. Im Gegensatz zu den Telltale-Spielen sind die Spielumgebungen relativ weitläufig und ist die grafische und soundmäßige Qualität ist wesentlich höher, das Spiel wirkt (fast) wie ein Film. Die unglaublich guten Charakteranimationen sind durch die Verwendung von Motion Capture und in Zusammenarbeit mit professionellen Schauspielern entstanden. Wir steuern unsere Figuren in der Ansicht aus der dritten Person. Das klappt recht gut, die Kamerawechsel erfolgen zwar dramatisch aber im Gegensatz zu vielen älteren Spielen mit ähnlicher Mechanik bleibt die Gesamtübersicht über die Umgebung immer recht gut.
Hackett’s Quarry
Bereits der Prolog zum Spiel ist überaus gut gemacht. Zwei der Betreuer wollen bereits einen Tag vor Eröffnung des Ferienlagers anreisen, verfahren sich aber in der abgelegenen Gegend im Wald in ihrem alten Auto bei leichtem Regen und mitten in der Nacht. Plötzlich erscheint ein Tier (oder doch ein Mensch?) mitten auf der Straße, der Fahrer verreißt das Steuer und der Wagen kommt im Wald zu stehen. Während der Fahrer den Wagen wieder betriebsbereit machen will, erkunden wir mit unserer Handy-Taschenlampe den unheimlichen Wald… und entdecken natürlich sehr rasch gruselige Dinge, während man hinter unserer Figur ein Wesen umherschleichen sieht. Als uns dieses dann plötzlich anspricht, verliert unsere Figur die Nerven und rennt in Panik zum Auto zurück. Beim Versuch mit dem Auto wegzufahren drehen die Reifen im Matsch durch… und erst ein überaus seltsam wirkender Polizist zieht uns mit seiner Seilwinde wieder zurück auf die Straße. Er gibt uns die sehr eindringliche Warnung, zu einem Motel zu fahren und erst am nächsten Tag zum Ferienlager weiterzureisen. Natürlich halten wir uns nicht daran… und der Horror kann beginnen. Das war nicht die letzte schlechte Entscheidung, die unsere Protagonisten im Verlauf des Spieles treffen werden.
Das eigentliche Spiel beginnt dann rund 2 Monate später, nachdem die ganzen Kinder das Lager bereits wieder verlassen haben und nur noch die Betreuer vor Ort sind. Von den beiden Figuren aus dem Prolog fehlt übrigens jede Spur…
Cutting edge facial capture and filmic lighting techniques, combined with incredible performances from an iconic ensemble cast of Hollywood talent, bring the horrors of Hackett’s Quarry to life in a pulse-pounding, cinematic thrill ride.
In The Quarry spielt ihr in mehreren Episoden neun (überwiegend) junge Hauptfiguren und ihre Erlebnisse in dem abgelegenen Feriencamp Hackett’s Quarry in der Nacht nach dem Ende der Saison. Es passieren hier plötzlich offensichtlich sehr seltsame Dinge, und das Lebens aller unserer Hauptfiguren ist konstant in Gefahr. Das Ferienlager birgt natürlich ein düsteres Geheimnis. Was für eine schreckliche Vergangenheit das ist und welcher Fluch hier sein Unwesen treibt, können wir im Laufe des Spieles entdecken, wenn wir die im Spiel versteckten Beweise finden. Eine Übersicht der bereits gefundenen Beweise ist über ein Menu jederzeit ein schaubar, hier findet sich auch eine Übersicht der gefundenen Hinweise und eine Karte des Ferienlagers. Primär geht es allerdings darum, die Nacht zu überleben.
Spiel oder Film?
Es ist auch möglich, sich das Spiel einfach als Film anzusehen, wobei wir entweder die Variante wählen können, in der alle Hauptfiguren überleben, oder die Variante, in der alle Hauptfiguren sterben. Daneben gibt es noch einen Director’s Cut, bei dem wir die von den Figuren getroffenen Entscheidungen im Vorhinein festlegen können und so einen Film nach unserem Geschmack zusammenstellen dürfen. Wir können auch im Couch-Koop Modus spielen, bei dem das Gamepad weitergereicht wird, wenn bestimmte Spielfiguren die Handlung übernehmen. Ein Onlinemodus ist für Anfang/Mitte Juli angekündigt. Ähnliche Spiele in diesem Format und in dieser Qualität sind mir nur wenige bekannt, neben den ganzen Telltale Adventures in vollkommen unterschiedlichen Settings hat mich The Quarry vor allem an die „Dark Pictures Anthology“ von Publisher Bandai Namco (und ebenfalls von Supermassive Games entwickelt) erinnert. Die aktuell drei Spiele dieser Reihe sind auch Horrorgeschichten in toller grafischer Aufmachung, mit Quick Time Events und unterschiedlichen Enden je nach Entscheidungen der Spieler:innen. Sogar der Couch (oder Online)-Mehrspielermodus ist vorhanden, bei dem ihr den Controller an den nächsten Spieler, der die nächste Spielerin weitergeben müsst, wenn sich der spielbare Charakter ändert.
Deluxe Edition
Die Deluxe Fassung des Spieles beinhaltet die Möglichkeit, beim Ableben einer unserer Figuren zurück zu spulen, um eine andere Vorgehensweise zu wählen. Normalerweise wird diese Option erst nach dem erstmaligen Durchspielen freigeschalten. Weiters sind mehrere Filter zuschaltbar, um das Spiel wie einen Indie Film aussehen zu lassen, oder wie einen Horror Film aus den 80ern, oder gar wie einen uralten schwarz/weißen Horrorfilm. Auch eine Option, um die Ablebenssequenzen möglichst blutig zu gestalten, ist vorhanden. Zusätzliche Kleidungssets der Figuren sind angekündigt, aber noch nicht implementiert. Ob euch das den Aufpreis zum normalen Spiel wert ist, überlasse ich eurer Entscheidung.
Zusammenfassung
Grafik
Die Grafik sieht so gut aus, dass bei einem flüchtigen Blick auf den Bildschirm nicht klar ist, ob es sich um gefilmte Sequenzen handelt oder es nur Computergrafiken sind. Hier zeigt der Entwickler, was man heutzutage mit Motion Capture Technik bewerkstelligen kann. Wirklich spitze gemacht, kein Vergleich gegen die doch eher zweckmäßige und comichafte Grafik bei den Telltale Spielen. Allerdings ist es auf meinem Rechner durchaus des Öfteren zu ordentlichen Rucklern gekommen. Nichts, was das Gameplay beeinträchtigt, aber doch klar bemerkbar. Ich habe mich allerdings noch nicht mit den umfangreichen Grafikoptionen gespielt, möglicherweise kann ich damit das Spiel besser auf meinen Rechner abstimmen und dadurch für eine konstante Bildwiederholungsrate sorgen. Ultrawidescreen wird unterstützt, allerdings wird nicht der gesamte Bildschirm für das Spiel verwendet.
Sound
Das Sounddesign ist hervorragend – gemeinsam mit dem professionellen Kamerawechsel hat man als Spieler wirklich das Gefühl, sich in einem Horrorfilm zu befinden. Vor allem die englische Sprachausgabe ist absolut top. Die deutsche Synchronisation ist leider doch deutlich schwächer, auch die Übersetzung ist nicht unbedingt perfekt. Typische B-Movie Qualität. Untertitel in diversen Sprachen können dazu geschalten werden. Der Titelsong (der auch im Spiel öfter verwendet wird) ist ein absoluter Ohrwurm.
Handling
Die Steuerung kann vollständig mit dem Gamepad erfolgen, wobei dies nicht zwingend notwendig ist. Die Steuerung ausschließlich mit Tastatur und Maus funktioniert ebenfalls gut. Unzählige Optionen beeinflussen die Zugänglichkeit, von der Größe oder Anzeigegeschwindigkeit der Untertitel über die Schwierigkeit der Quick Time Events bis hin zu Optionen für Farbenblinde.
Spieldesign
Ihr steuert eure Figur in der Ansicht aus der dritten Person durch die Gegend, wobei die Kamera an bestimmten Stellen automatisch umschwenkt. In Filmen ist diese Art der Kameraführung üblich, in Spielen wird sie jedoch tendenziell nicht so oft verwendet. Erstmals kam diese Ansicht bei Alone in the Dark (1993) zum Einsatz, später bei Resident Evil (1996). Dadurch werden dramatische Schnitte auch in Spielen möglich, allerdings kann die Übersichtlichkeit darunter leiden, wenn die Umsetzung nicht gut erfolgt. Bei The Quarry ist die Umsetzung ausgezeichnet gelungen, ich habe fast nie die Übersicht verloren. Das liegt auch darin, dass im Regelfall nicht zu Nahe an das Geschehen herangezoomt wird.
Motivation
Die ganze Geschichte ist hochspannend. In einem guten Horrorfilm hat man immer Angst um das Wohlbefinden der Darsteller, und so ist es auch in diesem Spiel. Der Tod lauert immer um die Ecke, und das ist uns als Spieler natürlich bewusst. Damit wird das Spiel auch nie fad – sofern man Horrorfilme mag. Allerdings gilt das natürlich nur für den ersten Spieldurchgang. Spielt man ein zweites Mal, sind wesentliche Story-Elemente und Jumpscares bereits bekannt. Die Situation ist vergleichbar mit dem wiederholten Ansehen eines Filmes – auch in The Quarry gibt es beim zweiten Durchspielen noch viel zu entdecken, was ihr beim ersten Mal übersehen habt. Darüber hinaus könnt ihr natürlich auch bewusst andere Entscheidungen treffen (oder Quick Time Events schaffen/nicht schaffen) und sehen, wie sich das auf die weitere Geschichte auswirkt.
FAZIT
Die Geschichte von The Quarry mag für manche blutrünstig, primitiv und unglaubwürdig sein, Fans von Slasher-Filmen kommen jedoch voll auf ihre Kosten und können an einem technisch gut gemachten interaktiven Horrorfilm teilnehmen. Wer solche Filme mag und sich jedes Mal über die Dummheit oder Ungeschicktheit der handelnden Figuren ärgert, kann in The Quarry beweisen, dass er es besser kann und so das Ableben der Hauptfiguren verhindern. Andererseits kann man auch dafür sorgen, dass keine der Hauptfiguren den Film überlebt und sich an den oft übermäßig brutalen Todesarten erfreuen. Daneben gibt es jedoch auch das Geheimnis um das Ferienlager – und die Hauptfiguren – aufzudecken. Eine sich basierend auf euren Entscheidungen deutlich ändernde Geschichte und vollkommen unterschiedliche Enden sorgen dafür, dass ihr das Spiel auch mehrfach durchspielen könnt.