The Quiet Man im Kurztest

Alternative Spielideen sind so eine Sache – klar möchte man in all der Flut aus immergleichen Games auch mal etwas Neues sehen, andererseits hat es wohl auch seine Gründe, warum sich alteingesessenen Konzepte immer noch gut verkaufen. Entwickler Human Head Studios dachte sich dennoch, „Was soll’s!“, und veröffentlichte kurzerhand The Quiet Man rund um den gehörlosen Dane – ein Spiel, das Immersion schaffen soll, indem es die Welt für den Spieler genauso geräuschlos macht wie für den Charakter. Was in der Theorie interessant klingt, funktioniert als tatsächliches Game allerdings leider nicht ganz so gut, wie man sich das erhoffen würde …

Interaktiver Stummfilm

The Quiet Man möchte mehr sein als bloß ein Spiel und das zeigt sich schon gleich zu Beginn des Titels: Anstatt auf CGI-Sequenzen zu setzen, wurden echte Schauspieler engagiert und sämtliche Cutscenes wie ein Realfilm gedreht. So starten wir das Spiel damit, dabei zuzusehen, wie Schauspieler-Dane eine belebte Straße entlangläuft und sich bei einem Imbiss etwas zu essen holt – bevor der nette Verkäufer uns noch davor warnt, dass heute Nacht schräge Gestalten unterwegs sind und wir achtgeben sollten. Ohne Umwege machen wir uns dann auch direkt zu besagten Tunichtguten auf und dürfen zum ersten Mal die Steuerung übernehmen: Es gilt, eine Handvoll Bandenmitglieder zu verprügeln.

Im Spiel stehen euch dafür die vier Aktionsbuttons sowie die Triggertasten zur Verfügung: Viereck und Kreis teilen Handschläge aus, mit Dreieck wird getreten und mit X ausgewichen. Per L-Tasten dürft ihr zudem vorpreschen bzw. euren Fokus aktivieren, um spezielle Kombis auszuteilen. Damit hätten wir auch schon das gesamte Kampfsystem erklärt, denn leider gibt es weder Möglichkeiten, neue Fähigkeiten zu lernen, noch dürft ihr euer Kampfrepertoire durch irgendwelche Gegenstände erweitern. Das Resultat daraus ist, dass die Kämpfe, die übrigens die einzigen wirklichen Gameplay-Sequenzen darstellen – der Rest des Spiels besteht daraus, Videosequenzen zuzusehen – schnell sehr eintönig werden.

Das alles wäre an sich noch nicht sonderlich schlimm – interaktive Filme spielen sich auch ohne großartige Action oft spannend und über eintönige Kämpfe kann man bei guter Story noch hinwegsehen –, das Problem bei The Quiet Man ist jedoch: Ihr wisst leider das ganze Spiel hindurch nicht so wirklich, worum es eigentlich geht. Der Grund dafür ist nicht etwa schlechtes Storytelling, sondern die Tatsache, dass man es mit der Immersion etwas übertrieben hat; sämtliche Cutscenes sind nämlich stumm, ohne Untertitel. Wie ein tatsächlich Gehörloser seht ihr so dabei zu, wie Dane mit seinem Gangsterboss spricht, mit seiner verbotenen – da die Freundin von besagtem Boss – Liebe flirtet und Rückblenden in seine von Gewalt geprägte Vergangenheit erhält. Im Gegensatz zu Dane können die meisten Spieler jedoch wohl – ich inklusive – leider nicht Lippen lesen und so spielt sich The Quiet Man wörtlich wie ein Film bei stumm geschaltetem TV, bei dem ihr bloß grob erahnen könnt, was euch hier an Plot geboten wird.

Ton im zweiten Durchgang

Wer sich jetzt fragt, wer sich freiwillig stundenlang freiwillig durch eintönige Kämpfe und stumme Zwischensequenzen kämpft, dem sei ein kleiner Lichtblick gegeben: Nach dem ersten Story-Durchgang, der obendrein auch bloß knapp drei Stunden dauert, dürft ihr – dank kurz nach Release nachgereichtem Patch – einen zweiten Durchgang starten, bei dem ihr diesmal alle Stimmen hören und der Story so tatsächlich folgen könnt. Ob ihr an dem Punkt jedoch so fasziniert von der Geschichte wart, dass ihr euch tatsächlich gleich noch einmal durch Fluten von Bandenmitgliedern buttonmashen möchtet, ist fraglich. Vor allem, da sich am Spiel außer den nun vorhandenen Stimmen auch überhaupt nichts ändert.

FAZIT:

The Quiet Man war ein künstlerisches Experiment, das leider ziemlich in die Hose gegangen ist. Die Story an sich ist klischeehaft, wäre aber nicht allzu schlecht und die Schauspieler für die Realfilm-Sequenzen leisten ganze Arbeit – leider muss man das gesamte Spiel zwei Mal durchspielen, um auch etwas davon zu haben, und der erste Durchgang motiviert obendrein so gar nicht. Hinzu kommen abwechslungslose Kämpfe gegen immer gleiche Gegner und die bloß mittelmäßige In-Game-Grafik, um The Quiet Man insgesamt zu einer sehr unterdurchschnittlichen Erfahrung zu machen. Schade.

Was ist The Quiet Man? Experimentelles Action-Game (fast) ohne Sound oder Untertitel
Plattformen: PS4
Getestet: PS4-Version
Entwickler / Publisher: Square Enix, Human Head Studios / Square Enix
Release: 1. November 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 4.4

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 2 | Handling: 6 | Spieldesign: 4 | Motivation: 2

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test