AFK

The Sandman (Panini Comics)

Fast 19 Jahre ist es her, dass „Klein Dave“ mit zarten 16 Jahren seine Vorstellungen bezüglich guter Comics überdenken musste. Damals bestand mein Universum noch aus sehr viel Batman, noch mehr Joker sowie einer kleinen Prise Superman und Spider-Man als gelegentliches Hintergrundrauschen. Erst durch einen damaligen guten Freund, der bis heute einer meiner engsten Vertrauten ist, stieß ich auf die Materie die meine Philosophie, mein kreatives Wirken und auch meine Vorliebe für gezeichnete Geschichten für immer prägen sollte: The Sandman von Neil Gaiman!

The Sandman beginnt mit der Rückkehr eines gebrochenen Königs. 72 Jahre, ein ganzes Menschenleben lang, befand sich Dream, der Herr der Träume und einer der sieben Ewigen, in Gefangenschaft eines mystischen Kultes. Deren geistiges Oberhaupt, der Magier Roderick Burgess, wollte in einem geheimen Ritual Dreams ältere Schwester, Death, beschwören und bannen, um Unsterblichkeit zu erlangen. Es war ein Fehler in der Beschwörung, welcher zu Dreams Geiselhaft in einer Kugel aus Glas führte. Burgess versuchte über die Jahre das Geheimnis zum ewigen Leben aus seinem Gefangenen hervor zu locken, dieser schwieg jedoch eisern, auf den Zeitpunkt wartend dem Bann entfliehen zu können. So ging der alternde Magier ohne Antworten alsbald den Weg eines jeden Sterblichen und nach seinem Tod wurde dessen Sohn, Alex, zum neuen Kerkermeister Dreams. Auch er versuchte vergebens sich das Wissen um die Unsterblichkeit zu erpressen, bis zu dem Tag an dem, dem Herrn der Träume die Flucht gelang und er schreckliche Rache an seinen Peiniger übte.

Zurück im Reich der Träume erkannte Morpheus – wie Dream von den alten Griechen genannt wurde – dass nicht nur er sondern auch das Traumrefugium unter seiner Gefangenschaft gelitten haben. Damit er wieder Struktur und Gleichgewicht in das Träumen bringen kann, benötigt er seine drei Werkzeuge: Den Sand, seinen Helm und einen Rubin, der die Essenz des Wesens seines Herrn in sich trägt. Noch ahnt der Dritte der Sieben nicht, dass dies der Beginn einer Geschichte ist, welche von einer Wesenheit erzählt die gezwungen ist sich zu ändern, oder zu sterben.

Alle Bilder © DC Comics/Panini

For the internet is dark and full of spoilers!

Ein kleiner Disclaimer zu Beginn: Das hier wird keine Review! Ich liebe diese Reihe viel zu sehr als dass ich objektiv darüber schreiben könnte. Vielmehr möchte ich euch hiermit Dreams Reise ans Herz legen und euch erklären, warum mein Herz so sehr für diese Geschichte schlägt und werde dadurch auf etwaige Aspekte der Erzählung eingehen, die mich besonders beeindruckt haben. Eine Tatsache die diverse kleinere Spoiler mit sich bringt! Wer also interessiert ist und möglichst unvorbelastet an den Stoff rann will, sollte ab jetzt nicht mehr weiter lesen. All jenen die geblieben sind, wünsche ich viel Spaß mit den folgenden Zeilen.

The Sandman – Ein Epos für die Ewigkeit!

The Sandman erschien monatlich von 1988 bis 1996 und brachte es auf stolze 75 Einzelhefte, welche dann später durch den Vertigo Verlag in insgesamt zehn Bänden zusammengefasst wurden. Neil Gaimans Epos setzte im Bereich der Comics zu seiner Zeit neue Maßstäbe und ist in seiner erzählerischen Qualität bis heute kaum erreicht.

Im Mittelpunkt der Geschichte von The Sandman steht Dream, Herr der Träume. Gemeinsam mit seinen Geschwistern Destiny, Death, Destruction, Desire, Despair und Delirium bildet er die sieben Ewigen. Aspekte der Existenz die rein durch das Vorhandensein von Leben im Universum bestehen und im Gegensatz zu Göttern nicht den Glauben der Sterblichen brauchen um zu sein. Dream ist ein grüblerischer, kaltherziger und nachtragender Charakter, der Verfehlungen seiner Dienerschaft hart bestraft und eine junge Königin, die sein Werben aus Vernunft und Mitgefühl für ihr Volk zurückweist zu Äonen in der Hölle verdammt. Neil Gaiman stellt in seinem Werk die Frage ob das was ewig ist sterben kann, wenn es sich zwischen Veränderung und Tod entscheiden muss. Doch liegt es nicht im Wesen der Veränderung, das sie das was ewig schien zu Grabe trägt? Wenn ja, gibt es überhaupt eine Wahl? Diese und mehr Fragen bilden das Grundgerüst einer Geschichte die zwar sehr verschlungen, jedoch in sich durchaus zielorientiert erzählt wird.

Hauptsächlich erleben wir das Geschehen in der Gegenwart, jedoch springen wir immer wieder zurück in der Zeit und werden Zeuge von besonderen Ereignissen. So erleben wir wie William Shakespear sein Ein Sommernachtstraum unter ganz besonderen Bedingungen uraufführt. Diese Hommage an das zeitlose Werk des Dichters, ist die erste und bis dato einzige Comicgeschichte, die den World Fantasy Award für die beste Kurzgeschichte gewann. Mein persönlicher Liebling ist aber die Story von Hobbs, einem Mann der im 14. Jahrhundert bei einem Trinkgelage beschließt nicht zu sterben, da es ein blödes Spiel sei, wie er meinte. Amüsiert von diesem vorlauten Sterblichen vereinbart Dream ein treffen mit Hobbs, in eben jener Taverne, auf den Tag genau in 100 Jahren. Und tatsächlich findet der Ewige den wortstarken Trinker zum vereinbarten Termin im einstigen Schankhaus. Der Mann ist nicht gealtert und sichtlich durch erheblichen Wohlstand gezeichnet. Begeistert erzählt er dem Traumweber, wie schön doch das Leben sei und er nicht daran denke ins Gras zu beißen. 100 Jahre später, gleiches Datum, gleicher Ort. Hobbs ist schwerer Alkoholiker, vom Leben geschlagen, bettelarm und allein, doch wieder lehnt er es ab zu sterben, denn das Leben ist es wert gelebt zu werden. Diese Treffen werden zur Tradition und der Comic zeigt auf sehr clevere Art und Weise, welche Höhen und Tiefen ein ewiges Leben mit sich bringen würde. Zwischen den beiden Figuren entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, an deren Ende ich durchaus eine Träne verloren habe.

Alle Bilder © DC Comics/Panini

Von verlassenen Höllen und mörderischen Alpträumen

The Sandman ist eine Ansammlung kreativer Ideen und Geschichten die ihresgleichen sucht. Das beginnt schon bei den sieben Ewigen selbst. Die Ewigen haben kein festes Erscheinungsbild, sondern formen sich nach den Vorstellungen des Betrachters, je nach Kultur und Spezies. So sieht eine Katze Dream als schwarzen Kater mit weißen Sprengsel im Fell, ein Marsianer wird ihn als lodernde Flamme wiedererkennen und wir Menschen sehen einen Mann mit schneeweißer Haut, strubbeligen schwarzen Haar, Augen so schwarz und tief wie das Universum, gehüllt in einem Umhang der die Nacht selbst zu sein scheint. Desire ist ein androgynes Wesen, das von Panel zu Panel zwischen weiblichen und männlichen Zügen wechselt. Despair, Zwillingsschwester Desires – Verlangen und Verzweiflung gehen oft Hand in Hand – ist eine übergewichtige, kleine Frau, die sich gerne selbst verletzt und mit ihrem Zwilling Intrigen gegen ihre Geschwister, besonders Dream, spinnt. Eine der stärksten Figuren ist für mich ohne Zweifel Death. Der Tod wird als lebensfrohes Mädchen im Gothic-Look dargestellt. Einen Tag pro Generation verbringt sie als Sterbliche, damit sie nie den Wert dessen vergisst, was sie jenen nimmt, die mit ihr gehen. Dieser Kontras, dass niemand das Leben und die Menschen mehr schätzt als der Tod, ist meines Erachtens genial! Mit Das Rauschen ihrer Flügel (zu finden in Band 1: Präludien und Notturni) erzählt Neil Gaiman eine Geschichte über Death und die Sterbenden, die zugleich unfassbar traurig, rührend und trotzdem seltsam lebensbejahend ist. Sie stellt auch insofern einen Meilenstein in der Reihe dar, dass Neil Gaiman nach eigener Aussage mit ihr endgültig seine eigene Sprache für Comics gefunden hat. Dem kann ich voll und ganz zustimmen.

In den ersten Geschichten von The Sandman hat man das Gefühl, dass Neil Gaiman noch nicht wusste wie er den Sandman einordnen sollte, denn er existiert in einer Welt mit Batman und der Justice League, die einen nicht unerheblichen Teil der Story einnimmt. Diese Elemente fühlen sich für mich, so sehr ich sie in ihren eigenen Storys liebe, wie Fremdkörper an, die mich aus dieser kreativen und philosophischen Welt reißen. Zum Glück lässt Gaiman diese Figuren fallen und widmet sich passenderen Charakteren. Wie den Brüdern Kain und Abel, den Hauptdarstellern der ersten Geschichte die von Menschen erzählt wurde. Sie sind Diener Dreams und gefangen in einer Abwärtsspirale aus Mord und Auferstehung. Oder der Korinther, ein von Dream erschaffener Alptraum, der in seinen Augenhöhlen Zähne statt Augen verbirgt und auf einem Jahrestreffen für Serienmörder sein Unwesen treibt. Wem das noch nicht genug ist, der bekommt auch noch den Fürst der Hölle selbst geboten.

Lucifer, der Morgenstern, verbindet eine innige Feindschaft mit dem Herrn der Träume. Bereits im ersten Band treffen die Beiden aufeinander als Dream in die Hölle hinabsteigt um sich seinen Helm wieder zu holen. Der Teufel wird in The Sandman als sehr schöner Mann mit femininen Zügen und schwarzen Flügen dargestellt, der sich widerwillig die Regentschaft über die Hölle in einem Triumvirat mit zwei anderen Teufeln teilt. Bei diesem Treffen schwört, dass er Morpheus eines Tages für seine Arroganz vernichten wird. Doch entwickeln sich Dinge oft anders als man erwartet, denn eines Tages beschließt der Morgenstern, dass er keinen Bock mehr hat die Hölle zu regieren und überlässt Dream das nun leere und herrenlose Reich des Leidens um ein Dasein auf der Erde zu verbringen, wenn der verhasste Feind von der Last seines Erbes zerrieben wird, ist das natürlich ein netter Bonus obendrein! Lucifer bekam dann seine eigene Comicserie, auf dieser basiert die beliebte TV-Show Lucifer, aber über jene Hüllen wir an dieser Stelle den Mantel des Schweigens…

Alle Bilder © DC Comics/Panini

Passende Beiträge

Der 2025-Cosplay-Kalender mit Witcher- und Cyberpunk-Motiven

Externe Controller-Unterstützung für Carrera Hybrid

Das war die Vienna Comic Con 2024