Gamers.at
KonsoleReviews

The Sinking City im Test

Der Sommer lässt die Temperaturen aktuell ins Unermessliche steigen. Getrieben von der Hitze, nach süßer Abkühlung lechzend, zieht es die Massen ans Meer. Nicht wissend welches uralte und gigantische Böse in den finsteren Tiefen des Meeres liegt und in einem todesähnlichen Schlaf von Chaos und Zerstörung träumt. Einige wenige hören den unheilvollen Ruf der Kreatur. Von Visionen geplagt werden sie in den Wahnsinn getrieben und verlieren sich selbst in einer Realität, die sie nicht verstehen. Einer jener ist der Privatdetektiv Charles Reed, welcher in The Sinking City auf die harte Tour lernen wird, dass Unwissenheit ein Segen ist.

Die Stadt nach der Flut

Amerika in den 1920er Jahren. Die Küstenstadt Oakmont liegt nach einer Flut, deren Ursprung als hoch mysteriös gilt, zu großen Teilen unter Wasser. Verwesende Kadaver verendeter Meeresbewohner zieren die Straßen und die Verzweiflung, der durch die Katastrophe isolierten Bürger, durchsetzt die Atmosphäre eben so sehr, wie der Gestank nach verrottendem Fleisch. Inmitten dieser depressiven sowie etwas surreal anmutenden Szenerie findet sich Protagonist Charles Reed. Der erfahrene Privatdetektiv wird seit Monaten von unheilvollen Visionen geplagt und die sonst so harte Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit ist für den Mann zu einem dünnen Membran zerschmolzen. Aufgrund des stetigen Rufens in seinen Halluzinationen und einem Hinweis, den er per Brief erhalten hatte, machte er sich auf in diese sinkende Stadt, in der Hoffnung dort den Ursprung für seinen aufkeimenden Wahnsinn zu finden.

The Sinking City aus dem Hause Frogwares ist das erste Openworld-Spiel der ehemaligen  Sherlock Holmes Entwickler. Die fiktive Stadt Oakmont ist in sieben Distrikte unterteilt. Je nach Zugänglichkeit sind diese entweder zu Fuß oder mit einem Motorboot erreichbar. Oakmont unterscheidet sich jedoch erheblich von anderen aktuellen offenen Spielwelten. The Sinking City appelliert an den inneren Detektiven in uns und verzichtet daher auf automatisch gesetzte Marker oder ein komfortables Navi-System. Der Schlüssel zum Erfolg in der sinkenden Stadt ist aufmerksames zuhören und lesen. Nur so lassen sich die richtigen Orte auf der detaillierten Stadtkarte finden und manuell markieren. Wer sich also bequemes, an der Hand gehaltenen Schlendern durch Oakmont erwartet, sollte einen weiten Bogen um The Sinking City machen. Frogwares liefert euch knallharte Detektivarbeit. Für mich persönlich eine der größten Stärken von The Sinking City.

I´m a true detective, Baby!

Das narrative als auch spielerische Zentrum von The Sinking City sind Charles Reeds Ermittlungen in Oakmont. Um maximale Immersion für die Rolle des Detektiven gewährleisten zu können, legen uns die Entwickler einige interessante Werkzeuge zur Seite. Da wären zum einen die sogenannten Gedankenspiele. Sucht ihr nach Hinweisen oder Beweisstücken ist es möglich, Reeds darauf bezogene Gedanken zu kombinieren und so auf des Rätsels Antwort zu stoßen. Wurden genügend Indizien gesammelt, ist es dem verstörten Schnüffler möglich Situationen zu rekonstruieren. Dabei muss er die verschiedenen Momente eines Tatherganges mit Nummern versehen und so den chronologischen Ablauf skizzieren. Diese Momente sind spielerisch nicht wirklich fordernd, aber sie ergänzen das Gefühl ein waschechter Detektiv zu sein ungemein. Sind wir auf der Suche nach bestimmten Personen, hilft es vielleicht die Archive der lokalen Presse, Krankenhäuser oder Polizeistationen zu durchforsten. Wie schon bei der Navigation durch die Stadt traut The Sinking City seinem Spieler auch bei den Ermittlungen einiges an Eigenleistung zu. Es ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, welcher Schritt der nächste zu sein hat, doch wer mit wachem Auge und Verstand auf die gesammelten Notizen blickt, wird trotz allem selten ein Problem mit seinem Fortschritt haben.

So gut mir die Arbeit als Detektiv gefällt und diese ruhigen Momente der Ermittlungen funktionieren, so sehr schwächelt The Sinking City in seinen auf Action bezogenen Komponenten. Oakmont wird von allerlei widerlichem Getier heimgesucht und so ziemlich alles mit abnormen Körperformen und ohne Gesicht möchte uns als Frühstück verwerten. Charles Reed kann sich hierbei sowohl im Fern- als auch im Nahkampf zur Wehr setzen. Leider wirken beide Variationen sehr hölzern, was der teils sehr schwammigen Steuerung geschuldet ist. Da The Sinking City allerdings ein Spiel ist, welches in der Regel die Flucht vor den Monstern favorisiert, sei dieses Manko verziehen.

H.P. Lovecraft mit Leib und Seele

The Sinking City atmet den Stoff von H.P. Lovecraft mit jeder Faser seines Seins! Sowohl die Hauptstory wie auch die zahlreichen Nebengeschichten strahlen die schaurige Aura der Vorlage aus. Von Minute eins in The Sinking City ist klar, dass in Oakmont auch abseits der Flut einiges schief läuft. Warum sieht die Blutlinie der Throgmortons – eine der drei mächtigen Familien, welche in Oakmont heimisch sind – aus wie eine Mischung aus Mensch und Affe? Was hat es mit den geflüchteten Innsmouthern auf sich und warum sind diese Fisch-Mensch-Hybriden bei den Bürgern so verhasst? Kenner von H.P. Lovecrafts Geschichten werden zumindest Teilaspekte der Antworten erahnen können und den einen oder anderen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Mir fällt da auf Anhieb Herr Johann van der Berg ein. Jener Mann der Reed durch seinen Brief auf die seltsamen Vorkommnisse in der sinkenden Stadt aufmerksam gemacht hat und scheinbar eine gewisse Schwäche für die Farbe Gelb hat – ein Schelm, wer Böses denkt.

Die Stadt und ihre Bewohner sind atmosphärisch gestaltet, jedoch ist The Sinking City technisch alles andere als auf der Höhe der Zeit. Dabei sollte vielleicht erwähnt werden, dass es sich hierbei keinesfalls um ein AAA-Spiel handelt und von einem relativ kleinen Team entwickelt wurde. Dennoch birgt The Sinking City einige Fehler, welche die ansonsten grandiose Atmosphäre stören. Die Bürger der Stadt bewegen sich mechanisch und ohne auf uns zu reagieren durch die Umgebung, sie bleiben an Hindernissen hängen oder führen untereinander heftig gestikulierte Diskussionen ohne einen einzigen vernehmbaren Laut von sich zu geben. Mimik ist in den meist gut geschriebenen Dialogen kaum vorhanden. Bedauerlicherweise bietet auch die offene Welt jenseits der Haupt- und Nebenquests kaum Erkundungsreize. Durch die schiere Größe Oakmonts ist man gezwungen, häufig auf die Schnellreisefunktion zurückzugreifen. Diese wird jedoch aufgrund elend langer Ladezeiten auf die Dauer zur Qual. Loben möchte ich das Sounddesign von The Sinking City. Mit seinen disharmonischen und beunruhigenden Klängen generiert der Klangteppich ein durchgehendes Gruselgefühl.

FAZIT

The Sinking City ist als Detektivspiel in einem von H.P. Lovecraft inspirierten Universum absolute Spitzenklasse! Die Hauptgeschichte sowie die Nebenaufträge sind durch die Bank gut geschrieben und konnten mich von der ersten Spielminute weg fesseln. Auch atmosphärisch hat The Sinking City einiges zu bieten, dass mir als großer Fan des Stoffes das Herz hat höher schlagen lassen. In einer Mission verschlägt es Reed in eine unterirdische Höhle, in der ein unheilvolles Artefakt verborgen liegt. Dort ist eine Statue des großen Cthulhu zu finden. Die Gänsehaut, die ich vor Freude hatte als ich sie entdeckte, ist kaum zu beschreiben. Oder die vielen kleinen Andeutungen in Notizen und Gesprächen – herrlich! Hatte ich beim Zocken Angst? Nicht wirklich. Aber das macht nichts. Die Faszination, welche von den Geschichten und dem Universum H.P. Lovecrafts für mich ausgeht, lag nie in seinem Grusel. Es war das Gedankenspiel, dass es Wesenheiten gibt, welche sich so sehr unserem Verständnis entziehen, dass uns ihr purer Anblick in den Wahnsinn treibt. Dieser Gedanke erzeugt bei mir ein ganz eigenes Gefühl des Unbehagens und dieses fängt The Sinking City für mich absolut gekonnt ein. Klar es gibt ein paar technisch gröbere Schnitzer und auch spielerisch richtet sich The Sinking City eher an Spieler die nicht bei der Hand genommen werden wollen, aber wer darüber hinweg sehen kann, der wird mit dem bisher besten Titel mit Cthulhu-Thematik belohnt.

Was ist The Sinking City? Ein Action-Adventure mit einer offenen Welt inspiriert von H.P. Lovecraft.
Plattformen: PC, PS4, XBox One
Getestet: PS4,
Entwickler / Publisher: Frogsoftwares / Bigben Interaktive
Release: 27. Juni 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

Ähnliche Beiträge

Kommentar abgeben