Walking-Simulatoren, ein nicht ganz unumstrittenes Genre – Warum? Kritiker werfen ihnen spielerischen Minimalismus vor und meist rudimentäres Gameplay. Und da haben sie prinzipiell recht! Doch in meinen Augen ist dieser Fokus weg von Spielmechanismen eine absolute Stärke. Und damit will ich mich an dieser Stelle gleich als leidenschaftlicher Fan dieser Art von Spielen outen! Denn Titel wie What Remains of Edith Finsh oder Firewatch haben bewiesen, welch unglaublicher Sog entstehen kann, wenn man sich von spielerischem Firlefanz verabschiedet und sich auf das wesentlichste und fundamentalste konzentriert: Atmosphäre, Story und Figuren. Dieses Genre hat unglaublich berührende und immersive Geschichten hervorgebracht. Wird auch The Suicide of Rachel Foster ein solches Erlebnis?
Nicole, eine junge Erwachsene Mitte 20, blickt auf eine schwierige Vergangenheit zurück und wird von den Erinnerungen an ein tragisches Ereignis heimgesucht. Zehn Jahre zuvor, hatte sich ihr Vater, der Astrophysiker Leonard McGrath, auf eine Liaison mit der erst 16 Jahre alten Rachel Foster eingelassen. Die Beziehung endete durch den Selbstmord der Minderjährigen. Aufgrund der zweifelhaften Entscheidungen des Vaters, sowie dessen wachsendes Interesse an übernatürlichen Phänomenen, ergreifen Rachel und ihre Mutter die Flucht. Eigentlich hoffte Nicole die zurückliegenden Geschehnisse hinter sich lassen zu können, doch da ihre Eltern verstorben sind, hat sie das Hotel, welches sie damals ihr Zuhause nannten geerbt. Um den Wert des alten Gebäudes einschätzen zu können begibt sie sich widerwillig zurück in die rissigen Gemäuer ihrer Kindertage und wird diese aufgrund eines Schneesturms nicht so schnell wieder verlassen.
Spuren der Vergangenheit
Ein verlassenes, altes Hotel. Ein fürchterlicher Schneesturm, sowie eine traumatisierte Hauptfigur. Das kommt mir doch bekannt vor! In der Tat erinnerte mich The Suicide of Rachel Foster bezüglich seiner Stimmung gewaltig an Kubricks Klasisker Shining. Das Hotel konnte mit seinen Schaurigen Gängen und verlassenen Räumen, die Zeugen vergangener und besserer Tage waren voll bei mir punkten. Es sieht toll aus und wirkt unglaublich atmosphärisch.
Wie in den meisten Vertretern der Gattung Walking-Simulatoren erkunden wir aus der Ego-Perspektive den Handlungsort und tauchen dabei immer tiefer in die Story ein, die zwar nicht unbedingt originell und stellenweise etwas vorhersehbar ist, aber mit Nicole und Irving zwei Hauptfiguren an Bord hat, die einiges an Charaktertiefe bieten können. Irving ist ein Agent der FEMA, einer Katastrophenschutzbehörde. Er stellt Nicoles einzige Verbindung zur Außenwelt dar. Via Telefon tauschen sich die Beiden aus und Reflektieren das Geschehen und Nicoles Gedanken. Die Dialoge zwischen den Beiden sind gut geschrieben und gespielt. Leider entpuppen sich die Antwortmöglichkeiten als mehr Schein als Sein, da sämtliche Antworten zum selben Ergebnis führen.
In Sachen Gameplay bekommt man es in The Suicide of Rachel Foster mit sehr einfachen Rätseln zu tun. Auch findet man diverse Objekte die man in der Theorie nutzen könnte, praktisch aber kaum einen Zweck haben.
FAZIT
In den knapp drei Stunden Spielzeit konnte mich The Suicide of Rachel Foster durchaus Fesseln, aber erreichte nie ganz die Faszination eines What Remains of Edith Finch. Die Geschichte ist, wenn man über gewisse Kleinigkeiten hinweg sieht, gut geschrieben und scheut sich, nicht auch schwierige Themen anzusprechen. Auch die Protagonisten beweisen sich als starke Figuren, aber für den ganz großen Sprung fehlte mir dann doch etwas Kreativität und Einfühlungsvermögen. The Suicide of Rachel Foster ist sicher nicht das Beste Game seiner Art, aber Fans des Genres können einen Blick riskieren und werden es nicht bereuen.
Was ist The Suicide of Rachel Foster? Ein Walking-Simulator, welcher sich rund um eine tragische Familiengeschichte dreht.
Plattformen: PC, Xbox, PS4
Getestet: PC Intel Core i5-6500, 8GB RAM, Radeon RX Vega
Entwickler / Publisher: One O One Games/Daedalic Entertainment
Release: 17. Februar 2020
Link: Offizielle Webseite
Gesamtwertung: 7.2
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6