The Surge 2 im Test

Mit The Surge lieferte das Frankfurter Entwicklerstudio Deck 13, einen nicht unbedingt fehlerfreien, doch charmanten Vertreter des Souls-like Genres. In der Haut des introvertierten Rollstuhlfahrers Warren, kämpften wir uns durch eine dystopische Zukunft, und zerlegten unsere Widersacher in ihre Einzelteile – im wahrsten Sinne des Wortes! Denn das größte Alleinstellungsmerkmal von The Surge, bestand in der Möglichkeit Kontrahenten gezielt von ihren Extremitäten zu befreien, und dadurch ergatterte Komponenten seiner eigenen Rüstung beizufügen. Durch die fokussierte Jagd nach gewünschten Rüstungselementen, entwickelte sich eine ganz spezielle Dynamik, sowohl im Kampf, als auch in der Planung der Ausrüstung. Kann The Surge 2 die einstigen Fehler des Vorgängers ausmerzen und alte Stärken verfeinern?

Die Nano-Seuche hat um sich gegriffen, und Jericho City in tödliche Umarmung genommen. Chaos und Gemetzel zersetzen die Strukturen der autoritären Stadt. Hierarchien sind bedeutungslos, das Flehen um Mitleid vergebens. In all dem Wahnsinn kommt es zu einer Flugzeugkatastrophe, welche vermeintlich nur eine Person überlebt…

Findet ihr, dass die Story-Einleitung dieses Artikels etwas mager ist? Das kommt nicht von ungefähr, denn die Story von The Surge 2 ist so dünn wie schlecht gekochte Hühnersuppe. Das ist allerdings ein kleineres Problem als man meinen würde, denn die Geschichte rund um die Nano-Seuche dient lediglich als Vehikel für das (meist) ausgezeichnete Gameplay.

Schnipp, schnapp und die Rübe… die ist ab!

Wie besonders schlaue Köpfe unter euch vermutlich schon vermutet haben, handelt es sich bei der mysteriösen überlebenden Person um niemand geringeres als euren Spielcharakter. Anders noch als im Vorgänger, setzt euch The Surge 2 keinen ausgebackenen Helden vor, sondern erlaubt euch einen Recken nach euren Vorstellungen zu basteln. Dabei könnt ihr über Geschlecht und Aussehen der Figur entscheiden. Um den passenden Style zum eigenen Gusto zu finden, steht euch eine Vielzahl von Optionen zur Verfügung.

Habt ihr euch auf einen ansprechenden Look festgelegt, findet ihr euch in einem Gefängnis wieder. Kaum habt ihr euch von der Barre befreit, steht ihr einem Haufen eskalierender Häftlinge gegenüber. Spätestens jetzt wird klar, dass The Surge 2, im Vergleich zum ersten Teil der Reihe, sein ohnehin schon hoch innovatives Kampfsystem, noch einmal ordentlich feinjustiert hat. Fixieren wir einen Gegner können wir unter den verschiedenen Trefferzonen zwischen Kopf, Rumpf und Extremitäten wählen. Gelingt es uns den anvisierten Körperteil genügend Schaden zuzufügen, erhöht sich die Chance, dass wir diesen abtrennen und damit verbundene Waffen, Rüstungsteile oder Ressourcen einkassieren können. Dabei können wir im Kampf butterweich zwischen den verschiedenen Trefferzonen zu wählen und so unsere Taktik planen. Körperteile mit Rüstung werden gelb angezeigt, jene ohne Blau. Blaue Zonen liefern nicht sonderlich viel Beute, sind aber besonders empfindlich gegen Schaden. Haben wir endlich den Zeitpunkt der Amputation erreicht, wird und diese mit einem toll animierten Finisher präsentiert. Dieser variiert je nach Waffe und ist meist schonungslos brutal inszeniert.

MedBays für Upgrades

Wie bei jeden Souls-like sind auch in The Surge 2 die Kämpfe nichts für jene, die keine Herausforderung suchen. Flinke Finger und gut koordiniertes Timing sind der Schlüssel zum Erfolg. Exaktes Blocken im richtigen Moment führt zu einem mächtigen „Vergeltungsschlag“. Der Kniff den The Surge 2 in dieser Sache jedoch in sich trägt, ist jener, dass auch bedacht werden muss aus welcher Richtung der feindliche Schlag kommt, diesen gilt es dann mit dem rechten Analogstick abzuwehren. Ist das Manöver richtig gesetzt, können wir die Deckung unseres Kontrahenten durchbrechen und massiven Schaden verursachen ohne Ausdauer zu verbrauchen. Aktionen wie Blocken, Schlagen oder Ausweichen reduzieren die Stamina. Verabsäumen wir diese Ressource im Auge zu behalten, kann es passieren, dass uns zum falschen Zeitpunkt die Puste ausgeht, mit verheerenden Folgen für Leib und Leben. Gelingt es uns eine Reihe von Treffern zu landen, laden sich unsere Akku-Zellen auf. Mit dieser Energiequelle sind wir in der Lage uns zu heilen oder diverse Aktionen zu starten.

Töten wir einen Feind, lässt dieser Tech-Scrap fallen. Hierbei handelt es sich um das Währungmittel von The Surge 2. Mit Tech-Scrap lassen sich in MedBays – dem Äquivalent zu den Leuchtfeuern in Dark Souls – unsere Charakterwerte steigern oder unsere Ausrüstung verbessern. Außerdem können wir dort nach Herzenslust craften, sofern uns das nötige Rohmaterial zur Verfügung steht, versteht sich. Sterben wir, haben wir einmal die Chance an unserm Todesort das fallen gelassene Tech-Scrap aufzusammeln. Diese Möglichkeit ist in The Surge 2 jedoch Zeitlich begrenzt. Dafür regeneriert uns unser Nachlass, wenn wir in einem Radius um ihn kämpfen, langsam. Sammeln wir ihn auf bekommen wir nicht nur unsere verlorene Währung wieder, sondern unsere Gesundheit wird augenblicklich komplett aufgefüllt.

Alle Wege führen zur MedBay!

The Surge 2 wartet mit einer wunderbar verzahnten und abwechslungsreichen Welt auf. Insgesamt neun Sektoren bekommen wir zu Gesicht. Thematisch bewegen sich die Szenarien von verfallenen Städten, über wunderschöne Wälder, bis hin zum High-Tech-Gelände. Erkunden lohnt sich, denn hinter fast jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken. Sei es Rüstung, Währung oder vielleicht sogar die eine oder andere Nebenquest. The Surge 2 bietet diesmal auch zahlreiche Nebenaufgaben an. Die sind zwar in den seltensten Fällen wirklich gut geschrieben, kommen aber oft mit sehr netten Belohnungen um die Ecke. Generell sind die Bewohner von Jericho City etwas blass und die Dialoge sowie Hintergrundgeschichten leider arg langweilig.

Umso spannender ist jedoch der Level-Aufbau! Sowohl in der Horizontalen, wie der Vertikalen finden sich neue Wege und gut versteckte Abkürzungen zu bekannten MedBays. Eine Tatsache die uns gerade im Angesicht der Bosse das Leben erheblich erleichtern. Die überdimensionalen bösen Buben werden einiges an Taktik, Überlegung und auch einen fetten Batzen Geduld verlangen. Die Zahl eurer Bildschirm-Tode werden Legion sein. Doch bei all seiner Härte, wirklich unfair ist The Surge 2 nie. Wenn ihr ins Gras beißt, ist es meist eure Schuld.

Technisch ein Fall für die MedBay

In Sachen Technik ist The Surge 2 -zumindest auf der PS4- ein Sorgenkind. Trotz meiner PS4 Pro kam es immer wieder zu Einbrüchen der Framerate und die Konsole ist mir mehrfach abgestürzt. Erschwerend kommt hinzu, dass The Surge 2 ein massives Problem mit dem Nachladen von Texturen hat. Ich bin stellenweise minutenlang herumgelaufen, ohne irgendeinem Hauch einer Textur auf der Rüstung. Eine Tatsache die schon erheblich an der Immersion genagt hat. Die Animation der NPCs lässt auch zu wünschen übrig. Die Bewegungen wirken oft ein wenig hölzern und Mimik gibt es kaum.

Lobend hervorheben möchte ich die sehr intuitive Steuerung. Die Kombos gehen locker und flüssig von den Fingern aufs Pad. Einzig das Umschalten zwischen den einzelnen Zielen fand ich etwas unhandlich. Beim Sounddesign hat Deck 13 auch ganze Arbeit geleistet. Die Akustik unterstreicht die zerstörerische Wucht eines jeden einzelnen Schlages. Begleitet wird das jeweilige Geschehen immer mit einem tollen Score.

FAZIT

Die Frankfurter von Deck 13 haben bei The Surge 2 an den richtigen Schrauben gedreht. So gestaltet sich das innovative Kampfsystem des Erstlings, noch intuitiver und wird durch einige taktische Nuancen erweitert. Die gezielte Jagd auf spezielle Rüstungsteile macht wirklich unheimlichen Spaß. Die Kämpfe mit all ihren Facetten, sind angenehm fordernd, verlangen einiges an Planung und Geduld, sind dabei aber nie unfair. Das Ausbauen des eigenen Anzugs und die Optimierung auf die eigene Spielweise hin, motiviert ungemein. Die Struktur der Gebiete, mit all ihren verborgenen Schleichwegen sowie Geheimnissen sucht ihresgleichen und weckt den Entdecker in mir. Alles wunderbare Punkte. The Surge 2 hätte das Zeug zum Top-Titel, wenn nicht all diesen positiven Aspekten einige negative gegenüber stehen würden. Da wäre das träge Writing, die langweiligen Bewohner von Jericho City oder die teils massiven technischen Probleme.  Mit ein wenig mehr Feinschliff hätte sich The Surge 2 nicht vor Konkurrenten wie Sekiro verstecken müssen. So ist The Surge 2 ein gutes Game, mehr aber leider nicht.

Was ist The Surge 2? Ein Souls-like in einem Sci-Fi Szenario.
Plattformen: PC, Xbox One, PS4
Getestet: PS4
Entwickler / Publisher: Deck 13 / Focus Home Interactive
Release: 24. September2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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