The Vanishing of Ethan Carter (XBox One) im Test

Das Mystery-Adventure The Vanishing of Ethan Carter vom kleinen polnischen Indie-Entwickler The Astronauts ist zwar bereits vor mehr als drei Jahren erschienen, bislang glänzte es auf sowohl auf der XBox als auch hier auf Gamers.at mit seiner Abwesenheit. Ein Umstand der sich aber anlässlich der Veröffentlichung auf Microsofts Heimkonsole zum Glück schnell ändern lässt. Es wäre auch eine Schande gewesen, wenn wir über eines des optisch und erzählerisch beeindruckendsten Spiele der letzten Jahre nicht berichten würden.

„Dieses Spiel ist eine narrative Erfahrung, die dich nicht an der Hand nimmt“. Beim Lesen dieser einleitenden Zeilen bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob sich dabei um einen bedeutungsschweren Hinweis oder doch eher um eine Drohung handelt. Aber schon nach wenigen Spielminuten verstehe ich was damit gemeint ist. Ich bin Paul Prospero, ein Detektiv den es auf der Suche nach dem Jungen Ethan in das kleine fiktionale Red Creek Valley verschlägt – sehr viel mehr verrät mir das Spiel zunächst aber nicht. Ja, bei The Vanishing of Ethan Carter bekommt man wirklich nichts auf dem Silbertablett präsentiert, jeder noch so kleine Hinweis will aufgestöbert und jeder einzelne Story-Fetzen zu einer übergeordneten Geschichte zusammengesetzt werden. Letztere ist dann auch Dreh- und Angelpunkt und gleichzeitig das Herzstück des ganzen Spieles, denn das vermeintlich idyllischen Tal im nordamerikanischen Hinterland hat auch seine dunklen Seiten und vor allem geht dort nicht alles mit rechten Dingen zu.

Sehr viel mehr wollen wir aber an dieser Stelle nicht verraten, denn jeder weitere noch so kleine Hinweise würde das Spielerlebnis vermutlich deutlich schmälern. Aber nicht nur durch die Story alleine, sondern vor allem die intensive, narrative Erzählweise erzeugt eine gruselige und zugleich emotionale Atmosphäre, ohne jedoch die Stimmung durch plumpe Schockmomente zu zerstören. Freunde des subtilen Horrors kommen bei The Vanishing of Ethan Carter voll auf ihre Kosten.

Kurz und bündig

Was sich auch relativ rasch herausstellt: Paul Prospero ist kein normaler Schnüffler, sondern ein okkulter Detektiv mit der Fähigkeit Visionen vergangener Ereignisse zu erleben. Das ermöglicht ihn nicht nur Teile der Geschichte nachzuerleben, sondern kann damit auch ganze Vorgänge rekonstruieren. Dafür gilt es zunächst die richtigen Indizien und Hinweise zu finden, um anschließend die verschiedenen Handlungen der Protagonisten in die richtige Reihenfolge zu bringen. Dadurch kann er sich dann etwa ganze Tathergänge vor Augen führen, die stets einen weiteren Teil der Geschichte aufdecken. Abseits solcher Aufgaben gibt es noch einige kleinere Rätsel zu lösen, wie etwa das Drücken von Schaltern in der richtigen Reihenfolge oder etwa das korrekte Zuordnen von Räumen. Sehr anspruchsvolle Denksportaufgaben solltet ihr aber nicht erwarten, der Fokus liegt eindeutig auf dem Erkunden der Spielewelt.

Die ist zunächst überwältigend und wirkt riesig – viel zu entdecken gibt es dann aber doch nicht, denn abseits der Storyline findet man so gut wie keinerlei Interaktionsmöglichkeiten. The Vanishing of Ethan Carter beschränkt sich somit in Sachen Gameplay auf das Absolvieren kleinerer Rätselketten, für die wir als Belohnung eine kleine Story-Sequenz präsentiert bekommen. In etwa drei bis vier Stunden ist man dann auch schon am Ende angelangt, hat man dann eine Aufgabe vergessen oder übersehen, darf man dann mittels Karte dorthin zurückreisen, um die unvollständigen Stationen nachzuholen. Erst dann kann man sich die gesamte Geschichte noch einmal ansehen und erfährt die wahre Bedeutung hinter Ethan Carters Verschwinden.

Wunderschönes Red Creek Valley

Wer auf die Rätsel verzichten will, hat dank der neuen Option „Erkunden“ nun in der XBox One Version die Möglichkeit, die Spielewelt auch ganz ohne Story zu durchstreifen. Dadurch wird The Vanishing of Ethan Carter zu einem Walking-Simulator, was natürlich spielerisch nicht besonders spannend ist. Warum man es aber trotzdem tun sollte? Ganz einfach, weil das Spiel einfach nur fantastisch aussieht. Entwickler The Astronauts setzt dabei auf die Unreal Engine 4 und dabei vor allem auf wunderschöne Landschaftsgrafiken, welche möglichst realistisch mittels Photogrammetrie simuliert werden. Mit dieser Technik werden sehr viele Realfotos in der Natur aufgenommen und dann aus vielen Bildern mit unterschiedlichen Blickwinkeln ein dreidimensionales Gebilde erzeugt. Aus dieser Konstruktion wird dann ein 3D-Modell gebaut und mit den hochauflösenden Fotos texturiert. So entsteht dann eine Umgebung, die nicht aus geklonten Bäumen und zufallsgenerierten Objekten zusammengeklickt wird, sondern im Red Creek Valley wurde jede einzelne Pflanze und jeder Stein individuell entworfen und platziert. Das Ergebnis sieht wirklich märchenhaft gut aus und bietet eine sehr realistische Spielewelt, obgleich sie aufgrund der fehlenden Interaktionsmöglichkeiten insgesamt etwas leblos wirkt.

Neu in der Version für die Microsoft Konsole ist die Enhanced Funktion. Während sich Besitzer einer Standard XBox, übrigens genauso wie auf der PS4, mit einer Auflösung von maximal 1080 Bildpunkten zufrieden geben müssen, dürfen Xbox One X Spieler in 4K und Ultra HD zocken. Der Unterschied ist beim direkten Vergleich zwar merklich erkennbar, weil das Spiel aber bereits ohne spezieller Verbesserung wirklich spektakulär aussieht, bringt das nur bedingt Mehrwert. Insgesamt präsentiert sich die XBox Version als eine technisch saubere Umsetzung mit stabiler Framerate und ohne gröbere Schnitzer. Lediglich bei der Sprachausgaben wiederholten sich in manchen Situationen einige der Sprachsamples, was sicherlich nicht im Sinne der Entwickler ist. Die gibt es übrigens nur in Englisch, mit deutschen Untertitel, ist aber genauso wie die dynamische Musikuntermalung fantastisch gelungen und rundet die insgesamt perfekte Präsentation hervorragend ab.

FAZIT

Als The Vanishing of Ethan Carter vor etwas mehr als drei Jahren für PC erschienen ist, habe ich mir natürlich die teilweise sehr divergierenden Meinungen durchgelesen. Die reichten etwa von einfallsloser Techdemo, bis hin zum atemberaubenden, wunderschönem Thriller. Jetzt wo ich mir selber ein Bild habe machen können, tendiere ich eher zu letzterem, denn trotz spielerischer Trivialität, war die Suche nach Ethan spannend bis zum Schluss und die Auflösung motiviert zum erneutem Durchspielen. Das war es dann aber auch, denn obgleich der fantastischen Optik ist danach die Luft komplett draußen und der Wiederspielwert geht gegen null. Es ist aber wirklich beeindruckend was das kleine Indie-Entwicklungsstudio The Astronauts hier abgeliefert hat und deshalb steht ihr neues Projekt Witchfire jetzt ganz weit oben auf meiner persönlichen Wacht-List,. Das bietet dann hoffentlich nicht nur eine spektakuläre Optik, sondern kann auch spielerisch überzeugen.

[image src=’https://www.gamers.at/wp-content/uploads/2018/01/Information_brown.svg_.png‘ width=’140′ height=’140′ title=“ align=’left‘]
Was ist The Vanishing of Ethan Carter? Spannendes First-Person Mystery Adventure in einer nahezu fotorealistischen Spielewelt.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One, XBox One X
Getestet: Xbox One
Entwickler / Publisher: The Astronauts / The Astronauts
Release: 19. Jänner 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6

Passende Beiträge

Empire of the Ants im Test

Phasmophobia im Test

Horizon Zero Dawn™ Remastered im Test