Garrett der Meisterdieb ist zurück. Wie sehr haben wir uns darauf gefreut! Schleichend die Bewohner von „The City“ ausrauben und geschickt Wachen umgehen, hat ja schon in den Vorgängern gut funktioniert. Leider ist der neueste Ableger der Thief-Serie von Square Enix nicht wirklich gut gelungen.
Die Story
Die Geschichte rund um den Meisterdieb Garrett startet recht unspektakulär. Nach dem Prolog erwacht er plötzlich, versteckt auf einem Karren, und wird durch eine viktorianische Stadt gezogen. Zwischen den Ereignissen des Prologs und der ersten Mission vergeht in der Geschichte ein ganzes Jahr. Was Garrett in dieser Zeit gemacht hat oder wo er war, wird nicht erklärt. Generell tut sich Thief 4 schwer, die Motive seines Protagonisten glaubwürdig zu vermitteln. Die Stadt wird als bettelarm dargestellt, die Bewohner werden am laufenden Band tyrannisiert und unterdrückt. Was macht der Held der Geschichte? Er klaut alles was nicht niet- und nagelfest ist. Zu der uns zur Seite gestellten Diebesnovizin Erin bauen wir erst recht keine Beziehung auf. Man merkt, der Entwickler versucht dem Spieler ein Gefühl für die junge Diebin zu geben, die meuchelt sich aber so kaltblütig und blutig durch die Wachen, dass jeder Serienfan nur den Kopf schütteln kann. Immer wieder hat man das Gefühl, dass Storydetails fehlen oder schlichtweg vergessen wurden. Im schlimmsten Fall spielen wir bald die Erlebnisse Garretts in dem Jahr in dem er weg war in einem DLC nach. Hier hätten ein bisschen mehr Vorgeschichte und ein runderes Storyboard sicher gut getan.
Das Gameplay
Sobald es mit den Raubzügen losgeht, stellt sich schnell das alte Thief-Feeling ein. Wer die Vorgänger gespielt hat, kennt das Gefühl, auch noch die letzte Goldmünze in jedem Raum finden zu wollen. Leider gibt es aber auch immer wieder Designschnitzer die ein bisschen enttäuschen. So wirkt das Diebesgut ein bisschen mit dem Zufallsgenerator über die Level verstreut. Und wenn die Bevölkerung doch angeblich so arm ist, warum liegen dann in jedem Haushalt Silberbecher und goldenes Geschmeide herum? Auch für Spieler sehr „praktisch“ platzierte Gegenstände, wie Seilpfeile, kurz bevor man welche braucht, wirken ein bisschen ungelenk. Warum man übrigens die Seilpfeile nur an vorbestimmten Stellen verwenden darf, bleibt ein Rätsel.
Man merkt deutlich, dass sich die Entwickler an einem moderneren Gameplay versuchen. Musste man sich in den alten Teilen noch langsam am Wachmann vorbeischleichen, verwendet man jetzt den „Swoop“. Einmal auf die Leertaste gedrückt schon huscht Garrett wieselflink in den nächsten Schatten. Dieses Zugeständnis an ein breiteres Publikum ist zwar verständlich, nimmt aber einen Teil der Spannung. Genauso die Fähigkeit „Fokus“. Erklärt wird es im Spiel so, dass Garrett plötzlich „viel aufmerksamer“ sei. Im Endeffekt schaltet die Fokusansicht das Spiel in Falschfarben um und hebt wertvolle Gegenstände und bei entsprechendem Upgrade auch Schrittgeräusche von Wachen farblich hervor. Spielbar ist Thief auch ohne diese Funktion, wir haben sie nur verwendet um in einem Raum möglichst schnell alle wertvollen Dinge zu finden.
Thief krankt ein bisschen an der Vereinfachung für ein breiteres Publikum. Ein Beispiel: Wir stehen gefühlte fünf Meter vor einer Wache die in unsere Richtung schaut. Zwar kauern wir in einer dunkleren Ecke, aber sollte die Wache nicht an Spontanerblindung leiden, müsste sie uns sehen und den Garaus machen. Das ist aber alles egal – solange der kleine Kristall am linken unteren Bildschirmrand dunkel bleibt sind wir für die Wache unsichtbar. Egal wie unlogisch das wirkt. Selbst wenn wir entdeckt werden, ist es noch kein Problem. Als wir im ersten Akt unabsichtlich eine Wache auf uns aufmerksam machen, besiegen wir sie schließlich schnell im Nahkampf. Mit Pfeil und Bogen. Obwohl der andere ein Schwert hat. Naja.
Die Technik
Thief wurde in der Unreal Engine 3 entwickelt. Das Spiel wirkt aus einem Guss und fängt das Flair eines Londons aus dem 18. Jahrhundert prima ein. Die Charaktermodelle könnten einen Tick detaillierter sein, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Garrett fühlt sich angenehm „real“ in der Welt an. Man sieht seine Hände und Füße und es wirkt, als würde man wirklich in dieser Welt agieren. Kleines Beispiel: Wenn man ein Bild stiehlt, verschwindet es nicht einfach so von der Wand, sondern Garrett zückt ein Skalpell und schneidet das Bild aus dem Rahmen. Vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber diesen Details merkt man an, wie liebevoll Thief designed wurde. Generell gilt, dass die Stimmung in der düsteren Großstadt sehr gut rüber kommt. Nebel- und Rauchschwaden hängen über den Dächern und die Trostlosigkeit ist fast greifbar.
Thief lässt sich extern im Launcher oder Ingame konfigurieren, wobei es Ingame mehr Möglichkeiten gibt. Die Unterschiede zwischen maximalen und minimalen Details fallen, außer bei der Texturauflösung, kaum ins Gewicht. Verantwortlich dafür ist der grau-braun-schwarze Look in dem sich das Spiel die meiste Zeit präsentiert.
Der Sound
Die Sprecher sind im englischen Original sehr gut. Garrett und auch der Hehler Basso hören sich „echt“ an. Und damit kommen wir zu einem der größten Mankos von Thief: Die Tonabmischung in den Zwischensequenzen ist zeitverzögert und schlicht und ergreifend nicht synchron. Das ist ein Fehler der bei einem AAA-Titel um 50 Euro nicht passieren darf.
Das FAZIT
Thief versucht einen Spagat zwischen zwei Welten. Einerseits versucht es die alte Thieftradition des Schleichen und Planens hoch zu halten, andererseits wird ein flotteres und moderneres Gameplay anvisiert. Damit ist es ein bisschen ein Hansdampf in allen Gassen. Wer Thief erleben will, der sollte einstweilen die alten Teile spielen, Steam gibt derzeit 60% Rabatt auf die gesamte Kollektion. Wer noch nie einen Thief-Teil gespielt hat kann sich durchaus an den neuesten Ableger heranwagen.
Gesamtwertung: 6.0
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 4 | Handling: 6 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6