Thronebreaker: The Witcher Tales im Test

Ursprünglich als Add-on für das Multiplayer-Spiel Gwent: The Witcher Card Game geplant, erscheint Thronebreaker: The Witcher Tales nun als eigenständiges Einzelspieler-RPG. Der kaum bediente Genre-Mix aus Rollenspiel, mit einer umfangreichen Kampagne, gepaart mit Sammelkarten-Kämpfen, bringt frischen Wind in die Welt von Witcher. Ob das Experiment aufgegangen ist, erfahrt ihr hier.

Beuge dein Knie vor der Königin!

In Thronebreaker übernehmen wir die Kontrolle über Meve, Königin von Lyrien und Rivien. Fans von Andrzej Sapkowski’s Witcher Romanen dürften bei dem Namen der Monarchin hellhörig werden, da sie bereits in “Das Erbe der Elfen” und “Feuertaufe” ihr Debüt gab. CD-Projekt greift einen Part der erweiterten Witcher Lore auf, welche bisher noch wenig in den Spielen beleuchtet wurde. Die Erzählung rund um die Anführerin zeichnet eine mitreißende Geschichte rund um Verrat, Ehre und die Bürde harte Entscheidungen treffen zu müssen, wenn die königliche Pflicht es verlangt. Story, Dialoge und Charaktere begeistern in typischer Witcher-Manier mit Finesse, Epos und spannenden Wendungen. Erzählerisch liefert das polnische Entwicklerstudio gewohnt erstklassige Qualität. Alle Figuren überzeugen mit toller Sprachausgabe, die vollends in Deutsch synchronisiert wurden. Bekannte Gesichter aus der Trilogie, inklusive dem Hexer Geralt, begegnet Meve während ihrer Reise durch die nördlichen Königreiche. Das Abenteuer bleibt die rund 25-30 Stunden Spielzeit jederzeit spannend und motivierend.

Aus isometrischer Perspektive wird Meve durch fünf sehr abwechslungsreiche frei begehbare, Welten gesteuert. Optisch überrascht Thronebreaker mit einer wunderschön animierten Welt, die von Details strotzt. Immer wieder erwischte ich mich, während meiner vielen Erkundungstouren stehen zu bleiben, um die Details in Landschaft und Objekten zu bestaunen. Apropos Erkunden – während ihr mit Meve durch die kriegsgebeutelten Lande zieht, vergesst nicht gezielt nach Ressourcen Ausschau zu halten. Gold, Holz und Truppen sind essenziell, um die eigenen Kartendecks zu verbessern. Versteckte Schatztruhen lassen sich mithilfe von Hinweisen oder in schwer erreichbaren Destinationen finden. Die goldenen Truhen schalten meist Objekte für Gwent frei und haben keinen Einfluss auf das eigentliche Abenteuer. Ganz losgelöst voneinander sind die beiden Spiele also nicht zu betrachten. Nicht zuletzt, weil selbst im Hauptmenü von Thronebreaker die Option Gwent zu starten möglich ist.

Pest und Cholera

Animierte Zwischensequenzen begeistern mit toller Inszenierung und mitreißender Atmosphäre. Die Ereignisse werden durch einen stimmungsvollen Erzähler untermalt, der das Gefühl eines echten Witcher-Märchens aufkommen lässt. In vielen, oft zufälligen, Begegnungen wird Meve vor schwere Entscheidungen gestellt, die sich weder in Gut oder Böse unterteilen lassen Die Erzählweise führt den typischen „Nichts ist nur gut oder böse”-Stil hervorragend weiter. Da eure Begleiter nicht immer eurer Meinung sein werden, gilt es sich gut zu überlegen, welche Konsequenzen durch eure Handlungen zu erwarten sind. Auch die Truppenmoral spielt eine wichtige Rolle auf euerer Reise. So reagieren eure Schergen auf Entscheidungen, die im Laufe der Haupt- und Nebenquests getroffen werden. Sinkt die Moral auf ein schlechtes Niveau, verlieren eure Karten an Stärke. Andersherum teilt eine gut gelaunte Armee deutlich mehr aus. Hier gilt es eine Balance zu finden, die Nutzen und Aufwand abwiegt.

In The Wichter 3 fungierte Geralt von Riva durchaus als Identifikationsfigur für den Spieler; in Thronebreaker wurde mir schnell klar, dass Meve wenig Platz für Projektion meiner eigener Werte und Vorstellungen zulässt. Die lyrische Königin ist stark, mutig, kompromisslos und trägt eine große Verantwortung im Krieg gegen die Truppen Nilfgaards. Es gibt keinen Platz für neutrale Entscheidungen. Die Möglichkeit eher nachsichtig oder hart zu regieren steht offen und beeinflussen den Ausgang der Geschichte signifikant. Laut CD-Projekt warten am Ende der Reise, eine von 20 verschiedenen Enden auf euch. Dies motiviert zum einen überlegtes Handeln und zum anderen mehrfaches durchspielen.

Zu den Waffen!

Weniger gelungen ist die Einführung in die zahlreichen Kämpfe. So habe ich mir anfangs schwer getan alle Regeln zu verstehen. Da ich weder mit Gwent noch vergleichbare Sammelkarten-Spielen Erfahrung aufweise, fiel mir der Einstieg etwas schwer. Für mich als Anfänger wurden vor allem Fähigkeiten der einzelnen Karten und die Kämpfe zu wenig detailliert erklärt. Nach ein bis zwei Stunden waren die meisten Hürden aber überwunden und meine Begeisterung für knifflige Karten-Duelle geweckt. Neben Standardkämpfen, die den Regeln von Gwent folgen, sorgen Story- und Rätsel-Schlachten für viel Abwechslung. Besonders bei zweiterem ist der überlegte Einsatz eurer vorgegebenen Decks notwendig, damit man die Herausforderungen meistern kann. In nur einer Runde gilt es die Fähigkeiten der eignen Truppen und Gegner genau zu studieren, um eine Lösung zu finden. Anfangs betrachtete ich sie als lästig, fand ich sehr bald gefallen daran, da mir diese indirekt gute Spielzüge beigebracht haben. Kartendesigns und Animation der Fähigkeiten sind fantastisch umgesetzt und bringen viel Leben in die Kämpfe.

Das Balancing der Schlachten war an einigen Stellen etwas unausgereift, sodass Kämpfe des Öfteren zu leicht oder knifflig ausfielen. Besonders bei Puzzle-Kämpfen konnte ich bei manchen, ohne groß nachdenken zu müssen, die Lösungen finden, während ich bei anderen kurz davor war ein Blatt Papier rauszuholen, um eine Strategie aufzuzeichnen. Hier muss noch nachgebessert werden. Auch Storyschlachten gestalten sich abwechslungsreich, indem auf kreative Weise aktuelle Story Situation mit einzigartigen Karten abgebildet werden.

Die aus Gwent bekannten Standardkämpfe werden in drei Runden ausgetragen, überraschen aber immer wieder mit klasse Wendungen. Meve selbst kann als Anführerin der Armee in die Schlacht eingreifen, indem sie beispielsweise eure Truppen stärkt oder Gegner angreift. Der geschickte Einsatz von Anführer Fähigkeiten kann den Ausgang der Schlacht deutlich zu euren Gunsten verändern.

Schlagt das Lager auf, wir machen halt!

Gesammelte Ressourcen können im Heereslager für Verbesserungen oder neue Karten ausgegeben werden. Mithilfe von Fähigkeitsbäumen lassen sich Truppen verstärken, neue individuelle Karten freischalten oder die Menge an gesammelten Ressourcen erhöhen. Der Ausbildungsplatz lässt euch in Scharmützeln neue Strategien ausprobieren. Im Messezelt treffen sich all eure Begleiter um ein Maß Met zu genießen und etwas zu plaudern. Diese Gelegenheit darf genutzt werden um alle besser kennenzulernen und über aktuelle Ereignisse zu debattieren. Im Kommandozelt kann das Kartendeck bearbeitet werden. Eine Limitierung der Kartenanzahl und Stärke, gibt den Rahmen für euer einsetzbares Heer vor. Auch hier gilt es eine gute Balance zwischen Angriff, Verteidigung und Spezialkarten zu finden. Neu erforschte Einheiten können ebenfalls im Kommandozelt erstmalig erstellt und ins aktive Deck aufgenommen werden. Vorausschauende Planung hat mir das Leben vor allem in der zweiten Spielhälfte deutlich leichter gemacht.

FAZIT

Ist Thronebreaker: The Witcher Tales ein vollwertig eigenständiges Rollenspiel oder doch ein in die Länge gezogenes Addon für Gwent? Dies lässt sich so klar beantworten, wie Meve die Nilfgaarder hasst: Ein ganz klares ja! Das RPG muss sich hinter den „Großen“ nicht verstecken. Das neueste Spiel aus dem Hause CD-Projekt überzeugte mich mit fantastischer Story, interessanten Charakteren, moralisch schwerwiegenden Entscheidungen und tollem Umfang. Das Rollenspiel erfüllt alles was mein Herz begehrt und paart das Genre, in eindrucksvoller Weiße, mit etabliertem Sammelkarten-Prinzip. Einzig der etwas schwere Einstieg und das noch unausgereifte Balancing fällt negativ auf. Witcher und Genre Fans können bedenkenlos zuschlagen!

Ein Gastartikel von Philipp Arnold

Was ist Thronebreaker: The Witcher Tales? Genre-Mix aus Isometrischen Rollenspiel gepaart mit Sammelkarten-Kämpfen, die in der Welt von The Witcher angesiedelt ist
Plattformen: PC (GOG)
Getestet: auf PC Intel Core i7-7700, 16GB RAM, GeForce GTX 1080
Entwickler / Publisher: CD-Projekt RED / CD-Projekt
Release: 23. Oktober 2018
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test