Trüberbrook im Test

Vor etwas mehr als einem Jahr versuchte die deutsche Produktionsfirma bildundtonfabrik (btf) via Crowdfunding Geld für ihr neues Projekt, dem storybasierten Adventure Game Trüberbrook, zu lukrieren. Nach gerade einmal 30 Stunden war das Finanzierungsziel erreicht, weitere Stretch Goals folgten. Grund für diesen schnellen Erfolg war sicherlich der einzigartige visuelle Stil, denn das Spiel verwendet handgemachte Schauplätze, die mit „echten Händen und viel Kleber“ zusammengebaut und danach digitalisiert wurden. Nun ist Trüberbrook für den PC erschienen und wir konnten überprüfen, ob das Vertrauen der zahlreichen Unterstützer gerechtfertigt war.

Als der alte VW-Bus die steilen Serpentinen der Bergstraße hinauf tuckert, keimen in mir nostalgische Gefühle und Kindheitserinnerungen auf. Irgendwie wirken die topologischen Gegebenheiten und vor allem die Vegetation der Anhöhe vertraut. Kein Wunder, habe ich doch vor einer sehr langen Zeit für meine Märklin H0 Modelleisenbahn ein vergleichbares Modell mit optisch sehr ähnlichen Bäumen und Sträuchern erschaffen. Der Kenner in mir merkt also gleich, dass es sich bei der Eröffnungssequenz nicht um eine ordinäre Computeranimation handelt, sondern dass hier echte Handarbeit im Spiel ist. Und wirklich, Trüberbrooks einzigartiger visueller Stil entsteht zunächst nicht am Bildschirm, sondern in der Bastelwerkstatt. Alle Schauplätze sind komplett handgemacht und wurden zunächst als Miniaturkulissen gebaut. Danach erfolgt das Abfotografieren in unterschiedlichen Lichtstimmungen und die anschließende Digitalisierung sowie grafische Aufbereitung mittels Photogrammetrie. Im letzten Schritt wurden dann die einzelnen Figuren noch als 3D-Modell in das Spiel integriert. Das Ergebnis ist eine einzigartige Optik, welche sehr an Filme erinnert, die man mittels Stop-Motion-Technik inszeniert hat.

In Sachen Story orientiert sich Trüberbrook an einschlägigen Klassikern wie etwa Akte X, Twin Peaks und andere Werke von David Lynch. Im Mittelpunkt steht dabei der amerikanische Physiker Dr. Hans Tannhauser, der in den späten 1960er Jahren bei einem Gewinnspiel eine Reise in das abgelegene Luftkurörtchen Trüberbrook gewonnen hat – ohne sich erinnern zu können, überhaupt bei einem Preisausschreiben mitgemacht zu haben.

Seichte Handlung, leichte Rätsel

Die weitere Geschichte führt Hans dabei nicht nur an zahlreiche weitere Schauplätze, sondern er begegnet auf seiner Reise auch einigen interessanten Charakteren, wie der Paleoanthropologiestudentin Greta Lemke, dem einsiedlerischen Erfinder Lazarus Taft oder dem schrägen Dr. von Streck, die allesamt ein ganz persönliches Interesse an Hans und seinen Fähigkeiten als Physiker haben. Dazu gesellen sich nicht minder schrullige Nebenfiguren, die ihm bei seinem Abenteuer mehr oder weniger behilflich sind oder seine Mission die Welt zu retten behindern. Die Story punktet dabei vor allem durch die Interaktion mit den Charakteren, die einem sehr schnell ans Herz wachsen, und dem meistens etwas subtileren Humor, mit zahlreichen Anspielungen auf die damalige und heutige Popkultur. Insgesamt wirkt aber die Handlung etwas seicht sowie konfus und auch das Ende nach rund sieben Stunden war für mich leider nicht der erhoffte, runde Abschluss.

Auch von den Rätseln war ich zunächst etwas enttäuscht. Trüberbrook verwendet eine sehr simple Benutzeroberfläche, bei der dem Spieler genau vier Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen: Reden, untersuchen, nehmen/benutzen sowie kombinieren. Mittels Tastendruck werden auch Hotspots oder das Inventar angezeigt. Letzteres hat aber keinen praktischen Nutzen, denn welche Gegenstände man wo verwenden und mit welchen anderen Objekten kombiniert werden können, wird dem Spieler praktisch auf dem Silbertablett präsentiert. So beschränkt sich das Gameplay auf das Abklappern der Schauplätze, um diverse Utensilien aufzustöbern oder der Konversation mit Charakteren. Die starre Linearität von Trüberbrook kommt hier erschwerend hinzu. Diverse Hotspots und Events werden erst dann freigeschalten, wenn man bestimmte Aktionen vorher absolviert hat, etwa indem man mittels elend langen Dialogen diverse Informationen aus einer Figur herauskitzelt. Dadurch kommen dann doch einige redundante und unnötig mühsame Laufwege hinzu. Etwas irritiert war ich etwa auch von der manchmal etwas eigenwilligen Benutzerführung. So musste ich an einer Stelle einen Safe öffnen und konnte das nicht, obwohl ich die Kombination kannte. Die einzige Möglichkeit die Aufgabe zu lösen: Zurück in den Raum laufen wo die Zahlenreihe an die Wand gekritzelt wurde und diese in mein Inventar aufnehmen, um sie dann später benutzen zu können. Nicht sehr intuitiv und etwas gewöhnungsbedürftig.

Trüberbrook ist in einen Prolog plus vier Kapitel und dem Finale unterteilt. Während in den ersten drei Spielabschnitten selbst Genre-Neulinge vor keine größeren Herausforderungen gestellt werden, steigt zum Schluss hin die Rätseldichte noch einmal deutlich an. Trotz einiger etwas kniffeligeren Aufgaben sollten hier vor allem erfahrene Abenteurer weiterhin unterfordert sein. Dafür belohnt uns das Spiel mit unterschiedlichen Enden. Je nachdem wie wir an einer bestimmten Stelle des Spiels reagieren, sollen wir so eine andere Schlusssequenz zu sehen bekommen.

Die Schattenseiten der Technik

Ja, der visuelle Grafikstil von Trüberbrook ist wirklich einzigartig und sieht in seinen besten Momenten einfach nur fantastisch aus, so ganz überzeugen konnte mich die Optik aber trotzdem nicht. Als technisches Grundgerüst wurde die Unity-Engine verwendet und man merkt schon sehr deutlich, dass beim Digitalisieren der Modelle viel von der dreidimensionalen Perspektive verloren gegangen ist. Verstärkt wird dieser Eindruck durch teilweise sehr matschigen Texturen. So wirken etwa Kabeln die aus einem Großrechner hängen eher wie eine hässliche, verschwommene Tapete. Dazu kommen noch zahlreiche Clipping-Fehler, wo dann plötzlich die Spielfigur mitten in einem anderen Objekt zu stehen kommt. Auch die teilweise sehr hölzernen Animationen schmälern den optischen Gesamteindruck.

Bei der Soundkulisse hat man sich mächtig ins Zeug gelegt. So gibt es sowohl eine englische als auch deutsche Sprachausgabe. Der Held Hans Tannhauser wird dabei von zwei unterschiedlichen Sprechern (Justin Beard, bzw. Dominik Wirth) vertont, alle andere Figuren werden dagegen in beiden Rollen vom gleichen Redner gesprochen. Vor allem in der englischen Fassung trägt das viel zur Atmosphäre bei, denn da das Örtchen Trübebrook in Deutschland liegt, passt der Akzent der heimischen Synchronsprecher perfekt zur Story. Ob es dagegen eine gute Wahl war mit Nora Tschirner oder Jan Böhmermann zwei bekannte Größen zu verpflichten, bleibt jetzt mal dahingestellt. Ich hatte bei einigen Dialogen die Bilder der Studio-Aufnahmen vor meinem geistigen Auge, was eigentlich kein gutes Zeichen für die Qualität der Vertonung ist. Dafür ist aber die Sounduntermalung mit seinen Originalkomposition im Stile ruhiger Dark Jazz Musik sehr stimmig. Außerdem: Nachdem man auch das zweite Stretch Goal erreicht hat, gibt es nun auch eine „handgemachte Soundkulisse“. Das bedeutet, dass viele der Effekte mit Tonband in freier Natur aufgenommen oder durch einen professionellen Geräuschemacher im Studio erzeugt wurden. Alles in allem ist die akustische Umsetzung erstklassig – vor allem, wenn man mit englischer Sprachausgabe spielt.

UPDATE: Kurz vor Release erschien die Version 1.08, welche einige Verbesserungen enthält, die in unserem Test leider nicht mehr berücksichtigt wurden. Darunter etwa neue und überarbeitete Texturen, die nun eine sehr offensichtliche, optische Aufwertung mit sich bringen. Das Gesamtbild wirkt nun weitaus plastischer und deutlich näher an den handgemachten Original-Modellen. Auch die von mir kritisierte eigenwilligen Benutzerführung wurde dabei verbessert. So wird etwa nun in dem von mir genannten Beispiel der Code für den Safe bereits beim Lesen in das Inventar gegeben und muss nicht extra „genommen“ werden. Insgesamt stellen die Änderungen eine deutliche Aufwertung der Spielerfahrung dar, wodurch wir nun auch unsere Bewertung dementsprechend angepasst haben.

FAZIT

Man merkt Trüberbrook an allen Ecken und Enden an, wie viel Schweiß und Herzblut in dieses Spiel geflossen sind. Das beginnt bei den liebevoll entworfenen und detailreichen Miniaturkulissen, über die stimmige Sounduntermaltung, bis hin zu den umfangreichen Backstories der Charaktere. Aber es ist auch sehr deutlich zu erkennen, dass btf primär ein Fernsehproduktionunternehmen und kein Entwicklerstudio ist, denn sowohl technisch als auch spielerisch kann Trüberbook nicht so richtig überzeugen. Der visuelle Stil ist zwar wirklich einzigartig und sieht in manchen Szenen einfach nur phänomenal aus, insgesamt wirkt aber die Technik der Digitalisierung der handgefertigten Bühnenbilder nicht ganz ausgereift. Trotzdem erntet das Spiel bei mir viel Sympathiebonus, den es dann aber aufgrund der für meinen Geschmack etwas zu konfusen Story und vor allem der meistens viel zu einfachen Rätsel wieder leichtfertig verspielt. Was übrig bleibt ist ein sehr klassisches Point-and-Click Adventure, welches hartgesottene Genrefans vermutlich unterfordern wird, aber trotzdem definitiv einen Blick wert ist.

Was ist Trüberbrook? Klassisches Point-and-Click-Adventure im Mystery- / Sci-Fi-Setting, mit einzigartiger visueller Umsetzung.
Plattformen: PC, PS4, XBox One, Nintendo Switch
Getestet: Version 1.7 auf PC Intel Core i7-6700, 16GB RAM, GeForce GTX 745
Entwickler / Publisher: btf GmbH / Headup
Release: 12 März 2019 (PC); 17. April 2019 (Konsolen)
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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