Ultima

Es war einmal, im fernen Königreich Britannia, in dem ein Spieledesigner als König regierte und der Spieler zur Ikone aller Tugenden wurde. Richtig, die Rede ist von Ultima, einer Spieleserie, die zum Wegbereiter für gleich zwei verwandte Genres werden sollte.

Wir schreiben das Jahr 1980: Richard Garriott, ein knapp 19-jähriger Brite, der in Texas aufwuchs, nutzt seine Arbeitszeit in einem Computershop, um an einem Apple II Akalabeth: World of Doom zu programmieren. Inspiriert von Dungeons & Dragons-Abenteuern und den Werken von J.R.R. Tolkien schafft er ein – aus heutiger Sicht – primitives Rollenspiel: Lord British, das Alter-Ego des Designers, schickt den Spieler zehnmal in die Dungeons, um ein gewisses Monster zu erlegen. Das Spiel bietet eine für die damalige Zeit recht gute Grafik, vor allem die Wireframe-Repräsentationen der Dungeons stechen hervor. Kurz vertreibt Garriott das Spiel selbst, dann erwirbt die California Pacific Computer Company die Rechte. Ein kluger Schachzug, denn Akalabeth wird ein Hit: Über 10.000 Kopien gehen über den Ladentisch.

Ultima I: The First Age of Darkness (1980)

Doch es ist nicht Akalabeth, das Garriott berühmt machen soll, sondern sein Nachfolger, den er zuerst Ultimatum, später Ultima tauft (spätere Releases geben dem Spiel übrigens den vollen Namen Ultima I: The First Age of Darkness). Um Zeit zu sparen, entwickelt er erneut auf einem Apple II in Basic und kann daher viele Routinen aus dem Vorgänger verwenden. Diesmal entführt er den Spieler in das Königreich Sosaria, das in vier Kontinente zu je zwei Reichen aufgeteilt ist. Im Auftrag der Herrscher macht sich ein „Fremde“ von der Erde – also ihr – auf, den Magier Mondain zu töten, der das Land unterjocht. Doch dazu muss erst eine Zeitmaschine gefunden und aktiviert werden, denn Mondain ist seit nunmehr 1.000 Jahren unsterblich. Ultima ist eines der ersten Rollenspiele, das gezielt für den kommerziellen Markt entwickelt wird, und wartet mit einer wichtigen Neuerung für das Genre auf: Erstmals werden Grafik-Kacheln genutzt, um die Oberwelt detailreich und trotzdem speicherplatzsparend darzustellen. Damit nicht genug, vermischt Garriott auch noch die Genres, denn neben der Fantasy-Welt Sosaria gibt es auch einen Abschnitt, der im Weltall spielt – hier wird wohl der Vater des Designers, der Astronaut Owen Garriott, Inspiration gewesen sein. Ultima wird zum Erfolg: 30.000 Stück gehen über den Ladentisch, und das Spiel wird im Laufe der Zeit auf viele verschiedene Plattformen, wie zum Beispiel den C64 oder den PC, portiert.

Ultima II: Revenge of the Enchantress (1982)

Die Fortsetzung zu Ultima ließ nur knapp zwei Jahre auf sich warten. Diesmal ist die Gegnerin Mondains Schülerin/Geliebte Minax, die die Erde zerstört, um den Helden aus dem Vorgänger auszulöschen. Mit der Hilfe von Lord British, der ebenfalls ursprünglich von der Erde kommt, entkommt der Fremde und macht sich auf, Minax aufzuhalten und die Zerstörung seines Planeten rückgängig zu machen. Ultima II wird von Grund auf neu in Assembler geschrieben, was sich positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt, und die Städte unterscheiden sich endlich voneinander. Mit diesem Teil startet übrigens auch die Tradition der Goodies in der Spieleschachtel: Eine Stoffkarte zeigt, wie die Raum- und Zeitportale verbunden sind. Nach diesem Spiel gibt es allerdings auch einen Umbruch für Richard Garriott: Wegen eines Streits um Tantiemen gründet er seine eigene Spielfirma namens Origin.

Ultima III: Exodus (1983)

Nur ein Jahr später folgt der Abschluss der ersten Ultima-Trilogie – diesmal muss der Fremde Exodus, das Kind von Minax und Modain, aufhalten, das Britannia terrorisiert. Erstmals begleitet dabei eine Party den Helden auf seiner Reise zum verschollenen Kontinent Sosaria und zur Insel des Feuers, und der Kampf findet nun auf einem eigenen Bildschirm statt. Anstelle der Kämpfe sind nun Story, Dialoge und Puzzles in den Vordergrund getreten – sogar der Endboss kann nur mit Hirnschmalz bezwungen werden. Ultima III beeinflusst mit seinem Erfolg Spieledesigner weltweit und definiert das Genre der CRPGs – sogar die zwei berühmtesten japanischen Rollenspielserien Final Fantasy und Dragon Quest, die drei respektive zwei Jahre später erscheinen, lassen sich von Ultima III inspirieren.

Ultima IV: Quest of the Avatar (1985)

1985 beginnt eine neue Ultima-Trilogie, die die Serie nachhaltig verändern sollte. Die Anstatt wie in den Vorgängern einen Oberbösewicht zu präsentieren, dreht sich die Story diesmal um acht Tugenden, nämlich Ehrlichkeit, Leidenschaft, Ritterlichkeit, Gerechtigkeit, Ehre, Opfer, Spiritualität und Demut. Lord British sucht einem Avatar, der das Vorbild für alle Einwohner sein soll. Der Fremde aus den Vorgängern macht sich auf die Reise, um diese Tugenden durch Taten, aber auch durch Meditation an den entsprechenden Schreinen zu erlangen. Die Idee zu diesem System hatte Garriott, als er erkannte, dass in den Vorgängern unmoralische Taten wie Diebstahl oder Mord notwendig waren oder zumindest Vorteile brachten. Deshalb übernahm er aus der Hindu-Mythologie das Konzept des Avatars und seiner Tugenden. In Ultima IV bekam die Welt übrigens auch ihre endgültige Gestalt: Nach den Ereignissen aus Ultima III sind drei Viertel der Landmasse verschwunden, und Lord British wird zum Alleinherrscher über das neue Reich Britannia.

Ultima V: Warriors of Destiny (1988)

Diesmal wird der Avatar nach Britannia gerufen, um Lord British zu retten, der von Lord Blackthorn entmachtet wurde, der ein fundamentalistisches Regime über Britannia gebracht hat. In Ultima V wird besonders viel Augenmerk auf eine realistische Darstellung des Lebens in Britannia gelegt: Erstmals gibt es einen Tag/Nacht-Zyklus, und die NPCs gehen einem Tagesablauf nach. Ebenfalls neu war das Dialog-System, bei dem ihr durch das Tippen von Schlüsselworten oder Phrasen den anderen Figuren sagen könnt, worüber ihr sprechen wollt.

Ultima VI: The False Prophet (1990)

Ein paar Jahre nach den Ereignissen aus Ultima V verschlägt es den Avatar erneut nach Britannia. Gargoyles haben die Schreine der Tugenden besetzt, und so macht er sich gemeinsam mit seinen Gefährten auf, sie zu vertreiben. Bei Ultima VI wurde primär auf Verbesserungen statt auf große technische Revolutionen gesetzt. Zwar war mit dem PC erstmals ein 16-Bit-Rechner die Entwicklungsplattform, doch abgesehen von einer bunteren Grafik (auf Grund der gerade herausgekommenen VGA-Karten), Soundkartenunterstützung gibt es kaum technische Verbesserungen. Neu war dafür, dass die Städte erstmals direkt ein Teil der Welt sind – wurde bisher eine neue Map geladen, sobald man ein Stadt-Feld betrat, kann man in Ultima VI erstmals die Ansiedlungen aus mehreren Richtungen betreten. Ähnliches gilt übrigens auch für Dungeons, die in diesem Spiel erstmals wie die übrige Welt von oben gezeigt werden – auf die Ego-Perspektive der Vorgänger wurde verzichtet.

Ultima VII: The Black Gate (1992)

Der Guardian bedroht Britannia, und will das Reich – und den Avatar – unter seine Gewalt bringen. Also kehrt der Avatar zurück, und muss sich im Zuge seines Abenteuers mit einer religiösen Organisation namens The Fellowship herumschlagen, die scheinbar nur Gutes für die Bevölkerung tut, in Wahrheit aber für den Guardian arbeitet. Ultima VII gilt als der Höhepunkt der Saga, nicht zuletzt deshalb, weil das Spiel einen bislang ungeahnten Grad an Interaktivität bietet: Praktisch alles, was nicht niet- und nagelfest ist, kann verschoben werden (was teilweise auch notwendig ist, um improvisierte Treppen zu bauen oder Puzzles zu lösen), und man kann spielerisch nicht notwendige, aber durchaus atmosphärische Aufgaben erledigen, wie Brot backen, Kühe melken oder sogar Windeln wechseln. Das Volk reagiert nun auf die Taten des Avatars: Beobachtet ein Bürger einen Diebstahl oder Mord, kann es durchaus dazu kommen, dass man sich im Gefängnis wieder findet. Neu ist auch, dass die Zeit im Spiel konstant weiter läuft, weswegen auch die Kämpfe wieder an Action gewinnen – praktischerweise hilft eine KI beim Steuern der Gefährten. Gemeinsam mit der atmosphärischen Story und dem Bösewicht, der den Avatar noch länger verfolgen sollte, machten all diese Aspekte Ultima VII zu einem Highlight der Serie. Eine weitere Neuerung: Ultima VII war der erste Teil der Saga, der mit einem Add-on versehen wurde: Mit Forge of Virtue wurde ein Side-Quest hinzugefügt, der allerdings vor allem dazu diente, den Spieler nahezu unbesiegbar stark zu machen.

Ultima VII Part Two: Serpent Isle (1993)

Mit Black Gate war die Geschichte von Ultima VII noch nicht vorbei. Vielmehr war das umfangreiche Spiel in zwei Teile aufgespalten worden, dessen zweiter Teil 1993 unter dem Namen Ultima VII Part Two: Serpent Isle erschien. Der Avatar und seine Gefährten verfolgen ein Mitglied der Fellowship und landen auf einem fremden Kontinent, auf dem Lord British zwar bekannt, aber verhasst ist – In der Tat handelt es sich hierbei um einen der verschwundenen Teile von Sosaria. Serpent Isle nutzt dieselbe Engine wie Black Gate und spielt sich dementsprechend nahezu identisch. Einzig die Entscheidungsfreiheit wurde ein wenig eingeschränkt, denn während man noch im Vorgänger frei entscheiden konnte, in welcher Reihenfolge man die Subquests absolviert, ist Serpent Isle wesentlich linearer. Übrigens erscheint auch für Teil zwei eine Datendisk unter dem Namen The Silver Seed.

Ultima VIII: Pagan (1994)

Nachdem er den Avatar am Ende von Ultima VII Part Two gepackt und in die Leere gezogen hat, bringt er ihn nun in die Welt Pagan, ein Land, das der Guardian bereits erobert hat. Auf sich gestellt, muss der Avatar die Titanen, die über die vier Elemente herrschen, besiegen, um wieder nach Britannia zurückkehren zu können. War Ultima VII für viele der Höhepunkt der Serie, war Ultima VIII der Tiefpunkt. Garriott selbst gibt später zu, dass er zu sehr darauf geachtet hat, die Aktionäre zufrieden zu stellen, und sich zu wenig in die Entwicklung eingebracht hat. Die Kritikpunkte waren vielfältig: die zu kleine Welt, die Tatsache, dass der Avatar nun wieder allein unterwegs war, das Hack’n’Slash-Kampfsystem und Jump’n’Run-artige Sequenzen mit beweglichen Plattformen, die schwer zu absolvieren waren, störten die Fans. Einige dieser Probleme wurden später mit einem Patch bereinigt. Trotzdem war der Schaden schon angerichtet, die Verkaufszahlen konnten die Erwartungen nicht erfüllen, und eine geplante Erweiterung mit Namen The Lost Vale wurde gar nicht mehr veröffentlicht, obwohl sie schon fast fertig gestellt war. Dafür erschien ein Speech Pack.

 Ultima IX: Ascension (1999)

Kaum war Ultima VIII abgeschlossen, beginnen die Arbeiten an Teil IX, das in einer weiteren fremden Welt spielen soll. Doch Garriott entschließt sich, auf das Feedback der Fans zu hören, die wieder zurück nach Britannia wollen und ändert sein Konzept – und es soll nicht das einzige Mal bleiben. Zwar werden bereits 1996 die ersten Screens veröffentlicht, die Britannia aus der gewohnten Top-Down-Perspektive zeigen, doch dann verzögern die Arbeiten an Ultima Online das Spiel so weit, dass die Engine erneut überarbeitet werden muss, um mit den gerade aufkommenden 3D-Beschleunigern zusammenzuarbeiten. Mit Hilfe der neugefundenen Hardware-Power entscheidet man sich für eine Third-Person-Perspektive von hinten à la Tomb Raider. Als dann 1998 auch noch mehrere Designer das Projekt verlassen, greift Richard Garriott persönlich ein und ändert die Geschichte ein letztes Mal, wobei er allerdings auf das bereits bestehende Material – unter anderem bereits finalisierte Cutscenes – zurückgreift: Der Avatar kehrt von der Erde nach Britannia zurück (obwohl er eigentlich schon am Ende von Pagan nach Britannia gebracht wurde), und findet ein Land vor, das vom Guardian unterjocht wird. Ein letztes Mal macht sich der Avatar auf, die Schreine der Tugenden zu reinigen und die Ordnung im Land wiederherzustellen. Am Ende des Spiels muss er erkennen, dass der Guardian in Wahrheit seine eigene dunkle Hälfte ist. Um Britannia zu retten, begibt er sich gemeinsam mit dem Guardian auf eine höhere Ebene des Seins.

Die Spin-offs

Nicht nur die hier vorgestellten zehn Spiele der Hauptreihe machen Ultima aus, sondern auch einige Spin-offs sollen nicht unerwähnt bleiben. Da wären zunächst die beiden Spiele der Worlds of Ultima-Serie, die zeitlich nach Ultima VI spielen und den Avatar in eine Dschungelwelt (The Savage Empire, 1990) beziehungsweise auf den Mars (Martian Dreams, 1991) bringen. Beide Spiele griffen auf die Ultima VI-Engine zurück. Ebenfalls nach Ultima IV spielt Ultima Underworld: The Stygian Abyss (1992), das noch vor dem  Wolfenstein 3D eine scrollende 3D-Spielwelt auf den Monitor brachte. Allerdings merkte man dem Spiel deutlich an, dass es ursprünglich kein Ultima-Titel war und erst später an die Reihe angepasst wurde. Das Sequel Ultima Underworld II – Labyrinth of Worlds (1993) spielte zeitlich zwischen den beiden Ultima VII-Teilen und bot einen eigenen Plot rund um den Guardian. Es war deutlich besser in die Ultima-Reihe integriert. Das wohl berühmteste Spin-off der Ultima-Reihe ist allerdings das 1997 gestartete Ultima Online, das maßgeblich an der Definition des MMO-Genres beteiligt war. Das Markenzeichen des Titels sind – wie in der Hauptreihe – die acht Tugenden, die es zu achten gibt, sowie das Learning-By-Doing-Prinzip, das mit vielen verschiedenen Skills aufwartet, in denen sich der Spieler verbessern kann. Zu seinen Hochzeiten hatte das Spiel 250.000 zahlende Spieler und es hält acht Weltrekorde, darunter den für das erste MMO, das 100.000 Mitglieder hatte. Mittlerweile ist die neunte Expansion geplant, zwei Sequel-Projekte (Ultima Online 2 und Ultima X: Odyssey) waren geplant, wurden allerdings nie vollendet. Erst in den letzten Jahren erinnerte sich EA offensichtlich wieder an die Marke, und entwickelte mit dem (mittlerweile in den letzten Zügen liegenden) F2P-Strategiespiel Lords of Ultima sowie dem von Mythic entwickelten Free2Play Action-Rollenspiel Ultima Forever: Quest for the Avatar neue Spiele im alten Universum. Für Fans waren allerdings beide alles andere als befriedigend. Diesen bleibt nur die Erinnerung an die alten Glanzzeiten – und die Hoffnung auf eine Rückbesinnung. Irgendwann.

Ein Gastbeitrag von Florian Scherz

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