Klassische Arcade Action! Wer das sucht, wird mit dem aktuellen Spiel des Publishers „The Arcade Crew“ wieder einmal gut bedient. Mit Vengeful Guardian: Moonrider vom brasilianischen Ministudio JoyMasher ist eines der besten Retro Actionspiele der letzten Monate erschienen.
Klassische Arcadespiele sind tot, heute gibt es nur noch Unreal 5-Engine 3D-Grafikmonster mit ultrarealistischer Umgebungsdarstellung. Könnte man glauben, aber in Wahrheit wird Steam derzeit von einer Flut von amateurhaften Billigproduktionen geflutet, die meistens nicht einmal die Zeit wert sind, sich das Intro anzusehen. Aktuelle Game-Engines (wie Unity oder RPG Maker) in Verbindung mit den vielen dafür erhältlichen Assetpacks machen die Erstellung von Spielen auch für absolute Freizeitentwickler ohne Talent (oder Fließbandentwickler, die wöchentlich ein Spiel abliefern müssen…) immer einfacher. Zum Glück gibt es immer wieder Ausnahmen, die noch mit Herz und Liebe gemacht wurden und nicht nur ein weiterer Clone des gerade angesagten Genres (aktuell: der 100ste unterirdisch schlechte Vampire Survivors Nachahmer…) sind. Vengeful Guardian: Moonrider ist so ein Spiel, das positiv aus der Masse der Neuerscheinungen heraussticht.
Klassisches Spielprinzip: Run’n Gun und Jump’n Run
Sonderlich innovativ ist das Spielprinzip von Vengeful Guardian: Moonrider jedoch auch nicht. Es ist den Klassikern nachempfunden, die bereits in den 80ern auf Konsole und in den Spielhallen zu finden waren. Es handelt sich um ein seitwärts scrollendes Jump and Run, das das goldene Zeitalter klassischer 16-Bit Konsolenspiele aufleben lässt. Wir gehen, laufen und springen durch die Landschaft, auftauchende Gegner eliminieren wir mit unserem Langschwert. Wir können uns ducken und einen Spezialangriff (sofern wir die dafür nötige Energie haben) einsetzen. Neue Waffen bekommt ihr von den erledigten Boss Gegnern, eine Motorradsequenz sorgt für ein wenig Abwechslung. Mich hat das Spiel sehr an das Ninja Spiel Shinobi aus dem Jahr 1987 erinnert, nur die Wurfsterne haben gefehlt.
Auch die Hintergrundgeschichte ist einfach und leicht zu verstehen, wie bei einem der frühen Schwarzenegger-Filme aus den 80ern, wo Arnold im ganzen Film kaum zehn Sätze sagen musste und dennoch der unzweifelhafte Held der Story war. In Vengeful Guardian: Moonrider spielen wir einen Kampfroboter, der erschaffen wurde um ein tyrannisches Regime mit brutaler Gewalt zu verteidigen. Allerdings hat bei unserer Programmierung jemand gepfuscht, und so wenden wir uns gegen unsere Schöpfer und metzeln nun diese anstelle der aufmüpfigen Regimekritiker nieder.
Retter der Unterdrückten
Die Menschheit findet in Vengeful Guardian: Moonrider einen unwahrscheinlichen Helden: Die autoritären Machthaber haben Supersoldaten als Kriegswaffen erschaffen, um die Menschheit zu unterdrücken. Bei der Produktion des Ninja-Roboters Moonrider ist aber etwas schief gegangen. Der Moonrider, der als Werkzeug zur Aufrechterhaltung des totalitären Staates entwickelt wurde, verweigert sich seinem eigentlichen Zweck und kämpft stattdessen unbarmherzig gegen seine Schöpfer und deren andere Supersoldaten.
The last couple of years have been pretty intense for everyone. We tried to portray some of our collective struggles and fears of the past three years in the game and we hope it is as cathartic of an experience for you playing it as it was for us making it.
Nachdem ihr das erste Level geschafft habt, könnt ihr weitere sechs Level (mit Ausnahme des finalen achten Levels) frei anwählen. Ihr könnt im Verlauf des Abenteuers (gut versteckte) Chips finden, mit denen ihr euren Roboter verbessern könnt. Beispielsweise wird die Reichweite eures Schwertes erhöht oder ihr heilt euch, indem ihr Feinde vernichtet. Dazu stehen zwei Slots zur Verfügung, in die ihr bereits gefundene Chips einsetzen könnt. Am Ende eines jeden Levels wird euch die dafür benötigte Zeit angezeigt, was das Spiel auch für Speedrunner interessant macht. Eure Leistung nach jedem Level wird auch im (amerikanischen) Schulnotensystem bewertet.
JoyMasher – Retrospiele seit 2012
Die Entwickler nennen sich JoyMasher und sind zwei Retrofans aus Brasilien, die seit 2012 zusammen arbeiten. Es handelt sich um Danilo Dias and Thais Weiller, und Vengeful Guardian: Moonrider ist nicht ihr erstes Spiel. Die beiden haben bereits drei weitere durchaus gute Retro-Actionspiele veröffentlicht. Ihre erste Veröffentlichung auf Steam war 2014 Oniken, das auch direkt auf einer klassischen 8-Bit Konsole erscheinen hätte können. Danach kam 2015 Odallus, eine gut gemachte Hommage an das epische Castlevania. Mit dem 2019 erschienenen Blazing Chrome erfolgte dann der Umstieg auf 16-Bit Grafiken. Ihr werdet nur wenig bessere Contra Clones finden – inklusive dem hammerharten Schwierigkeitsgrad. Blazing Chrome ist für zwei (lokale) Spieler:innen konzipiert, wenn ihr mit einem Freund spielt wird es deutlich einfacher. Das neue Vengeful Guardian: Moonrider ist wieder ein reines Einzelspielergame.
Zusammenfassung
Grafik
Die Grafik ist den Klassikern der 90er nachempfunden. Eine eingeschränkte Farbpalette, eine (scheinbar) niedrige (pixelige) Auflösung (CRT Filter kann zugeschalten werden), relative grobe Animationen. Pixel Art eben. Hier wurde nicht versucht, aktuelle Zeichentrickfilmqualität zu erreichen, sondern ein Retrofeeling zu erzeugen. Und das ist auch vollends gelungen. Ihr könnt das Spiel unter FullHD genauso wie auf einem aktuellen 4K Fernseher genießen.
Sound
Keine Sprachausgabe, kein orchestraler Soundtrack, gerade mal eine deutsche Übersetzung der (wenigen) Texte. Dafür Soundeffekte und ein Soundtrack, die auch das Megadrive oder das SNES so hinbekommen hätte.
Handling
Die Steuerung mit dem Controller funktioniert ohne Probleme. Mit Maus und Tastatur würde ich das Spiel eher nicht angehen, möglich ist es aber durchaus. Speicherstände in der Cloud (3 Spielstände) werden unterstützt, was ganz nützlich ist, wenn ihr mal auf einem anderen Rechner weiterspielen wollt.
Spieldesign
Das Spiel ist nichts für Weicheier. Ihr habt eine Lebensenergieleiste, die bei jedem Treffer, jeder Berührung mit Feinden oder bestimmten Teilen der Umgebung (wie die von allen geliebten aus dem Boden ragenden Spieße, oder unter Strom stehenden Metallteilen) abnimmt. Auffindbare Energiepacks füllen die Energie zum Teil wieder auf, wenn eure Lebensenergie jedoch verbraucht ist, werdet ihr an den letzten automatischen Speicherpunkt zurückgesetzt. So wirklich klassisch schwierig ist das Spiel jedoch nicht – erstens hält euer Roboter schon ein paar Treffer aus, und zweitens habt ihr unendlich viele Leben und müsst also nie ganz von vorne anfangen. Allerdings sind die Speicherpunkte nicht unbedingt alle drei Meter, sondern erfordern oft das nochmalige Durchqueren von einigen Räumen (samt ihrer wiederbelebten Feinde).
Motivation
Der Schwierigkeitsgrad ist nicht extrem hoch, mit dem richtigen Timing und dem Einsatz der richtigen Aktionen – Laufen, Springen, aus der Luft heraus angreifen – sind alle Passagen sogar ohne Energieverlust zu schaffen. Also theoretisch, denn in der Praxis müsst ihr dafür wohl ordentlich trainieren und außerdem ein gewisses Talent für Actionspiele haben. Oft hilft auch eine von einem Boss in einem bereits absolvierten Level eroberte Spezialwaffe. Ich war jedenfalls froh, irgendwie durch die meisten Level zu kommen und die Bosskämpfe zu überleben. Auch wenn es nur mit dem letzten Balken meiner Lebensenergie war. Bereits geschaffte Level bleiben übrigens freigeschalten.
FAZIT
Kämpft euch mit eurem Kampfroboter durch acht anspruchsvolle Level. Wenn ihr gut seid, erreicht ihr in wenigen Stunden das Ende. Wenn ihr schlecht seid, vernichtet ihr ein paar Controller bei euren Wutanfällen. Objektiv betrachtet ist der Schwierigkeitsgrad des klassischen, seitwärts scrollenden Arcade Abenteuers jedoch sehr moderat und durchaus schaffbar, vor allem weil ihr relativ viele Treffer einstecken könnt, Lebenspunkte häufig zu finden sind, Endgegner vergleichsweise einfach zu besiegen sind und absolvierte Level freigeschalten bleiben. Euch erwartet ein Retro Actionspiel wie auf einer 16-Bit Konsole (Sega Megadrive oder SNES). Wer so etwas sucht, liegt bei Vengeful Guardian: Moonrider absolut richtig.