Nachdem Entwickler Paradox die Fans seiner Spieleserie Victoria über ein Jahrzehnt schmoren ließ, dürfen diese nun endlich in Victoria 3 einen Staat durch das Jahrhundert der Industrialisierung führen. Wie erfolgreich dies umgesetzt wurde verrät euch der Test.
Wir leben in interessanten Zeiten
Während man in Crusader Kings seine Dynastie durch das Mittelalter bringt und zu Ruhm und Ehre verhilft, Europa Universalis die Nation in die Zeit der Aufklärung bringt und Hearts of Iron die Periode des zweiten Weltkrieges überstehen muss, ist Victoria in der Zeit von 1836 bis 1936 angesiedelt. Spieler:innen haben also ein ganzes Jahrhundert Zeit um die gewählte Nation durch diese turbulenten Jahre zu führen.
Komplexität liegt im Auge des Betrachters
Und hierfür hat sich Strategie- und Simulationsspezialist Paradox wirklich ins Zeug gelegt. Die Bevölkerung der Staaten der ganzen Welt sind inkludiert mit deren Glauben, demographischer und ethnischer Zusammensetzung, Regierungsform sowie speziellen Wünschen und Verlangen. Fügt man noch diverse diplomatische Beziehungen der Staaten untereinander, sowie die politischen Parteien jedes Landes hinzu und ihr habt als zukünftiger Staatsführer alle Hände voll zu tun, eure Bevölkerung bei Laune zu halten.
Das Glück anderer Leute
Die Zeit der beginnenden Industrialisierung bringt genügend Herausforderungen mit sich. Während die ehemals herrschenden Schichten der Adligen und Landbesitzer ihre Pfründe schwinden sehen sind die Industriebosse und Gewerkschaften im Aufwind. Doch auch die Intelligenzija möchte gesellschaftlichen Aufschwung, während das normale Bürgertum einfach nur überleben möchte. Ein reifer Boden für die Radikalisierung von Unzufriedenen, welche man durch Gesetze sowie Dekrete zufrieden zu stellen hat. Gleichzeitig möchte der Handel und der wissenschaftliche Aufschwung nicht vergessen werden. Und nebenbei sollte der Staat auch nicht pleitegehen, was leider allzu oft und schnell geschehen kann. Jeglicher Neubau kostet Rohstoffe und Materialien, welche eine Wirtschaft schnell in Schulden bringen können, bevor das Bauvorhaben überhaupt abgeschlossen ist. Ohne moderne Einrichtungen gibt es jedoch kein Einkommen, keinen Wohlstand und damit auch kein langes Bestehen des Staates. Zu guter Letzt muss man sich auch noch mit den Interessen anderer Staaten beschäftigen, welche auch ein möglichst großes Stück des Weltkuchens für sich beanspruchen möchten.
Krieg ist Politik mit anderen Mitteln…
Dass der Krieg oft das letzte Mittel in den diversen diplomatischen Beziehungen dieser Zeit war ist nichts neues. Jedoch ist er nicht das Hauptelement von Victoria 3. Ein militärischer Konflikt wird – in der Regel – via diplomatischer Auseinandersetzung begonnen. Hier kann man Verbündete und andere Interessierte versuchen auf seine Seite zu ziehen, oder das Gegenüber dazu bringen zurück zu stecken, bevor die Waffen sprechen. Geschieht dies nicht, kann man seine Truppen mit Generälen versehen an die Fronten schicken. Dort geschieht dann alles automatisch und die Seite, die zuerst kriegsmüde wird, gibt irgendwann auf. Dies ist zwar nicht sonderlich beeindruckend für einen durchaus elementaren Teil des Spiels und auch nicht immer völlig durchschaubar.
Zusammenfassung
Grafik
Die Grafik ist durchwegs bunt gestaltet und zeigt in höheren Zoomstufen ansehnliche Landschaften mit vielen Details, wie etwa fahrenden Zügen. Wer nicht ganz so weit hineinzoomt kann die einzelnen Nationen und Provinzen sehen und verwalten. In den diversen Kartenmodi, kann der Spieler unterschiedliche Informationen sammeln. Das Interface ist dabei zwar grundsätzlich übersichtlich gestaltet, aber auch sehr textlastig und es gibt sehr viel zu Lesen.
Sound
Die orchestrale Untermalung von Victoria 3 ist jederzeit stimmig, wie man es von den Paradox Spielen eigentlich auch gewohnt ist. Auch die diversen Soundeffekte untermalen das Spielgeschehen passend.
Handling
Einerseits bemühen sich die Entwickler so viele Infos so einfach wie möglich unterzubringen. Andererseits hat man als Spieler:in manchmal eine harte Zeit, jeglichen Zusammenhang der einzelnen Funktion zu finden und zu verstehen. Grundsätzlich hat man viele Möglichkeiten die Übersichtsleisten selbst zu konfigurieren, sodass man die gerade wichtigen Infos stets im Blick hat. Nur der Newsticker sollte teilweise länger angezeigt werden (oder eine Historie-Funktion beinhalten).
Spieldesign
Die Entwickler haben diverse unterschiedliche Bereiche der Staatsführung zusammengebracht und es geschafft ein großteils überraschend realistisches, wie stimmiges Bild zu erschaffen. Einige wenig nachvollziehbare Ergebnisse/Ereignisse mögen entweder an noch vorhandenen Bugs oder der Vielzahl an Komponenten liegen.
Motivation
Die Informationsfülle und die Möglichkeit unterschiedlicher Zielsetzungen in sehr verschiedenen Staaten sichert eine langfristige Motivation sich an der Staatenführung zu versuchen.
FAZIT
Für die große Fanbase von Paradox im Allgemeinen und der Victoria Reihe im Besonderen, dürfte Victoria 3 ziemlich nahe die Erfüllung ihrer Wünsche bedeuten, vor allem nachdem sie zwölf Jahre darauf warten mussten. Die Komplexität ist erstaunlich, kann einen aber mitunter durch die vielen Möglichkeiten udn auch Texte auch etwas erschlagen. Wer sich jedoch Simulations/Paradox Fan nennt, für den dürfte dies kein Hindernis sein viele herausfordernde Stunden in der Welt von Victoria 3 zu verbringen.