Angst. Wie ein Parasit nährt sie sich von meinen Nerven, lähmt meinen Körper, erfriert jeden rationalen Gedanken in eisiger Kälte. Was habe ich nur getan? Wie konnte ich in diesem Alptraum landen? Ich bin versunken in der Dunkelheit. Begleitet vom monotonen Rhythmus meines Herzschlages und dem rasselndem Klang keuchender Atmung. Ich spüre wie mein Herz schneller schlägt, der Druck in meinem Kopf steigt. Dieses Keuchen, welches die Stille zerreißt, es ist nicht das meine. Ich habe schon lange nicht mehr gewagt nach Luft zu holen. Plötzlich höre ich wie sich dieses schreckliche Atmen mit schlurfenden, kleinen Schritten auf mich zu bewegt. Ich greife nach meinen Fotoapparat, vielleicht kann der Blitz den Schrecken in der Dunkelheit offenbaren. Ein Gedanke für den ich bitter bezahlen sollte …
Legenden schafft der Tod
Legenden schafft der Tod, so heißt es. Vielleicht auch deshalb spukt P.T. noch in den Köpfen derjenigen herum, welche das Glück hatten es spielen zu können. Denn 2014 kündigten Hideo Kojima und Guillermo del Torro ein Silent Hills in Form eines – inzwischen legendären – Playable Teasers an. Aus der Ego-Perspektive konnten wir darin ein Haus erkunden dessen Inneres von schrecklichen Wesenheiten heimgesucht wird. Durch geschickte Regie und durchdachte Kniffe schafften es die beiden Meister ihrer Kunst uns mit einem bisher so nicht erlebten Angstgefühl zu konfrontieren. Umso größer war die Enttäuschung der Fans, als Silent Hills nach Differenzen zwischen Kojima und Konami eingestellt wurde.
Doch auch wenn wir niemals in den Genuss kommen werden die Schrecken von Silent Hills zu erleben, so hat P.T. doch das zuletzt sehr angestaubte Horror-Genre reanimiert. Layers of Fear und Outlast gehören für mich zu den besten Horror-Titeln überhaupt. Ob es sie ohne den P.T. in dieser Form gegeben hätte darf bezweifelt werden. Ich hatte die letzten paar Tage die Chance einen Blick auf den nächsten geistigen Erben Silent Hills zu werfen: Visage. Nach einem ca. sechsstündigen Höllenritt bin ich mir sicher, dass ich es hier nicht nur mit einem weiteren Horror-Game zu tun hatte, sondern vielleicht mit dem zukünftigen König des Genres.
Der Geist und die Dunkelheit
In der Early Access Version von Visage erleben wir eines der, in der fertigen Version, insgesamt vier Kapitel. Obwohl natürlich noch sehr limitiert entpuppt sich „Lucy´s Chapter“ als schon sehr intensiv. So werden wir zu Beginn Zeuge eines Dreifachmordes plus Suizid des Mörders. Sekunden später wachen wir in einem Haus voller dunkler Korridore und unheimlicher Geräusche auf.
Visage entfaltet seinen Horror langsam. Mal zerspringt eine Glühbirne, es schaltet sich der Fernseher von alleine ein oder es erscheinen Zeichnungen an Wänden, wo noch kurz zuvor keine waren. Die Tatsache, dass viele dieser Situationen zufallsgeneriert sind, machen das Erlebnis in Visage herrlich unberechenbar. Die alles beherrschende Dunkelheit erleichtert die Situation für uns nicht unbedingt. Steht unser Charakter zu lange im Dunkeln verliert er – Cthulhu lässt grüßen – mentale Stabilität. Je instabiler unser Geisteszustand, desto heftiger werden die Zwischenfälle im Haus und umso gefährlicher wird die übernatürliche Präsenz, welche darin ihr Unwesen treibt. Zum Glück findet man immer wieder Feuerzeuge, damit man zumindest die Hand vor Augen sieht. Im späteren Verlauf des Kapitels entdeckt man auch eine alte Fotokamera mit Blitzlicht. Dieses verdammte Teil ist für einige der unangenehmsten sowie gruseligsten Momente verantwortlich, die ich seit langem in einem Horrorspiel erleben durfte. Man ahnt nicht wie viel Grauen in einem Bruchteil von Sekunden liegen kann.
Atmosphärisch fährt Visage ganz großes Kino auf, es strotzt vor tollen Licht- und Schattenspielen. Der Detailgrad ist ebenfalls erstaunlich: Betrachtet man einen Gegenstand, so kann man in der Reflektion des Lichts alte Fingerabdrücke sehen. Bei der Inszenierung beweist Visage, dass guter Horror auch subtil sein kann. Wenn man zum Beispiel erst beim dritten Mal hinsehen merkt, dass etwas zum Fenster rein sieht. Oder ein Kuscheltier für Kinder nach kurzem Wegsehen plötzlich wo anders sitzt als zuvor. Genau diese kleinen Momente treffen mein Angstzentrum mit einer Präzision, wie ich es schon lange vermisst habe.
Seine Geschichte erzählt Visage – zumindest im Early Access – durch seine Umgebung. Es wird recht klar, dass sich eine Tragödie ereignet hat, welche eine Familie in ein tiefes Trauma stürzte. Ich bin mir aber sicher, dass wir in der fertigen Version noch einiges an Storydetails bekommen werden. So gibt es Räume, die wir in der derzeitigen Version von Visage noch nicht betreten können. Auch bin ich mir sicher, dass wir im fertigen Spiel das Kapitel in seiner Inszenierung nicht eins zu eins so erleben werden wie jetzt. Den in der Early Access enthaltenen Abschnitt hat man übrigens in etwa 4 bis 6 Stunden absolviert, für die spätere Vollversion versprechen die Entwickler insgesamt vier Kapitel mit einer Spielzeit von etwa 20 Stunden.
FAZIT
Ich verfolge die Entwicklung von Visage schon seit geraumer Zeit. Als großer Fan von Spielen wie Layers of Fear oder dem ersten Outlast schien Visage genau in die Richtung zu schlagen, die ich mir von einem Spiel dieses Genres erwarte. Starke Atmosphäre und Grusel jenseits von Jump Scares. Visage verfügt zwar auch über solche Schreckmomente, diese sind jedoch nicht inflationär eingesetzt und in der Regel so gut platziert, dass sie einen immer wieder kalt erwischen. Das Mysterium rund um das Schicksal der Familie des Hauses bzw. der Entität, welche es heimsucht, wird gut angedeutet, aber in der jetzigen Version noch nicht restlos aufgeklärt. In seiner derzeitigen Form konfrontierte mich Visage bereits mit einigen der schaurig-schönsten Momenten seit langem. Ich liebe Layers of Fear, aber Visage hat das Zeug meine neue Nummer Eins im Horror-Genre zu werden. Ein Trip durch die Hölle und ich freue mich darauf!
Was ist Visage?: Ein Horror-Game im Geiste des P.T. zu Silent Hills
Plattformen: PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows
Getestet: PC auf Intel Core i5-4440, 8GB RAM, GeForce GTX 750
Entwickler / Publisher: SadSquare Studio / SadSquare Studio
Release: 2. Oktober 2018 (Early Access)