Filmkritik: 1917

Schon bei James Bond 007: Spectre hat Ausnahme-Regisseur mit der Illusion einer langen, durchgehenden Einstellung in dessen Intro-Sequenz herumexperimentiert. Die Methodik schien ihm zu gefallen, denn bei seinem Weltkriegs-Drama 1917 zieht er sie über den kompletten Film hinweg durch. Das hat dem Film viel Aufmerksamkeit verschafft, doch ist es auch der Grund für die vielen Preise die er in der vergangenen Award-Saison abräumen hat können?

INHALT

An der französischen Front im Frühjahr 1917, bereiten sich die britischen Truppen auf einen Angriff gegen die im Rückzug befindlichen Truppen vor, als ein Aufklärungsflug eine folgenschwere Entdeckung macht. Der Rückzug ist nur vorgetäuscht, in Wahrheit liegt der Feind in Warteposition und wartet nur darauf, dass die Gegner in die Falle laufen.

In der Kommando-Zentrale, selbst unter schwerem Beschuss, beschließt man aus Mangel an Alternativen, zwei Soldatenden zu Fuß und ohne weitere Unterstützung mit einer Nachricht zu Colonel Mackenzie zu schicken, der besagte und zum scheitern verurteilte Offensive befehligen soll, rechtzeitig zu informieren. Die Wahl fällt auf den Veteranen William Schofield und den jungen Tom Blake, dessen Bruder sich ebenfalls unter den zum Tode verurteilten an der Front befindet, sollten die beiden ihren gefährlichen Auftrag nicht erfüllen können.

© 2019 Universal Pictures and Storyteller Distribution Co., LLC. All Rights Reserved.

KRITIK

Die dem Film zugrundeliegende Plot-Struktur gestaltet sich zwar erstaunlich simpel, versteht es aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, von der ersten bis zur letzten Minute mitzureißen. Denn die beiden Männer, die alles geben um inmitten dieses schrecklichen Krieges unter Zeitdruck von A nach B zu kommen, stolpern von einem Hindernis ins nächste. Die beiden haben kaum Gelegenheit zu verschnaufen und genau das ist auch der Grund, warum die oben schon erwähnte One-Shot Methode so perfekt zu diesem Film passt.

Auch wenn 1917 nicht wirklich in Echtzeit abläuft und es Mithilfe einiger Kunstgriffe dann doch schafft, innerhalb der Laufzeit einen ganzen Tag vergehen zu lassen, so hat man als Zuschauer doch immer das Gefühl in jedem Moment dieser Odyssee dabei zu sein und, genau wie die Protagonisten, niemals zur Ruhe zu kommen, weil uns hinter der nächsten Hauswand oder im nächsten Graben bestimmt eine noch größere Gefahr erwartet. Die wenigen ruhigen Momente nutzt der Film dann gekonnt, um den beiden, eingangs kaum etablierten Soldaten, gerade genug Charaktertiefe zu geben um sie menschlich und nachvollziehbar zu machen.

Ebenfalls beeindruckend ist der Grad an Detailverliebtheit bei der Darstellung des ersten Weltkrieges. Das bezieht sich nicht nur auf das hervorragende Set- bzw. Kostümdesign. Selten hat sich ein in dieser Ära handelnder Film so authentisch angefühlt. Selbst die Art und Weise wie die Akteure miteinander sprechen wirkt antiquiert und einfach passend. Aber auch hier trägt wohl die ständig anwesende und nicht auslassende Kamera ihren Teil dazu bei, dem Ganzen noch ein extra Quäntchen Realismus zu verleihen.

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Auch die Besetzung ist hervorragend gelungen. Unsere beiden Protagonisten werden von relativ unbekannten Mimen verkörpert (George MacKay und Dean-Charles Chapman), um ihre Stellung als einfaches Fußvolk zu verdeutlichen. Dem entgegen stehen bekannte Charakterdarsteller wie Colin Firth oder Benedict Cumberbatch in den wichtigen, aber doch kleinen Nebenrollen der Offiziere, die in letzter Instanz über Leben und Tod von eben jenem Fußvolk entscheiden. Und sie alle machen ihre Sache ganz hervorragend, auch hier wirkt 1917 wie aus einem Guß.

Was den Film aber letztendlich wirklich zu einem absolut sehenswerten Stück Kino macht, ist nicht die ungewöhnliche Abfolge des zu sehenden, sondern die atemberaubenden Bilder selbst. Kamera-Genie Roger Deakins hat sich ein weiteres Mal selbst übertroffen. Niemand anderer in der Branche versteht es, so wunderschöne Bilder auf Film zu bannen, völlig unabhängig davon wie erschreckend der Inhalt der Bilder auch sein mag. Aber auch die anderen technischen Aspekte lassen kaum Spielraum für Kritik, hier wurde an allen Enden erstklassige Arbeit geleistet. Das gilt im übrigen auch für den treibenden Soundtrack, auch wenn der in manchen Momenten dann doch ein wenig an Hans Zimmers Score zu Dunkirk erinnert.

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FAZIT

Betrachtet man 1917 ganz streng als Narrative, muss man zugeben, dass der Film sicher nicht das Rad des Kriegsfilms neu erfindet. Das muss er aber auch gar nicht, um sein Publikum zu fesseln. Das schafft er durch ein atemloses Pacing und den Kunstgriff, den Film wie eine einzige, fortlaufende Einstellung wirken zu lassen. Der taucht zwar immer wieder in Filmen auf, hat aber nie zuvor so wunderbar zur Handlung gepasst. Dazu kommt noch, dass die nicht abreißende Bilderflut, dank Kamera-Legende Deakins, an Brillianz und Schönheit kaum zu überbieten ist. Alles in allem ganz großes Kino, nicht nur für Anhänger des Genres, sondern für alle die staunen wollen, was sich mit einem guten Konzept und einem noch besseren Team alles machen lässt.

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