Filmkritik: Der Unsichtbare

Marvel hat es vorgemacht: Man nimmt diverse bekannte Figuren einer beliebten Marke, baut sie in eigenen Filmen auf und lässt sie auf lange Sicht gemeinsam in einem bombastischen Blockbuster aufeinander treffen. Das dachte sich auch Universal. Das Filmstudio wollte im sogenannten Dark Universe bekannte Filmmonster wie Dracula, Frankenstein, Jekyll & Hyde und eben den Unsichtbaren zusammenführen und jene Höhen erklimmen, in denen der fette Schotter wartet geschaufelt zu werden. Allerdings entpuppte sich bereits der erste Film der Reihe – Die Mumie – als grandioser Griff ins Klo. Mit Der Unsichtbare erleben wir eine weitere Neuinterpretation eines bekannten Klassikers, doch diesmal ohne Blick auf ein größeres Universum. Eine gute Idee?

Auf den ersten Blick scheint Cecilia Kass (Elisabeth Moss) das große Los gezogen zu haben. Liiert mit dem reichen und genialen Wissenschaftler Adrian Griffin (Oliver Jackson-Cohen), steht einem Leben in Glück, Sicherheit und Stabilität nichts mehr im Wege. Auf den zweiten Blick entpuppt sich dieser Schein jedoch als trügerisch, denn Cicilia ist eine Gefangene in einem Käfig aus Gold. Es gibt keinen Bereich in ihrem Leben, der nicht der Kontrolle ihres Partners unterliegt. Körperlicher Missbrauch ist ebenso Teil ihres Alltags wie seelische Folter. Als es der jungen Frau gelingt, sich der manischen Kontrollsucht des Wissenschaftlers zu entziehen und Unterschlupf bei einem Freund ihrer Schwester findet, erreicht Cicillia die Nachricht, dass sich Adrian nach ihrer Flucht das Leben genommen hat. Doch als sich plötzlich seltsame Dinge in Cicillias Umfeld ereignen, beginnt sie den Tod Adrians anzuzweifeln. Hat er seinen Tod nur vorgetäuscht und bringt nun als Unsichtbarer Terror in das Leben seiner Exfreundin? Immerhin war er als Wissenschaftler ein Pionier im bereich der Optik. Oder hat Cicillias Seele in den Jahren der Beziehung so schwere Narben erhalten, dass Adrian nicht mal mehr am Leben sein muss um ihr ihr Dasein zur Hölle zu machen?

© 2003 – 2020 Universal Pictures Germany.

Kritik

Gerade im Horror-Genre kann man sich nicht über einen Mangel an unkreativen Neuauflagen diverser Größen des Genres beschweren. So fand auch H.G. Wells´ Der Unsichtbare in einigen eher uninspirierten Inkarnationen seinen Weg auf die große Leinwand. Bei der neuesten Interpretation der Schauer-Mär handelt es sich allerdings nicht um eine solche. Regisseur Leigh Whannell verlegt seine Version des durchsichtigen Schurken weg vom Horror und bettet ihn in einem Psycho-Thriller mit (möglichen) Sci-Fi Elementen ein. Diese Wahl kommt nicht von ungefähr, denn Whannell konnte sich als Autor und Hauptdarsteller des ersten Saw einen Namen machen.

Whannells Drehbuch hebt das Thema Stalking in eine fantastischere Ebene und spielt geschickt mit den Erwartungen. Während Cicillias Umfeld immer mehr an deren geistiger Gesundheit zweifelt, glaubt der Zuschauer immer etwas mehr zu wissen. Ein Faktum, dass sich dank einiger narrativer Kniffe als Irrtum entpuppt. Das Writing baut einen konstanten Spannungsbogen auf und gibt allem voran Cicillia genug Zeit und Raum sich zu entwickeln. Einzig das Ende empfand ich als wirkliche Schwäche der Erzählung, da die moralische Frage, die der Film in seinen letzten Momenten stellt, einiges kaputt macht, dass er zuvor toll aufgebaut hatte.

Schauspielerisch kann Der Unsichtbare mit einer exzellenten Hauptdarstellerin punkten. Elisabeth Moss porträtiert zu jeder Sekunde glaubhaft den psychologischen Verfall, die Verzweiflung und die Angst ihrer Figur. Untermalt wird dies durch die geschickte Regie Leigh Whannells, welcher auf große Spezialeffekte verzichtet und sich kleinerer Tricks, wie eine gut gewählte Kameraperspektive, bedient, um so den Eindruck zu vermitteln, dass die Hauptfigur möglicherweise doch nicht allein im Raum ist. Ohne Schnick-Schack und viel Aufwand entsteht eine zum schneiden dichte Atmosphäre, welche über die gesamte Laufzeit von 125 Minuten hindurch fesselt.

© 2003 – 2020 Universal Pictures Germany.

FAZIT

Der Unsichtbare hat mich sehr überrascht! Die Abkehr von einem Dark Universe und die Umsetzung mit kleinerem Budget entpuppt sich als richtige Entscheidung Universals. Die neue Ausrichtung, weg vom Horror hin zum Psycho-Thriller, tut der neuesten Inkarnation von H.G. Wells´ Horror-Mär sichtlich gut. Dies ist unter anderem dem grandiosen Writing und der Regie von Leigh Whannell zuzuschreiben. Getragen wird das ganze durch die tolle schauspielerische Leistung von Elisabeth Moss, welche als mögliches Stalking-Opfer in jeder ihrer Szenen glänzt. Über seine komplette Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden weiß Der Unsichtbare seinen Spannungsbogen zu halten und vermag dank einiger Kniffe den scheinbar allwissenden Zuseher an der Nase herumzuführen. Einzig das Ende, oder besser gesagt die letzten Minuten des Films, stoßen mir sauer auf, da er eine moralische Frage stellt, die – meiner Meinung nach – vieles zerstört, was zuvor penibel aufgebaut wurde. Auch wirkt es etwas aufgesetzt und fügt sich nicht ganz so organisch in den Rest des Films ein. Doch das ist nur ein kleiner Kratzer im Lack eines sonst großartigen Films.

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