Weird West im Test

Ein isometrisches Rollenspiel im Geiste von Ultima 7, das im Wilden Westen spielt und von den Gründervätern von Arkane Studios (Dishonored, Prey, Arx Fatalis, Dark Messiah of Might and Magic) konzipiert wurde? Ein Wilder Westen nicht so, wie wir ihn kennen, sondern auch von schrecklichen Monstern bewohnt? Das klingt alles schon einmal extrem vielversprechend!

Wirklich gute Spiele im Stil von Ultima 7 sind selten. Das liegt wohl daran, dass Ultima 7 im Jahr 1992 (samt Erweiterung und Teil 2) einen sehr hohen Standard gesetzt hat, was realitätsnahe Rollenspiele angeht. Es ist nicht einfach, eine Umgebung darzustellen, in der man das Gefühl hat, sich in einer „richtigen“ Welt zu bewegen. Einwohner, die ihrem Job nachgehen und eigene Interessen haben, ein Tag/Nacht-Rhythmus, eine umfangreiche Geschichte (und nicht nur ein paar einfache „Hol mir 10 Holzstücke aus dem Wald“)… all das erstellt sich nicht so nebenbei. Sehen wir mal, ob es Arkane Studios mit Weird West gelungen ist, einen brauchbaren „Nachfolger im Geiste“ des alten Meisterwerks zu erstellen.

Hektische Gefechte

Weird West ist ein Singleplayer Action-Rollenspiel in Echtzeit. Bei den (mehr oder weniger) unausweichlichen Kämpfen steuert ihr euren Helden wie bei einem Twin-Stick Shooter. LS zum Waffe (Pistole, Gewehr, Dynamitstange…) anlegen, RS zum Zielen, RT zum Feuern. Daneben müsst ihr euch bewegen, nachladen, Waffen wechseln, hinter Felsen in Deckung gehen, laufen, abrollen, ducken, die Kamera rotieren, den Bildschirmausschnitt heran- oder herauszoomen… das alles kann durchaus hektisch werden. Eure Geschicklichkeit entscheidet über den Ausgang des Gefechtes, wobei aber selbstverständlich auch viele andere Aspekte einen Einfluss haben. Die Wahl der korrekten Waffe, eure Feuerposition und ausreichende Munition müssen im Chaos des Gefechtes (beziehungsweise schon davor) berücksichtigt werden. Ihr könnt euch auch an so manchen Gegnern vorbeischleichen, oder sie mit eurem ersten Angriff überraschen und so deutlich mehr Schaden verursachen. Ein lautloses Ausschalten von Feinden von hinten ist ebenso möglich.

Die Gefechte machen durchaus Spaß, wenn man sich einmal an die Steuerung gewöhnt hat. Mit den (jederzeit pausierbaren) Kämpfen der alten Klassiker wie Baldur’s Gate haben sie aber wenig gemeinsam. Weird West ist ein Action-Rollenspiel!

Rachefeldzug

Wir spielen zu Beginn die ehemalige Kopfgeldjägerin Jane Bell, die sich mit ihrem Mann und kleinen Sohn auf einer Farm zur Ruhe gesetzt hat, um Mais anzupflanzen und ein ruhiges Leben zu haben. Natürlich kommt es nicht dazu – Banditen überfallen die Farm, erschießen unseren Sohn und entführen unseren Mann. Und so beginnt die Geschichte – wir graben unsere Pistolen von früher wieder aus und machen uns auf dem Weg in die Stadt, um unseren Mann zu befreien und fürchterliche Rache zu nehmen. Eine typische Geschichte wie aus einem alten Italo-Western.

Auf dem Weg in die Stadt werden wir von Coyoten (!) überfallen, die schnurstracks auf uns zulaufen um uns zu attackieren. Scheinbar sind die armen Tiere völlig verhungert, andernfalls würden sie nicht zu so einem selbstmörderischen Verhalten greifen. Unter Verwendung unserer Pistolen erledigen wir sie jedenfalls, die wir nun unsererseits essen können. Im Gegensatz zu so manch anderem Rollenspiel finden wir keine Goldmünzen oder andere Ausrüstung bei den besiegten Tieren, sondern eben Fleisch (oder andere tierische Überreste). Wirklich gut gemacht sind die Geier, die überall herumkreisen und sich unverzüglich daran machen, tote Gegner zu verzehren. Wir müssen uns also beeilen, das Fleisch von toten Tieren einzusammeln, oder es ist nicht mehr viel davon übrig. Wenn wir genug Munition haben, können wir allerdings auch die Geier erlegen (und essen). Essen wird übrigens an den regelmäßig zu findenden Feuerstellen zubereitet, wobei verschiedene Nahrungsmittel unterschiedlich viele Trefferpunkte regenerieren. Trefferpunkte regenerieren sich auch im Schlaf (nur in Betten möglich), durch den Verzehr von in der Wildnis wachsenden Früchten, oder durch die Benutzung von Bandagen.

Detaillierte Spielumgebung

Die Spielwelt besteht aus einer Übersichtskarte, auf der wir zwischen den verschiedenen Orten umher reisen können. Auf dem Weg von einem Ort zum nächsten sind Zufallsbegegnungen mit unterschiedlichen Gegnern (oder fahrenden Händlern) möglich. Die einzelnen Orte bestehen aus unterschiedlich großen Karten, auf denen wir neben anderen Charakteren auch unzählige Gegenstände finden, die wir einsammeln, untersuchen, lesen oder herumtragen können. Manche Sachen können wir auch werfen, wie beispielsweise Öllampen, die zu einem ordentlichen Flächenbrand führen können. Dynamitstangen sind ebenso überaus effektiv, um Gegner zu beseitigen. Der Tag/Nacht-Zyklus ist nicht nur eine grafische Spielerei, sondern hat auch Auswirkungen auf die Spielwelt. In der Nacht schlafen die meisten NPCs nämlich, was man zu Einbruchstouren in der Nachbarschaft nutzen kann. Auch das Wetter hat Auswirkungen – während eines Regens brennen manche Dinge beispielsweise nicht so gut. Dafür kann es aber zu Blitzeinschlägen kommen.

Open World

Weird West ist eine düstere Fantasy-Neuinterpretation des Wilden Westens, wo Gesetzeshüter und Revolverhelden die Welt mit übernatürlichen Kreaturen teilen. Im weiteren Spielverlauf schlüpfen wir dann in die Rolle weiterer „Helden“ des amerikanischen Grenzlandes (insgesamt fünf), deren Geschichten am Ende des Spieles zu einem gemeinsamen Finale zusammenlaufen. Die Figuren sind dabei durchaus ungewöhnlich, neben einem verhexten Schwein (also vorher waren wir mal ein Mensch) und einem Indianer (der gehört in jeden guten Western) spielen wir auch  einen Werwolf. Wir spielen entweder alleine, oder nehmen bis zu zwei weitere (vollständig computergesteuerte) Charaktere in unsere Gruppe auf, die uns unterstützen. Während des Spieles kommt es zu zufallsgesteuerten Ereignissen, und die Umgebung (einzelnen Figuren, Fraktionen oder sogar Ortschaften) reagieren (wohlwollend oder feindlich) auf unsere Handlungen.

Während die wesentlichen Orte bei jeder Geschichte fix sind, so werden zusätzliche Orte bei jedem Spieldurchgang zufällig neu erstellt, um für einen gewissen Wiederspielwert zu sorgen. Weird West erlaubt auch unterschiedliche Herangehensweisen, von Blutbädern bis zum Herumschleichen ohne Gegner zu töten. Wer Dinge nimmt, die jemand anderen gehören (also stiehlt), sollte sich dabei nicht beobachten lassen. Das führt nämlich nicht unbedingt zu einer größeren Beliebtheit. Die Welt von Weird West wird von unterschiedlichen Fraktionen bevölkert. Neben einem Indianerstamm, einer Gruppe von Söldnern, Nomaden, Gesetzeshütern und einer Vereinigung von Monsterjägern laufen auch irre Okkultisten in dieser Interpretation des Wilden Westens umher.

Wolfeye Studios

Weird West ist das erste Spiel von Wolfeye Studios aus Frankreich, dem neuen Studio von Raphael Colantonio, der Gründer und 18 Jahre lang Präsident von Arkane Studios war. Arkane Studios war verantwortlich für solche Hits (bzw. Geheimtipps) wie  Arx Fatalis, Dark Messiah of Might and Magic, Dishonored, Dishonored 2 und Prey.

Der Wilde Westen in Spielen

Neben Weird West gibt es noch eine ganze Reihe weiterer empfehlenswerter Spiele, die im Wilden Westen spielen. In Westerado: Double Barreled könnt ihr eine weitere typische Rachestory (Familie wurde von bösen Banditen niedergemetzelt) spielen. Die Grafik ist extrem pixelig, der Spielspaß aber recht hoch, da eure Entscheidungen großen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf haben. Eine unheimlich lustiges Rollenspiel ist West of Loathing – lasst Euch von den Strichmännchen nicht täuschen, das Spiel ist zwar grafisch gewöhnungsbedürftig aber ein durchaus komplexes Spiel. Freunden von rundenbasierten Strategiespielen kann ich Hard West nahelegen, eine weitere Rachestory im Wilden Westen mit übernatürlichen Wesen. Für Fans von Echtzeit-Taktik ist natürlich Desperados III ein absolutes Muss, während Shooter-Fans sich die Call of Juarez Reihe, und hier vor allem den letzten Teil Call of Juarez: Gunslinger ansehen sollten.

Zusammenfassung

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