West of Dead im Test

Ein atmosphärischer Western-Shooter der mit sauberer Steuerung, ausgezeichnetem Voice Acting und Coolness-Faktor überzeugen kann.West of Dead liefert was es verspricht: Kurzweilige Schießereien in einem Western Setting mit dem einen oder anderen Twist. Dabei beeindruckt nicht nur der außergewöhnliche Stil, sondern auch die solide technische Umsetzung.

Flammender Totenkopf, blutroter Poncho, bewaffnet mit Revolver, Gewehr und lockeren Sprüchen. Viel cooler hätte man sich den Protagonisten von West of Dead kaum ausdenken können. Dennoch haben es die Entwickler geschafft, all dem noch eines daraufzusetzen. Immerhin verleiht ihm niemand geringerer die Stimme als Ron Perlman, bekannt unter anderem durch Rollen in den Hellboy-Filmen, oder um in der Spiele-Branche zu bleiben, der Fallout-Serie. Dementsprechend kommt man sich gerade zu Beginn ziemlich gut vor, während man von Deckung zu Deckung hechtet und geradezu nebensächlich unglückliche Seelen mit Blei füllt. Aber Moment, flammender Totenkopf? Das kann nicht gesund sein. Tatsächlich ist William Mason, unser Hauptcharakter, erst kürzlich verstorben. Damit endet seine Geschichte allerdings nicht etwa, sondern sie beginnt erst richtig. Denn er wacht im Purgatorium auf und erfährt, dass er und alle anderen Toten vorerst hier feststecken. Doch niemand weiß genau warum. Die einzige Fährte scheint zu einem Prediger zu führen, der sich ebenfalls irgendwo hier im Fegefeuer aufhält. Damit beginnt die Suche nach besagtem Mann Gottes und Masons eigener Vergangenheit.

Visuell fühlt man sich schnell an die Hellboy Comics von Mike Mignola erinnert: Der allgemeine farbliche Grundton ist sehr reduziert gehalten, dadurch stechen Charaktere und wichtige Gegenstände, dank knalligeren Farben, umso mehr heraus. In Kombination mit den stilisierten Sprechblasen und Menüs, entsteht eine Bildsprache, welche einem modernen Graphic Novel gleicht. Wenngleich die grafische Umsetzung etwas an Gewöhnung bedarf, wird damit durchaus ein charmantes Ambiente erschaffen. Saubere Animationen runden das Bild ab. Unterstrichen wird dies durch subtile Hintergrundmusik, die nur so von Stahlsaiten-Gitarren Klängen trieft. Das einzige Manko hier ist die fehlende deutsche Synchronisation. Texte hingegen sind sehr wohl auch übersetzt verfügbar. Aber seien wir uns mal ehrlich, wer würde schon freiwillig auf Ron Perlmans Stimme verzichten wollen?

Starten wir am Anfang… als ich das erste mal starb

Die Steuerung per Maus und Tastatur ist recht simpel und großteils intuitiv gehalten. Beispielsweise zielt und feuert man seine beiden Schusswaffen via Maus und vollführt per Tastendruck einen Hechtsprung. Hinter Deckung versteckt man sich automatisch, sobald man in Reichweite ist. Diese Mechanik funktioniert tatsächlich sehr gut. Meine größte Kritik dabei bezieht sich allerdings auf den Nahkampf. Hier kann es leicht passieren, dass man zwar nahe genug an einem Gegner ist, aber aufgrund der Mausposition in die falsche Richtung schlägt. Mit ausreichender Übung wäre dieses Problem jedoch vermutlich aus der Welt zu schaffen. Außerdem bin ich gut damit klar gekommen, den Nahkampf schlichtweg zu vermeiden, wenn irgend möglich. Es benötigt ein bisschen Eingewöhnungszeit bis man absolut zielsicher durch die Räumlichkeiten streift. Wobei dies eher an der etwas ungewöhnlichen Grafik und den teilweise recht verwinkelten Korridoren liegt.

Etwas später kann man noch weitere Gegenstände sammeln, welche einem das Leben leichter machen, wie z.B. eine Laterne, denn in der Unterwelt ist es stellenweise ganz schön düster. Einen Gegner zu treffen, den man nicht sehen kann, ist daher auch gar nicht so einfach. Deshalb ist jede Lichtquelle wertvoll, zumal Kontrahenten kurz geblendet werden, sobald neues Licht entzündet wird. Spätestens nach dem ersten Level freut man sich auch sehr über jeden taktischen Vorteil, den man sich verschaffen kann. Die Schwierigkeit steigt nämlich bald deutlich an.

Ist es zu hart, bist du zu schwach!

In erster Linie ist der rasant steigende Schwierigkeitsgrad stets der wenig nachsichtigen Raumplanung, sowie den abwechslungsreichen Gegner-Horden zu verdanken. Die Umgebung macht einem mit mangelnder Beleuchtung und spärlicher Deckung das Leben schwer. Als wäre das nicht genug, rücken uns auch noch wahre Legionen an Feinden auf den Pelz. Für jeden davon muss man eine eigene Strategie erarbeiten – nur so winkt am Ende der Triumph. Halten sich mehrere Schurken verschiedener Klassen in einem Raum auf, tja, dann wird es richtig hart! An dieser Stelle beginnt West of Dead etwas an Bloodborne und Konsorten zu erinnern. Plötzlich stürmt man nicht mehr unbekümmert durch endlose Gänge und schießt auf alles was sich bewegt. Stattdessen beginnt man die eigene Situation zu analysieren, um die beste Vorgehensweise zu finden.

Wenn man zulässt, dass Masons HP auf 0 sinken, muss man das aktuelle Kapitel komplett neu beginnen. Alle eingesammelten Waffen und Upgrades sind erstmal weg. So rutscht man in einen Loop aus Niederlage und Auferstehung. Aber jeder Versuch bringt einen ein Stück weiter, bis man endlich den Zwischenboss besiegt. Als Belohnung erfährt man etwas mehr über William Mason’s Vergangenheit und das nächste Kapitel der Geschichte wird aufgeschlagen. Umso besser fühlt es sich dafür an, wenn man endlich verstanden hat, wie man die immer neuen Herausforderungen meistert.

Man ist nie zu alt… oder zu tot… um etwas Neues zu lernen

Ein wichtiger Teil von West of Dead ist es also, Passagen zu wiederholen und zu lernen. Ganz allein auf seine Reflexe muss man sich dabei glücklicherweise nicht verlassen. Während man sich seinen Weg durch scheinbar endlose Gänge bahnt, sammelt man gelegentlich sogenannte Sünden ein. Diese können gegen neue Waffen oder hilfreiche Gegenstände eingetauscht werden. Auf diese Art erkaufte Hilfsmittel sind zwar permanent freigeschaltet, müssen im Falle Mason’s Ablebens erst wieder irgendwo im Level gefunden werden. Man bekommt also sozusagen nur Optionen, keine Garantien. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas nervig wirken könnte, trägt tatsächlich dazu bei jeden neuen Versuch einzigartig zu machen. Unterschiedliche Ausrüstung verlangt ebenso anderes Vorgehen um dennoch erfolgreich zu sein.

Dabei fühlt es sich nie unfair an, wenn man mal wieder alles verliert, was zuvor so mühsam zusammengesucht wurde. Vermutlich auch deshalb, weil die einzelnen Abschnitte so gebaut sind, dass es gerade zu Beginn eines neuen Anlaufs leichter ist mit seinen Kontrahenten fertig zu werden. Damit wird einem eine Art „Gnadenfrist“ geboten um ein paar Verbesserungen einsammeln zu können, bevor es wieder so richtig los geht. Im Gegensatz zu beispielsweise Bloodborne, hatte ich auch nie Zweifel daran, ob es sich für den Fortschritt überhaupt auszahlen würde, auch mal nur eine halbe Stunde am Stück zu spielen.

FAZIT

West of Dead schafft es schlichtweg ein äußerst solides Gesamtpaket zu bieten. Eine der wenigen Schwächen ist der aus meiner Sicht etwas zu plötzlich steigende Schwierigkeitsgrad. Zu verkraften ist dieser allerdings durchaus, zumal meine anfängliche Überforderung möglicherweise eher meiner naiven Herangehensweise geschuldet war. Dank flüssiger Steuerung, fällt es einem sowieso schwer, dem Spiel die Schuld zu geben, wenn man mal wieder ins Gras beißt. Zu Beginn braucht es ein wenig Eingewöhnungszeit, aber sobald man die gemeistert hat, fließt es in einen motivierenden Flow über. Dazu kommt ein durchaus starker Soundtrack, der zwar nicht überwältigt, aber stellenweise richtig Laune macht und einfach stimmig ist. Coole Sprüche, wiedergegeben von Ron Perlman, ergänzen die Tonlandschaft nahezu perfekt. So gewöhnungsbedürftig der visuelle Stil sein mag, trägt er ungemein zu Atmosphäre und Charme bei. Und davon hat West of Dead jede Menge.

Ein Gastartikel von Thomas Kager

Was ist West of Dead? Ein Cover-basierter Western-Shooter in der Unterwelt.
Plattformen: PC, PS4, XBox One, Nintendo Switch
Getestet: auf PC Intel Core i7-7700HQ, 16GB RAM, GeForce GTX 1050
Entwickler / Publisher: Upstream Arcade / Raw Fury
Release: 18. Juni 2020
Link:  Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

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