Wer sich mit den Anfängern der Shootergeschichte beschäftigt wird neben Doom und Unreal auch bald auf den Namen Wolfenstein 3D treffen. Dieses nicht selten als der erste 3D Shooter bezeichnete Spiel begründete den Kult um William „B.J.“ Blazkowicz und seinen Kampf gegen die Nazischergen. Nach den offiziellen Fortsetzungen Wolfenstein und Return to Castle Wolfenstein , in denen B.J. aktiv in das Weltkriegs Geschehen eingriff, erscheint nun mit Wolfenstein – The New Order der erste Teil, der die Zeit danach behandelt. Und die sieht ziemlich düster aus!
Die Welt des Regimes
Nachdem B.J. und seine Kameraden beim letzten, verzweifelten Gegenangriff der Alliierten auf General Totenkopfs Feste versagen, wird unser Held schwer verwundet und verbringt 16 Jahre in geistigem Dämmerzustand in einer Irrenanstalt. Währenddessen hat „das Regime“ den Krieg endgültig für sich entschieden und formt die Welt nach seinen Vorstellungen. Amerika ist das Opfer von Atombomben geworden, London ist eine Betonwüste mit Quarantänevierteln und das Regime forscht emsig an der Eroberung des Mondes (Parallelen zu Iron Sky sind wohl nicht ganz zufällig). Doch es gibt auch einige Lichtblicke: so sind die Beatles trotzdem entstanden … wenn auch unter dem Namen „Die Käfer“; immerhin ist Deutsch nun die Weltsprache. Vor allem aber gibt es, trotz eifriger Propaganda und rigoroser Unterdrückung, noch immer Widerstandskämpfer. Diese zu finden und mit Ihnen den Kampf wieder aufzunehmen ist denn auch die Hauptaufgabe von B.J. sobald er sich aus seinem Dämmerzustand befreit.
Anmerkung: Der Test bezieht sich auf die lokalisierte, deutsche Version des Spiels (siehe hierzu auch den Abschnitt Zensur am Ende des Berichts).
Das Spiel
Im Prolog, der gleichzeitig als verlängertes Tutorial dient, wird zuerst einmal das grafische Können des Spiels präsentiert. Wenn die alliierte Luftflotte den D-Day auf andere Art und Weise durchführt, sorgt das für durchaus beeindruckende Szenen auf dem Bildschirm, während man selbst Stück für Stück die diversen Manöver durchführt, Waffen kennen lernt und so weiter. Dabei wird auch akustisch anständig was geboten – auch in Sachen Sprachausgabe. Dennoch sind die leidlich engagierten Sprecher, gerade in actionreichen Abschnitten, öfter relativ schwer zu verstehen. Das ist natürlich blöd, da es so ohne aktivierte Untertitel leicht passieren kann ratlos in der Gegend zu stehen und keine Ahnung zu haben, was eigentlich als nächstes zu tun ist. Blöderweise sind die Einträge in B.J.s Journal nämlich auch nicht immer zielführend. Apropos „wenig zielführend“: diese Beschreibung trifft auch auf die per Knopfdruck aufzurufende Karte zu, die (nachdem man die Karten des jeweiligen Abschnitts gefunden hat) die Umgebung des Levels anzeigt. Die einzigen Hinweise hierbei sind Frage- und Ausrufezeichen, wobei jedoch durch einige Fähigkeiten, zusätzliche Anzeigen freigeschaltet werden können.
Wie morde ich am liebsten?
Wolfenstein stand in seinen Ursprüngen eher weniger für Raffinesse. Mit der neuen Order will „Machine Games“ nun Abwechslung in das Metzeln bringen. Zum einen kann man Abschluss des Prologes eine Entscheidung treffen, die darüber befindet welchen Gefährten man für das restliche Spiel an seiner Seite wiederfindet. Und zum anderen kann man sich ganz generell für verschiedene Spielstile entscheiden: Hier geht es vom Schleichen über Messerwerfen hin zu treffsicherem Schießen und eben dem guten alten Metzeln. Letzteres am besten mit zwei Kanonen gleichzeitig, im sogenannten „Akimbo“ Stil. Interessant hierbei: Neue Fähigkeiten werden nicht einfach durch Fähigkeitspunkte freigeschalten, sondern mittels expliziter Aktionen im Spiel selbst. So bekommt B.J. beispielsweise ein „Gefühl dafür“ (aka: er bekommt es angezeigt), wo sich feindliche Kommandanten befinden, sobald er fünf von Ihnen dahin gemeuchelt hat. Konzentriert er sich hingegen lieber exzessiv auf das gezielte Verstümmeln von Gegnern, beschert ihm das mit der Zeit größere Munitionsvorräte … um nur ein paar Beispiele zu nennen. So kann man sich gezielt für seinen jeweiligen Spielstil Fähigkeiten freischalten.
Natürlich wurde auch das Gameplay und Leveldesign diesen Freiheiten entsprechend angepasst – Schleichen ist also jederzeit ebenso drin, wie klassisches „auf sie mit Gebrüll“. Jedoch kann ich getrost sagen – ein Stealth Action Spiel wird Wolfenstein wohl nie werden. Abgesehen davon, dass es außer Kommandanten und den aufdringlichen Eisenhunden nicht wirklich viel erleichtert ob man laut oder leise mordet, ist die generelle Spielmechanik auch zu „flach“. Entweder das, oder es steht einfach ziemlich bescheiden um die Kollegialität innerhalb des Regimes. Wie sonst wäre es zu erklären, dass Wachen auf ihren Patrouillen gerne mal pfeifend an der Leiche eines Kollegen vorbeimarschieren, ohne das auch nur mit der geringsten Gefühlsregung zu würdigen?! 😉 Auch das Benutzen von Deckung ist nur sehr rudimentär möglich. Ein Pluspunkt hierbei ist jedoch, dass Holzplatten und ähnliches durchschossen werden können. Soviel Interaktion mit der Umgebung würde man sich öfter im Spiel wünschen.
Abgesehen davon, dass das beidhändige Metzeln der Feindestruppen durchaus Spaß macht, ist am Ende aber wohl vor allem immer wieder das Sparen von Munition einer der Hauptgründe für leises Vorgehen. Zwar ist Munition nicht unbedingt generelle Mangelware, doch bei der Benutzung von 2 Waffen gleichzeitig geht sie dennoch immer wieder mal erschreckend schnell zur Neige. Außerdem wurde das Aufheben der klein dosierten Bleivorräte leider recht umständlich gestaltet. Es reicht nicht, einfach darüber zu laufen; sie muss extra aufgehoben werden. Das erweist sich im Ernstfall als ziemlich umständlich … oder einfach „überdurchschnittlich herausfordernd“ – um positiv zu bleiben.
Schneidbrenner olé
Selbst das eine oder andere Rätsel hat es ins Spiel geschafft … sofern man die kleinen Geschicklichkeitsspielchen so nennen kann, mit denen man diverse Kabel kurzschließen kann. Zudem sorgt ein Schneidbrenner (später Laser) dafür, stets das Gefühl zu haben sich seine eigenen Wege bahnen zu können, lassen sich damit doch Gitterzäune oder dünne Wände durchbohren oder Ketten sprengen. Wirklich vorangetrieben wird man aber, neben der durchaus beeindruckend in Szene gesetzten Action, vor allem durch die schön abgefahrene Story. Diese ist durchwegs „Wolfenstein-typisch“ und wird durch viele Zeitungsartikel ergänzt und mit Leben gefüllt. Was mir leider etwas abging, ist aber der Humor der Vorgänger. Ab und an blitzte er zwar kurz auf, doch unterm Strich wurde er mir zu spärlich eingesetzt. Gerade, da sich doch generell so viele Gelegenheiten dafür geboten hätten (z.B. die „Käfer“).
Auch der Umfang ist höchstens „solide“: um die 15-20 Stunden kann man mit dem Singleplayermodus verbringen, sofern man sich gewissenhaft der Sache nach allen Sammelobjekten widmet. Hier sind vor allem die Enigma Codes hervorzuheben, mittels derer man neue Spielmodi freischalten kann. Auf einen Multiplayermodus wurde für Wolfenstein – The New Order hingegen etwas überraschend verzichtet, erfreuten sich die Multiplayer Modifikationen der Vorgänger doch einiger Beliebtheit bei den Fans. Laut Bethesda hat man sich aber lieber ganz auf die Qualitäten des Singleplayers konzentriert, als einen halbgaren Multiplayermodus zu integrieren. Grundsätzlich ja eine löbliche Einstellung, in Zeiten in denen andere Publisher schon den Multiplayer und DLC dafür ankündigen, bevor sie noch viel vom eigentlichen Spiel erzählt haben. Außerdem wartet auf jeden Wolfenstein – The New Order-Käufer ja auch die DOOM-Beta … wann auch immer die dann starten möge.
Schöne Brutalität
Technisch weiß Wolfenstein durchaus zu gefallen. Auch wenn so beeindruckende Szenarien wie der Angriff der Alliierten zu Beginn des Spieles nicht allzu häufig vorkommen und sich mit vielen, relativ tristen Bauten und Umgebungen abwechseln, ist im normalen Spiel wenig Tearing oder dergleichen zu bemerken (Basis für den Test stellte übrigens die PS4-Version dar). Weiters sind in einigen der Videoszenen (welche sonst sehr glatt in die Gameplaygrafik übergehen) einige Haarschatten zu bemerken. Auch Sprachausgabe und Musik wissen zu gefallen, mit Ausnahme der anfangs erwähnten etwas leisen Sprecher der Kameraden von B.J.
Die Zensur
Wie leider des öfteren, ist auch die deutsche und leider auch die österreichische Version von Wolfenstein – The New Order von umfangreichen Änderungen betroffen. Jegliche Hakenkreuze und sonstige „verfassungswidrige Abzeichen“ wurden abgewandelt, die Nazis sind generell nur noch „Soldaten des Regime“. Der Gewaltgrad dürfte hingegen – sowohl in den Videos als auch dem Gameplay – gleich geblieben sein, hier gibt es also Entwarnung von uns und diesbezüglich keinen Grund unbedingt auf die internationale Version auszuweichen.
FAZIT
Wolfenstein – The New Order macht Spaß, am meisten wenn man alle Möglichkeiten die es einem bietet, auch ausnutzt. Das Spiel funktioniert als solider Shooter, aber ohne bahnbrechende Neuigkeiten. Der Stealth Part erweitert zwar grundsätzlich die Vorgehensmöglichkeiten, kommt aber nicht an seine Konkurrenten ala Dishonored heran. Die Story ist dafür typisch „Wolfenstein“ und motiviert das Spiel bis zum Ende durchzuspielen, vielleicht sogar noch ein zweites Mal zu beginnen. Ebenso gefällt mir, dass man die speziellen Fähigkeiten passende seiner Spielweise freischalten kann. Etwas vermisst habe ich jedoch den leicht trashigen Charme der Vorgänger, verbunden mit dem Humor. Keine Frage: Die Handlung ist nach wie vor Trash pur, jedoch eher Hochglanz Trash im Stile eines „Transformers“ Films. Ganz im Gegensatz zu den bisherigen Teilen, die eher auf einem „Machete“ Level waren, um bei den Film-Metaphern zu bleiben. Dennoch bleibt Wolfenstein – The New Order ein durchaus gut gemachter und spielenswerter Shooter.
Gesamtwertung: 8.0
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8