Wunderbare Jahre oder: Retro. Früher war alles besser – Teil 2

Ich denke, dass sich Anfang der 2000er viel zu verändern begann. Prioritäten wurden verschoben und Ideale angepasst. Fortschritt eben. Entwickler und Publisher hatten die riesige neue Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits erkannt und reagierten nun darauf.

Die letzten 5 Jahre vor dem Jahrtausendwechsel wurden somit dafür genutzt, diese bis dahin ein wenig vernachlässigte Altersgruppe zu bedienen. Davor hatten die meisten Games einen entweder kindlichen Touch oder waren betont erwachsen gehalten. Der coole Durchschnittsjugendliche konnte sich aber wohl weder mit Donkey Kong Country noch mit Civilization so richtig anfreunden. Eine Lösung musste her. Tomb Raider, Tony Hawk‘s Pro Skater, Command & Conquer. Die Geburtsstunde von Spieleserien, die bis heute mehr oder weniger erfolgreich sind und das Business verändert haben.

I wanna go out but I wanna stay home – zwischen Euphorie und Ernüchterung

In den Jahren nach dem Jahrtausendwechsel nahm die Anzahl der gemeinsam durchgezockten Nachmittage immer mehr ab. Meine Kumpels und ich wurden langsam erwachsen. Wir hatten alle Jobs und die meisten von uns auch eine eigene Wohnung. Das Leben nahm seinen Lauf und jeder ging seinen eigenen Weg.

Für mich war es die Zeit, in der ich mich immer öfter alleine in digitale Abenteuer stürzte. Als Sam Fisher rettete ich unauffällig die Welt vor Terroristen und als C.J. versuchte ich zusammen mit Big Smoke einfach nur diesem verdammten Zug zu folgen. Auch wenn ich längst erkannt hatte, dass die Welten in denen ich mich bewegte alle stark begrenzt waren, so blieben sie trotzdem weiterhin etwas Besonderes für mich. Dennoch registrierte ich die erwähnte Veränderung, die langsam einsetzte. Es war nicht so, dass ich keine Faszination mehr verspürte, wenn ich – mittlerweile auf einschlägigen Internetseiten – Screenshots kommender Titel betrachtete. doch irgendwie hatte ich das Gefühl alles schon – in zumindest ähnlicher Weise – gesehen zu haben. Ständig wurde die Welt von Zombies überrannt oder diverse Kriege wurden spektakulär in Szene gesetzt. Die Protagonisten wechselten aber die Geschichten waren viel zu oft zu bloßem Beiwerk verkommen.

Aus dieser Zeit fallen mir spontan drei Titel ein, die dieses Schema meiner Meinung nach, versuchten zu durchbrechen. Heavy Rain, Shadow of the Colossus und Limbo. Diese Titel schafften es, mich emotional wieder auf eine Reise mitzunehmen, an die ich heute noch denke. Die Entscheidungen, die ich in Heavy Rain traf, stellten meine persönliche Moral mehr als einmal in Frage und die Tatsache, dass ich in Shadow of the Colossus offenbar sinnlos unschuldige Riesen tötete, lösten ehrliche Gewissensbisse in mir aus.

Aus zehn Jahren meiner persönlichen Videospielgeschichte fallen mir also genau drei Titel ein, die mich auf dieselbe wundersame Reise mitnahmen, wie einst Defender of the Crown. Warum ist das so? Man könnte jetzt sagen, ich war mittlerweile mehr oder weniger erwachsen geworden und meine Ansprüche hätten sich verändert, doch ich behaupte, dass mich die ewig gleichen Geschichten, die Uncharted, Battlefield und The Last of Us erzählten auch damals schon gelangweilt hätten. Diese Spiele waren gut gemacht. Sie sahen spektakulär aus und schafften es stellenweise auch Emotionen zu wecken und sich mit den Protagonisten zu solidarisieren. Daran besteht kein Zweifel. Doch hatten sie wirklich etwas Neues zu bieten? Etwas Einzigartiges? Ich denke nicht.

Der Lauf der Dinge

Stattdessen sind meine Erinnerungen an die letzten zehn Jahre in Sachen Games ein wenig getrübt. Ich kam immer mehr zu dem Schluss, dass es in den virtuellen Welten, die ich einst wegen ihrer Fähigkeit sowohl Freude als auch Leid in mir auszulösen, immer mehr um Explosionen und Munitionsverbrauch ging. Ich hatte das Gefühl die Community wollte es so und die Entwickler sprangen verständlicherweise auf diesen Zug auf. Das ist eben Business. Dazu kam, dass mit dem gefühlt dreiundneunzigsten Teil von Grand Theft Auto oder einfach jedem halbwegs erfolgreichen Franchise alles verwurstet wurde, was genug Geld einbrachte. Und wenn ich mir ansehe, wie Sam Fisher in Splinter Cell: Blacklist seine Probleme löst, habe ich das Gefühl, ein völlig anderes Spiel zu sehen. Und was ist eigentlich in der Zeit zwischen Fahrenheit und Beyond Two Souls passiert?

Die Ansprüche haben sich geändert. Ich maße mir nicht an zu beurteilen, ob diese Veränderung gut oder schlecht ist. Es ist eben der Lauf der Dinge. Mein Herz hängt jedoch immer noch an den faszinierenden Welten, die es einst geschafft haben, eine Leidenschaft in mir zu entfachen. Insofern bin ich froh, dass ich die unausgereiften Kindertage des Videospiels mitbekommen habe. Die aktuelle Generation hätte wohl kaum derartige Spuren hinterlassen.

Ein Gastartikel von Daniel Krondraf.

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