Eine Shoot’em up-Legende kehrt zurück! Nach 35 Jahren hat ININ ein komplettes Remaster des knallharten Amiga-Klassikers X-Out (sprich: Kross-Out) für PC und Konsolen veröffentlicht. Schauen wir einmal, was da aus den Tiefen des Meeres aufgetaucht ist.
Ganze zwei Disketten mit (standardmäßig) je 880KB (Kilobyte!) an Daten waren ausreichend, als Rainbow Arts im Jahr 1990 den Shooter X-Out für den Commodore Amiga veröffentlicht hat. Von der Budget-Version auf nur einer Disk will ich gar nicht reden! Die neue PC-Version auf meinem Rechner benötigt nun knapp 600MB an Platz – also rund 300 Mal so viel. Dafür sind aber die Grafiken nicht nur für eine höhere Auflösung überarbeitet, sondern auch mit Partikel- und Lichteffekten erweitert. Der Soundtrack von Chris Hülsbeck wurde nicht nur neu abgemischt, sondern sogar um sechs neue Tracks erweitert.
Ich bin mit dem Amiga aufgewachsen. Einen C64 konnte ich mir in der Unterstufe nicht leisten und meine Eltern hatten keinerlei Interesse an jeglichen technischen Geräten – also musste ich 1988 doch tatsächlich das Geld meines ersten Ferialjobs (und alle sonstigen Ersparnisse) dafür verwenden, mir meinen ersten (von schlussendlich fast 20) Amigas zu kaufen. Ich war damals der Überzeugung, die ideale Spielemaschine zu besitzen – was wohl für meine Situation auch gestimmt hat, denn Konsolenspiele hätte ich mir nicht leisten können, außerdem war ich ohnehin sehr auf Adventures, Rollen- und Strategiespiele fixiert und die anderen Heimcomputer waren dem Amiga allesamt (more or less) deutlich unterlegen. Erst sehr viele Jahre später ist mir – dank Emulation – klar geworden, dass der Amiga zwar ein technisch geniales Gerät war, aber die wirklich professionelle (Action-)Spieleentwicklung vor allem für Konsolen erfolgt ist. MegaDrive, SNES und PC Engine waren technisch alle keine Wunderdinger, aber die Games waren im Schnitt viel professioneller gemacht. Vom NEO GEO und den Spielautomaten will ich gar nicht reden.
Anyway, damals habe ich gedacht, dass der Amiga eines der besten Systeme auch für Shoot `em Ups (Shmups) war. Nicht unbedingt mein absolutes Lieblingsgenre, aber durchaus etwas, das ich gerne mal zur Abwechslung gespielt habe. Am Amiga gab es viele dutzende Vertreter des Genres. Leider sind die meisten davon – verglichen mit der Konkurrenz, und unfairerweise natürlich auch mit der in den Jahren nach dem Tod des Amigas erschienenen Konkurrenz auf den neueren Konsolen (XBox, PlayStation, Saturn) – ziemlicher Schrott. Als ich vor Jahren Artikeln von bekannten Shmups-Junkies gelesen habe, in denen die Amiga Shooter weitgehend als „irrelevant“, „qualitativ minderwertig“ oder „schlecht designt“ und abwertend als Euro-Shmups bezeichnet wurden, habe ich den Typen nicht geglaubt. Die kennen die Spiele doch nur nicht… aber ich lag falsch. Die wirklichen Freaks des Genres kennen sehr wohl auch die Genrevertreter auf dem Amiga, und sie haben wohl recht. Am Amiga gibt es zwar viele Shmups, einige sind auch durchaus spielbar (entweder brauchbare Konvertierungen wie R-Type, oder ganz nette Exklusiv- oder zumindest am Amiga zuerst entwickelte Titel wie Apidya, Z-Out, Blood Money, Project-X, Banshee, Battle Squadron, Xenon II oder Disposable Hero), aber wirkliche Top-Spiele gibt es in dem Genre nur wenige. Und eine dieser wenigen Ausnahmen war X-Out. Und das schaue ich mir nun in seiner Neuauflage am PC an!
Quartex rulez
Zu Beginn gleich die erste Überraschung. Ein Trainer? Im Stil der damaligen Cracker-Intros? Omg, hier fehlt ja nur noch der Quartex oder Scoopex-Schriftzug. Ich habe diese Intros damals zwar nicht gemocht und immer von meinen Disks entfernt, aber ein guter Trainer war bei den meisten Actionspielen doch durchaus nützlich. Nachdem ich in den späten 90ern hunderte Amiga Spiele günstig als Originale (nach-)gekauft habe, sind mir die Trainer oft abgegangen. Ich war froh, dass später auch für Besitzer der Originale über das grenzgeniale whdload Trainer verfügbar gemacht wurden. Zurück zum Remaster: Hier sind sämtliche Optionen im Trainer anfangs gesperrt und müssen erst freigeschalten werden. Der im Intro scrollende Text ist unterhaltsam: Das ist keine illegale Raubkopie! Bitte rufen Sie nicht die Polizei oder zerstören Sie das Spiel! Das Spiel ist vollkommen legal…
X-Out ist ein typischer horizontal scrollender Shooter, wie er in den 80ern und der ersten Hälfte der 90er Jahre extrem populär war. Das war noch bevor die japanischen Bullet-Hell Shooter von Cave das Genre in eine neue Richtung gelenkt haben. In X-Out sind wir wie üblich die letzte Hoffnung der Menschheit im Kampf gegen parasitäre Aliens. Das Original hat in der Zukunft – also im Jahr 2019 – gespielt. Zum Glück war das echte Jahr 2019 dann nicht ganz so schlimm, die Covid Pandemie kam erst Anfang 2020. Im Spiel fliegen wir von links nach rechts durch das automatisch scrollende Spielfeld. Wir ballern auf alles, was sich bewegt oder einfach nur im Weg ist. Am Ende der insgesamt acht Level wartet jeweils ein Bossgegner auf uns. Eine Besonderheit ist es, das wir nicht durch das Weltall fliegen, sondern die Aliens sich unter Wasser eingenistet haben. Faktisch ist das jedoch vollkommen egal – es spielt sich wie im Weltall und es schaut auch (von ein paar Luftblasen abgesehen) wie im Weltall aus.
Die wirkliche Besonderheit des Spieles liegt jedoch wo anders. In X-Out habt ihr grundsätzlich genau ein Leben – oder besser: U-Boot. Werdet ihr getroffen oder berührt ihr ein Hindernis, ist eure Lebensenergieleiste schnell leer und es heißt Game Over. Direkt weiterspielen könnt ihr nur, wenn ihr noch ein weiteres U-Boot in eurer Flotte habt. Und das müsst ihr euch zuvor kaufen. Insgesamt könnt ihr eure Flotte zwischen den Leveln auf bis zu neun U-Boote aufstocken. Außerdem könnt ihr jedes eurer U-Boote (es gibt vier Grundtypen mit unterschiedlichen Eigenschaften – manche erlauben beispielsweise mehr Extrawaffen) mit verschiedenen Waffen ausrüsten. Kanonen, Torpedos, Satelliten, Upgrades – ihr könnt das Schiff nach euren Vorlieben konfigurieren. Voraussetzung dafür ist nur ausreichend Geld. Das bekommt ihr, wenn ihr einen Level überlebt und den Boss vernichtet habt.
Kommen wir zu wichtigsten Verbesserungen der neuen Version. Einerseits ist ein lokaler 2-Spielermodus implementiert worden. Ihr könnt nun gleichzeitig durch die acht Level kämpfen, was witzig ist und das Spiel schon fast in einen Bullet-Hell Shooter verwandelt. Dann gibt es nun einen Mirror-Modus. Dabei wird die Grafik spiegelverkehrt dargestellt, und ihr kämpft euch jetzt von rechts nach links. Nicht schlecht für ein wenig Abwechslung, das spielt sich überraschenderweise vollkommen anders. Wirklich relevant ist jedoch die Überarbeitung des Shops. Die Ausrüstung eurer Schiffe vor dem Spiel war im Original ein wenig umständlich. Das wurde deutlich verbessert, und vor allem auch mit Hilfstexten versehen. Ihr könnt bereits vor dem ersten Level zwei weitere U-Boote kaufen. Dazu sind natürlich nun die langen Ladezeiten des Amiga Originals weggefallen, die nach jedem Tod den Spielfluss ziemlich gebremst haben. Vor allem, weil der Tod in diesem Spiel sehr schnell kommt… auch wenn ihr nicht SOFORT bei jedem Treffer ein Leben verliert. Vor allem die Berührungen mit der Landschaft töten jedoch blitzschnell. Der Bildschirm ist nun ein wenig größer als beim Original – ihr habt also mehr Raum zum Manövrieren. Insgesamt spielt sich das Spiel dadurch flüssiger und einfacher – was aber auch nicht schadet, denn das Original war verdammt schwer.
Technik
Die Musik stammt von Chris Hülsbeck, der als einer der bekanntesten Musiker der (deutschen) 16bit Ära gilt. Für das Remaster hat er seine alten Tracks neu aufgepeppt – Fans des Originals werden sich aber musikalisch sofort in die 90er zurückversetzt fühlen. Die Grafik des Spieles stammt übrigens vom leider 2022 verstorbenen Celâl Kandemiroğlu. Der Mann war ein absolutes Genie als Grafiker – zumindest habe ich ihn so in Erinnerung. Er hat nicht nur rund 800 Titelgrafiken für Computerspiele gezeichnet, sondern war auch für diverse In-Game Grafiken bei Spielen von Studios wie Rainbow Arts, Thalion, Reline und Ascaron verantwortlich. Seine Grafiken waren überdurchschnittlich gut und sind mir immer sofort aufgefallen – so auch bei X-Out (wenngleich Biing! mein Favorit war). Die technischen Voraussetzungen für X-Out am PC sind übrigens extrem gering – ich habe das Spiel auf einem alten Gaming- Laptop mit einer Nvidia GTX 850M GPU gespielt und keinerlei Probleme gehabt. Einzig ein Gamepad ist notwendig.
Das originale X-Out ist damals nicht nur für den Amiga erschienen. Es gab auch eine verdammt gute Commodore C64 Version, dazu Konvertierungen für Amstrad/Schneider CPC, Atari ST und den Sinclair ZX Spectrum. Das Remaster gibt es für den PC auf Steam und GOG, dazu für die Nintendo Switch, PlayStation und XBox. Für die Konsolen gibt es auch eine physikalische Version direkt über ININ zu kaufen.
Zusammenfassung
FAZIT
Das neue X-Out spielt sich besser als das geniale Original. Es ist ein einfacher geworden, mit dem Gamepad und aktiviertem Dauerfeuer auf dem riesigen Fernseher den feindlichen Geschossen auszuweichen, als dies früher der Fall war. Der brutale Schwierigkeitsgrad des Originals ist ein wenig entschärft worden – leicht ist das Spiel aber trotzdem bei weitem nicht. Schon ab dem zweiten Level ist die Hölle los. Wenn ihr alle Leben verliert, müsst ihr nicht so lange warten wie einst und seid viel schneller wieder im Spiel. Keine langen Ladezeiten, Diskettenwechsel, Zwischensequenzen, kein umständlicher Shop. Klick, Klick und ihr könnt den nächsten Versuch angehen.
Für Fans des Originals ist das Spiel ein Traum – das ist mit Spielspaß verknüpfte Nostalgie. Das neue X-Out macht aber auch Spaß, selbst wenn ihr vom Original noch nie gehört habt. Es ist einfach ein typischer horizontal scrollender Shooter, wie er heute leider kaum noch neu entwickelt wird. Schade – ich würde gerne öfter technisch aktuelle, neue Shmups auf meinem Fernseher genießen… und das Gamepad voller Frust in die Ecke schmeißen, wenn ich wieder am selben Endgegner alle meine Leben verloren habe.