XCOM 2 – Test

Julian Gollop ist englischer Software-Entwickler und verantwortlich für Laser Squad, eines der ersten rundenbasierten Squad-Taktikspiele. Viel bekannter ist Herr Gollup aber für dessen indirekten Nachfolger, den er gemeinsam mit seinem Bruder Nick im Jahr 1994 unter dem Titel X-COM: UFO Defense (hierzulande bekannt unter UFO: Enemy Unknown) veröffentlichte. Unbestritten eines der besten Spiele überhaupt und bis heute ein zeitloser Klassiker. Mit der Neuauflage aus dem Jahre 2012 hatte Julian Gollop zwar nichts mehr zu tun, jedoch gehört XCOM: Enemy Unknown und vor allem dessen Erweiterung Enemy Within zu den wenigen Remakes, welche ihren Vorbildern gerecht werden. Mit XCOM 2 liefert Firaxis Games nun endlich eine Fortsetzung ab.

Da haben wir in den letzten vier Jahren dutzende Spiel-Stunden darin verschwendet die Menschheit vor einer Alien-Invasion zu beschützen und dann war alles umsonst. Denn im Jahr 2035 haben die Staatsoberhäupter der Erde vor den Außerirdischen kapituliert und diese konnten daraufhin mit ihrer ADVENT-Marionettenregierung eine neue Weltordnung etablieren. Unsere einst so mächtige UFO-Abwehrorganisation XCOM wurde dagegen zu einer kleinen Widerstandsgruppe dezimiert. Neue Hoffnung schöpfen die verbliebenen Freiheitskämpfer in der Befreiung des alten Commanders, in dessen Rolle wir als Spieler fortan schlüpfen dürfen. Aber die Zeiten in den wir auf einen mächtigen Militärapparat inklusive gut ausgebauten Stützpunkt zurückgreifen konnten sind vorbei. Unsere neue Heimatbasis ist nun ein gekapertes Alien-Raumschiff, die „Avenger“. Diese erfüllt aber die gleiche Funktion wie das stationäre Hauptquartier, mit einem großen Unterschied: Wie sind jetzt flexibel und können die verschiedenen Einsatzgebiete direkt ansteuern.

Avenger assemble!

Ziel der Aliens ist die Fertigstellung des Avatar-Projektes, mit deren Hilfe sie die menschliche Rasse endgültig ausschalten wollen. Der Fortschritt des Projektes wird dem Spieler anhand einer Symbolleiste angezeigt, welche jedes mal ansteigt, sobald die Außerirdischen ein „düsteres Ereignis“ erfolgreich abschließen oder eine Alien-Einrichtung errichten können. Ganz fies: Fast immer sind mehrere solcher Aktivitäten gleichzeitig geplant, sodass sich der Spieler entscheiden muss, welche er davon vereiteln will. Der lineare Spielablauf, einer der größten Kritikpunkte des Vorgängers, wird dadurch aufgebrochen und das nicht nur weil für erfolgreich absolvierte Missionen unterschiedlichen Belohnungen gewährt werden, sondern vor allem weil die getroffenen strategischen Entscheidungen den weiteren Spielverlauf beeinflussen. Und egal was man als XCOM-Commmander auch unternimmt, man kann nicht überall gleichzeitig sein, wodurch der Avatar-Fortschrittsbalken kontinuierlich steigt. Lässt man sich bei der Verteidigung der Erde zu viel Zeit oder verbucht man zu viele Missions-Fehlschläge auf seinem Konto, hat man auch schon verloren.

Kommt Zeit, kommt Stress

Zeit spielt auch auf der taktischen Ebene während der rundenbasierten Kämpfen nun eine wichtige Rolle, denn die Missionen auf die wir bis zu sechs Soldaten schicken können, sind meist auf ein bestimmte Runden-Anzahl beschränkt, sodass ein gewisser Stressfaktor dem ansonsten eher gemächliche Gameplay hinzugefügt wird. Wie schon im Vorgänger hat dabei jede Spielfigur pro Zug  zwei “Aktionspunkte“, die sie etwa für Bewegungen, Angriffe oder den Einsatz einer speziellen Fähigkeit verbrauchen kann. Die meisten taktischen Karten in XCOM 2 sind nun prozedural generiert, wodurch sich die Wiederspielbarkeit selbst bei ähnlichen Einsatzzielen enorm erhöht. Der Rollenwechsel zur Widerstandsgruppe bringt außerdem den Vorteil der “Verborgenheit mit sich. Damit ist dem Feind die Anwesenheit des Trupps solange nicht bewusst, bis eine Figur eine Waffe abfeuert oder wenn sie sich in den Sichtbereich eines Feindes bewegt. Anders als beim Vorgänger ist somit der taktische Guerillakampf nun meist das Mittel zum Sieg, also den Gegner in einen Hinterhalt locken und ihn flankierend oder von hinten angreifen.  

Spieler Eins, bitte in die Personalabteilung!

Außerhalb des Schlachtfeldes werden die strategischen Entscheidungen auf der Avenger getroffen und dazu gehört nicht nur die Wahl des nächsten Einsatzortes, sondern auch der Ausbau der mobilen Basis. Zu Beginn steht nur sehr wenig Personal und noch weniger Ressourcen und sehr dürftige Einrichtungskapazität zur Verfügung. Nach und nach rekrutiert man neue Wissenschaftler, Ingenieure oder Soldaten entweder am Schwarzmarkt oder man erhält sie als Belohnung für bestimmte Missionen und errichtet zusätzliche Labors, sowie Werkstätten welche die Produktivität der Mitarbeiter deutlich beschleunigt. Im Vergleich zum Vorgänger spielt das Personal- und Ressourcenmanagement eine wesentlich größere Rolle und ermöglicht es eure Truppen mit  immer fortschrittlicheren Rüstungen und Waffen auszustatten. Vor allem das Mikromanagement der einzelnen Soldaten wird auf die Spitze getrieben, denn nicht nur die Ausrüstung und Bewaffnung kann man bestimmen, sondern mittels Editor dürfen sogar Details wie das Aussehen, Tattoos, Kleidung und auch das Verhalten personalisiert und selbst gestaltet werden.

Keine außerirdische Technik

Genauso wie sein direkter Vorgänger basiert das technische Grundgerüst von XCOM 2 auf der Unreal Engine. Einerseits toll, weil die Spielegrafik, insbesondere beim Wechsel in die Soldaten-Perspektive  während einem Schusswechsel oder wenn man Fenster und Türen eintritt, sehr schick aussieht, andererseits hätte man sich gewünscht, dass Firaxis aus den Problemen des ersten XCOM lernt und uns Spieler nicht wieder mit einigen unschönen Bugs ärgert. Anzeige- und Clipping-Fehler sind dabei nur das geringste Übel, teilweise lästige Ladezeiten vor und nach den Missionen und massive Performanceprobleme selbst auf Systemen, deren Hardware für XCOM 2 eigentlich locker ausreichen sollte, trüben den Gesamteindruck dann doch ein wenig. Dafür gibt es an der Soundkulisse kaum etwas auszusetzen, vor allem nicht am tollen Soundtrack aus der Feder von Timothy Wynn, der auch schon für die Musik von Command & Conquer und The Darkness II verantwortlich war. Der Mehrspielermodus sollte zumindest erwähnt werden, auch wenn er spielerisch nicht unbedingt ein Highlight ist. In der Multiplayer-Variante können taktischen Einzelgefechte zwischen zwei Spielern ausgetragen werden, wobei die jeweiligen Trupps vor dem Beginn der Partie sowohl aus XCOM-Soldaten und Aliens gleichermaßen zusammengestellt werden können. Nette Beigabe, aber vernachlässigbar. Viel interessanter ist dagegen die Mod-Unterstützung direkt zum Verkaufsstart. Um dieses Feature zu unterstreichen hat sich Firaxis gleich die Hilfe der Entwickler der The Long War-Mod für Enemy Unknown gesichert. Diese veröffentlichen direkt zum Launch drei verschiedene Modifikationen: Das Muton Centurion Alien Pack bringt einen frischen Gegnertyp, das Leader Pack einen neuen Soldaten und das SMG-Pack eine neue Waffengattung. Und das ist erst der Anfang, denn andere Hobby-Modder haben bereits nachgezogen und teilweise sogar sehr nützliche Tools veröffentlicht, wie beispielsweise eine frei rotierende Kameraperspektive oder etwa die Deaktivierung des Rundenzählers während der zeitlimitierten Einsätze.

Fazit

Thomas: Ganz ehrlich: Für die Fortsetzung von Enemy Unknown hatte ich fix mit einem Remake von Terror from the Deep gerechnet und war sogar etwas enttäuscht als dann „nur“ XCOM 2 angekündigt wurde. Aber trotz aller Bedenken: Der Rollenwechsel vom globalen Verteidiger zum kleinen Widerstandskämpfer spielt sich erfreulich anders, ohne jedoch die unverwüstlichen Spielmechaniken des Originals zu sehr zu verändern. Im Gegenteil, in seiner Gesamtheit finde ich XCOM 2 sogar besser als seinen direkten Vorgänger. Okay, für meinen persönlichen Geschmack ist die globale Handlungsfreiheit noch immer etwas zu sehr eingeschränkt und ich würde gerne wie im Original mehrere Stützpunkte managen, aber der Wechsel zu einer mobilen Basis ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Spielerisch gibt es somit kaum etwas zu bemängeln. Was mich aber wirklich stört sind die teilweise massiven Performance-Probleme und die manchmal nervigen, langen Ladezeiten mit denen XCOM 2 aktuell noch zu kämpfen hat. Aber nichts, was man mit einem Patch nicht beheben könnte.

Hannes: Eigentlich wollte ich mir XCOM 2 nur mal kurz ansehen. Mit der Serie hab ich eigentlich wenig am Hut, aber gute rundenbasierte Strategie- oder Rollenspiele sind mir immer einen Blick wert. Nach den ersten Missionen war es allerdings auch schon um mich geschehen, das Sci-Fi-Setting und die geniale Spielmechanik hatten es mir sofort angetan. Das Spiel schafft es gekonnt den Spieler mit abwechslungsreichen Missionen und vor allem dem ständigen Zeitdruck zu motivieren den Aliens nochmal in den Hintern zu treten, während die eigenen Wissenschaftler fieberhaft an neuen Waffen tüfteln. Dazu gesellt sich eine stimmige Präsentation und viele spannende Kämpfe. Lediglich ein paar technische Unzulänglichkeiten trüben den Spielspaß ein wenig, aber alles in allem für alle Taktiker und Hobby-Soldaten mehr als nur einen Blick wert. Für mich eines der besten PC-Spiele der letzten Zeit!

 

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test