Xenoblade Chronicles 2 im Test

Die Xeno-Metaserie gilt als eine sehr religiös angehauchte Rollenspiel-Reihe, die ihren Ursprung vor knapp 20 Jahre mit dem Spiel Xenogears auf der Playstation begründet. Nach der dreiteiligen Xenosaga und den Xenoblade Chronicles für die Wii U erscheint nun die Fortsetzung Xenoblade Chronicles 2 für Nintendos Hybrid-Konsole Switch. Ein komplexes Rollenspiel-Epos, welches sich trotz dem etwas ernsterem Subtext an zahlreichen gängigen Anime-Klischees bedient und mit einer bezaubernden Spielwelt sowie einer spannenden Geschichte punkten kann.

Wer bislang noch nichts mit der Xeno-Spielreihe zu tun gehabt hat, der wird angesichts der Vielschichtigkeit der Spielreihe mit ihren diversen Ablegern zunächst sicherlich etwas abgeschreckt und eingeschüchtert. Aber keine Sorge, zwar werden in Xenoblade Chronicles 2 einige etablierte Thematiken der Vorgänger aufgegriffen, aber das Spiel selbst erzählt eine völlig neue, eigenständige Geschichte, bei der Vorkenntnisse zwar von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig sind. So handelt das Spiel von einem Paradies-ähnlichem Land mit dem Namen Elysium, aus dem aber eines Tages alle Bewohner wegen einem nicht näher bekannten Grund vertrieben wurden. Seit dieser Zeit leben die Menschen auf den Rücken riesiger Titanen. Diese Kreaturen sind aber wie alle Lebenwesen sterblich und so schrumpft der bewohnbare Lebensraum stetig.

Ihr schlüpft dabei in die Rolle eines jungen Haudegen namens Rex. Dieser verdient sich seinen Lebensunterhalt als Bergungstaucher und sucht im Wolkenmeer nach Ressourcen und alten Artefakten. Als er eines Tages einen sehr lukrativen Großauftrag an Land zieht, stößt er auf die heilige Klinge Pyra, die ihm das Leben rettet und ihn als Gegenleistung bittet, sie auf der Suche nach Elysium zu begleiten.

Die Kämpfe: Von trivial zu komplex

Die heiligen Klingen sind auch das zentrale Element des Kampfsystems von Xenoblade Chronicles 2 und im Grunde genommen nichts anderes als personifizierte Waffen. Das Pendant dazu sind die Meister, also Individuen wie unser Held Rex, die in der Lage sind, sich mit diesen künstlichen Lebensformen zu verbünden. Erschaffen werden Klingen mit so genannten Kernkristallen und unterscheiden sich nicht nur durch ihr Aussehen, sondern auch durch ihre individuellen Fähigkeiten. Pyra ist etwa eine mächtige Klinge, welche die Elemantarkraft des Feuers besitzt und über entsprechende Attacken verfügt. Meister können die Fähigkeiten ihrer Klingen auf verschiedenste Art und Weise ausbauen. Etwa kann man durch den gemeinsamen Kampf die Beziehung vertiefen und so im Harmoniering des jeweiligen Charakters diverse Skills und Fähigkeiten entwickeln. Diese Harmonieringe sind somit im Grund genommen nichts anderes als Talentbäume, mit denen ihr also zusätzliche Upgrades eurer Spielfiguren freischalten könnt. Dazu kommen noch Ausrüstungsgegenstände in Form von Hilfskernen mit denen sich Fähigkeiten auf unterschiedlichste Weise steigern lassen sowie  Kernsplitter, welche an den Waffen der Klingen angebracht werden und nicht nur deren Wirkung, sondern auch ihr Erscheinungsbild verändern.

Neben Pyra findet Held Rex im weiteren Spielverlauf weitere Kernkristalle, mit denen er zusätzliche Klingen erschaffen kann. Diese unterteilen sich grundsätzlich in drei verschiedene Kategorien: Solche, die den Gegner angreifen, die bei der Verteidigung helfen und jene, die in der Kunst des Heilens ausgebildet sind. Meister können bis zu drei verschiedene Klingen mit in die Schlacht nehmen und während des Kampfes jederzeit zwischen ihnen wechseln. Klingen, die ihr gerade nicht benötigt, schickt ihr in kleinen Trupps von bis zu sechs Mitgliedern auf diverse Söldner-Missionen. Dadurch heimst ihr nicht nur nützliche Belohnungen ein, die personifizierten Waffen sammeln unterwegs auch automatisch Erfahrung und schalten so weitere Skills in ihrem Harmoniering frei. Zusätzlich darf man bis zu zwei zusätzlichen Mitstreitern in einer Schlacht mitnehmen, die ebenfalls über eigene Klingen verfügen.

Als kompletter Xeno-Neuling hat mich das Kampfsystem von Xenoblade Chronicles 2 zunächst etwas ratlos gemacht. Sobald ein Meister in eine Auseinandersetzung verwickelt wird, zieht er seine Waffe und beginnt automatisch alle Gegner um ihn herum anzugreifen. Als Spieler muss man dabei nichts anderes tun, als zu warten bis sich die Meistertechniken aufgeladen haben, um dann per Knopfdruck diverse Spezialtechniken auszuführen. So weit, so wenig herausfordernd, doch mit der Zeit schaltet ihr nicht nur neue Klingen frei, sondern auch das Kampfsystem entfaltet seine tiefgründigeren Mechaniken. Dabei spielen dann vor allem die Positionierung zum Gegner und das Timing eine wichtige Rolle, denn manche Meistertechniken erzielen mehr Schaden, wenn der Gegner von der Seite attackiert wird und aktiviert ihr eine Technik zum richtigen Zeitpunkt, verkürzen sich die Ladezeiten. Dazu kommen dann noch mehrstufige Attacken und Meister-Combos können mit Klingen-Combos zu ganzen Angriffsketten kombiniert werden. Zwar erfordert es dann doch etwas mehr Zeit sich in das Kampfsystem einzugewöhnen, hat man aber die Zusammenhänge erst einmal durchschaut, dann entpuppt es sich als komplex, herausfordernd und stellenweise sogar als brillant!

Ein Anime zum Spielen

Keine Frage, auch wenn ein großer Teil des Fokus von Xenoblade Chronicles 2 sicherlich auf dem komplexen Kampfsystem liegt, so weiß aber auch der Rest vom Spiel durchaus zu überzeugen und bietet dabei ganz klassische JRPG-Kost. Das beginnt schon bei der Optik sowie den liebevollen Charakter-Design, welches sich sehr offensichtlich an gängigen Anime-Klischees bedient. So ist der jugendliche Protagonist ein ungestümer Haudegen und ewiger Optimist, während seine Begleiterin als tugendhafte, scheue Heldin mit überdimensionierten, weiblichen Attribute dargestellt wird. Und auch sonst strotzt das Spiel voller Stereotypen wie etwa dem Katzenmädchen Nia und dem geheimnisvollen Krieger Zeke. Trotz dieser oberflächlich betrachtet, schablonenhaften Charakterisierung verfügt jede Figur über enormen Tiefgang und auch die Geschichte mit den serientypischen philosophischen Themen kann mit zahlreichen Story-Twists überraschen und wird durch kindlich naivem Humor Zwischendurch etwas aufgelockert. Rund 70-80 Stunden sollte man einplanen, bis man Elysium endlich gefunden hat – die zahlreichen Nebenquests dabei nicht eingerechnet.

Licht und Schatten bietet dagegen die offene Spielewelt. Diese ist grundsätzlich auf sechs gigantischen, lebendigen Titanen angesiedelt, jeder davon mit einem einzigartigem Setting und regionalen Besonderheiten. Durch Interaktion mit den Einwohnern erhält man nicht nur wertvolle Informationen, sondern auch diverse Aufträge. Diese reichen von der Monsterjagd bis hin zum Sammeln von Gegenständen oder Aufspüren von vermissten Personen. Das Questlog füllt sich dabei meist schneller als man es abarbeiten kann, was einerseits sehr motivierend ist, andererseits sind nicht immer alle Missionen spannend. Aber so riesig und lebendig die Spielewelt auch ist, durch die teilweise etwas verwinkelte Gestaltung auf mehreren Ebenen, verliert man trotz Mini-Map, Kompass und Missionsbuch manchmal die Orientierung und so müssen teilweise unnötige Laufwege in Kauf genommen werden. Weil aber die riesigen, weitläufigen Landschaften optisch wirklich beeindruckend sind und Soundkulisse eine grandiose akustische Untermalung bietet, kann man über solche kleineren Kritikpunkte locker hinwegsehen. Bei der Sprachausgabe muss man dagegen mit Abstrichen rechnen, denn es gibt lediglich eine englische Vertonung mit deutschen Untertiteln. Optional steht allerdings auch die japanische Sprachausgabe als Download zur Verfügung.

FAZIT

Ich bin wirklich froh, dass ich aufgrund der Feiertage etwas länger Zeit gehabt habe, Xenoblade Chronicles 2 ausgiebig zu spielen, denn nach etwa 10-15 Stunden wäre mein Fazit nicht ganz so positiv ausgefallen. Die Kämpfe ließen mich anfangs total ratlos zurück und auch in der riesigen Spielewelt bin ich mir etwas verloren vorgekommen. Nur das stetige Abarbeiten meiner immer voller werdende Questlog hat mich daran gehindert meine Heldenkarriere vorzeitig zu beenden. Und das war gut so, denn hat man das Kampfsystem erst einmal durchschaut entpuppen sich die Auseinandersetzungen als taktisch anspruchsvolle sowie fordernde Scharmützel und wenn dann die Story so richtig Fahrt aufnimmt, dann entfaltet sich Xenoblade Chronicles 2 zu einem wahren Rollenspiel-Epos, welches sich selbst hinter einem The Legend of Zelda: Breath of the Wild nicht verstecken muss. Tolle Atmosphäre, liebenswerte Charaktere, spannende Geschichte – in diesen Punkten übertrifft es sogar den aktuellen Genre-Primus. Somit gehört es sicherlich zu den besten JRPGs der letzten Jahre und ist nicht nur eine Empfehlung Fans der Spielreihe, sondern für alle die niveauvolle Rollenspiele mit Tiefgang schätzen.

Was ist  Xenoblade Chronicles 2? Klassisches JRPG und neuester Ableger der beliebten Xenosaga, mit neuen Helden und einer epischen Geschichte.
Plattformen: Nintendo Switch
Getestet auf: Nintendo Switch
Entwickler/Publisher: Monolith Soft/Nintendo
Release: 1. Dezember 2017
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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