Yakuza 6: The Song of Life im Test

Zum Ende des vergangenen Jahrtausends entstanden in den beiden größten Videospiel Märkten Japan und den USA die ersten erwähnenswerten Open World-Games. Namentlich GTA und Shenmue. Und während das Genre im Westen explodierte und sich mehr oder weniger zum Standard für viele Entwickler etablierte, konnte es sich im Osten nie so ganz durchsetzen. Nach nur zwei Teilen war Schluss mit Shenmue – zumindest vorerst, denn ein dritter Teil ist derzeit in Arbeit. Ganz verschwunden ist das Genre allerdings auch in Japan nie, denn Sega hat auf der Basis des Klassikers seine Yakuza-Reihe aufgebaut. Und eben diese soll nun, nach mehreren Haupt-Spielen und einigen Ablegern, mit Yakuza 6 ihren krönenden Abschluss finden.

Einmal Gangster, immer Gangster

Wie schon in allen vorangegangenen Speilen der Reihe übernimmt man in Yakuza 6 die Rolle von Kazuma Kiryu, dem „Dragon of Dojima“, seines Zeichens ehemaliges Oberhaupt eines der größten Clans in Tokio. Nach den Ereignissen des letzten Teils verbüßt er eine mehrjährige Haftstrafe ab, um sich endlich voll und ganz von seiner Yakuza-Vergangenheit lösen zu können. Gemeinsam mit seiner Ziehtochter Haruka möchte er danach endlich weit weg von Tokio ein Waisenhaus führen. Als er nach seiner Entlassung dort ankommt wird dieser Plan schnell zu Nichte gemacht. Schon lange vor seiner Rückkehr hat Haruka aus zunächst unbekannten Gründen das Waisenhaus verlassen und scheint seitdem verschollen zu sein.In großer Sorgen um den ihm wohl am nächsten stehenden Menschen macht sich Kiryu also wieder auf den Weg nach Kamurocho, dem Stadtteil Tokios in dem er den Großteil seiner Gangster-Laufbahn verbracht hat, um seine alten Kontakte zu aktivieren. So hofft er herauszufinden, warum und vor allem wohin Haruka verschwunden ist.

Doch Kamurocho ist nicht mehr so wie vor seiner Inhaftierung. Eine chinesische Triade hat sich hier nach seinem Abgang breit gemacht und liefert sich einen erbitterten Kampf mit seinem ehemaligen Clan. Natürlich spricht sich die Rückkehr des Drachen schnell im Viertel herum und ohne es zu wollen ist Kiryu schnell wieder in allerlei Machtkämpfe, Intrigen und Verbrechen involviert, die ihn von seinem eigentlichen Ziel abhalten.

Die Stadt ist ein gefährliches Pflaster

Das grundsätzliche Spielprinzip von Yakuza 6 besteht in erster Linie darin, dem Plot zu folgen. Dazu streift man durch Kamurocho und im späteren Verlauf durch die Kleinstadt Onomichi, spricht mit diversen Personen, verfolgt Hinweise und treibt so die Handlung voran. Immer wieder kommt es dabei zu Konflikten, in denen man sich zum Teil beängstigend großen Gegnergruppen stellen muss. Doch der Drache von Dojima ist nicht wehrlos. Mit einer Vielzahl an Schlag- und Tritt-Combos, sowie Griffen und Spezial-Attacken, erwehrt er sich kompetent seiner Haut. Zusätzlich können herumliegende Gegenstände wie Ziegelsteine, Werbeschilder oder sogar Fahrräder, aufgenommen werden, um die Gegnerschar damit aufzumischen. Es wird geblockt, ausgewichen, pariert oder der Gegner (falls bewaffnet) seiner Utensilen entledigt.

Das mag komplex klingen, geht aber sehr gut von der Hand und spielt sich sehr flüssig. Auch auf den Straßen stößt man immer wieder auf Ärger suchende Zeitgenossen, die es kaum erwarten können, eine Tracht Prügel zu kassieren. Diese Kämpfe sind, im Gegensatz zu jenen im Story-Verlauf, allerdings umgehbar. Empfehlenswert ist das aber nicht, denn diese Rabauken lassen bei einem KO nicht nur diverse Gegenstände und Geld fallen. Ein jeder Sieg wird mit Skill-Punkten belohnt, die gilt es dann in neue Fähigkeiten und Status-Upgrades zu investieren.

Fünf Arten von Skill-Punkten gibt es, zum Beispiel für Stärke, Geschwindigkeit oder soziale Kompetenz. Alles was man in Yakuza 6 tut, sei es kämpfen, Nebenaufträge lösen, diverse Minigames bestreiten oder auch einfach nur essen, wirft eine Kombination aus mehreren dieser Arten ab. Jeder neue Skill setzt dann wieder eine gewisse Menge an entsprechenden Punkten voraus.

Das oben erwähnte Essen spielt eine wichtige Rolle in Yakuza 6. An jeder Ecke findet sich in Kamurocho ein Restaurant oder ein Imbiss-Laden und alle haben ihre ganz spezifische Speisekarte. Jedes Gericht (oder auch Getränk) füllt nicht nur eine gewisse Menge Lebensenergie wieder auf, sondern gibt auch unterschiedliche Mengen und Arten Skill-Punkte und füllt leider auch Kiryus Magen. Ist der voll, kann man zwar zum Zwecke der Heilung weiterhin essen, Punkte gibt es dann aber keine mehr.

Es gibt viel zu tun, lass uns Darts spielen gehen

Die Kernmechanik des Spiels allein wäre, zugegebenermaßen, eine etwas magere Angelegenheit, auch wenn sie durchaus Spaß macht und die Story bis zum Ende spannend bleibt. Yakuza 6 hat aber, wie auch schon seine Vorgänger, glücklicherweise wesentlich mehr zu bieten als nur einen Handlungsfaden, an dem es gilt, sich prügelnd und essend vorwärts zu hangeln.

Sobald man nämlich nach dem ausladenden Intro auf Kamurocho losgelassen wird, hat man Zugang zur kompletten Karte des Viertels. Die ist, verglichen mit dem was man aus modernen, westlichen Open World-Games kennt, zwar sehr überschaubar, hat aber dafür so einiges zu bieten. Qualität vor Quantität heißt die Devise. Wo sonst mit unüberschaubar großen Arealen geprotzt wird, die sich dann bei genauerer Betrachtung aber schnell als leerer Raum erweisen, muss man hier schon vorsichtig sein, um nicht bei jedem zweiten Schritt etwas zu verpassen.

Die meisten der Geschäftsfronten dienen nicht nur als schmückendes Beiwerk. Dahinter verbergen sich Shops, Restaurants, Bars oder Spielhallen. An jeder Ecke stößt man auf Möglichkeiten, die Suche nach Haruka ruhen zu lassen und sich die Zeit anderwärtig zu vertreiben. Außerdem sind viele der Häuser betretbar, bestehen aus mehreren, oft nur über nicht ganz offensichtliche Wege erreichbare Etagen und bergen versteckte Geschäfte, Minigames, oder sonstige kleine Überraschungen.

So kann man sich beispielsweise bei einer Partie Darts oder Mahjong entspannen, sein Können an alten Sega Automatengames unter Beweis stellen, Karaoke singen oder im Hostessen-Club versuchen die Damen zu verzaubern. Dazu gibt es noch eine Art Echtzeit-Strategiespiel in dem man Bandenkriege austrägt und die Möglichkeit ein Baseball-Team als Manager zur Meisterschaft zu führen. Dabei erreichen viele dieser Minigames eine überraschend hohe Qualität und machen richtig Laune.

Wer fleißig die Gegend erkundet wird unweigerlich auch über die zahlreichen Nebenquests stolpern, die Yakuza 6 zu bieten hat. Die sind zwar in der Regel recht kurz gehalten, sprühen dafür aber vor Ideenreichtum. Sie beschäftigen sich in erster Linie mit den Problemen der kleinen Leute auf der Straße, sind oft skurril, manchmal tiefsinnig, aber immer unterhaltsam. Mit all diesen Möglichkeiten ertappt man sich dann immer wieder dabei, den nächsten Schritt der Haupt-Story nur deshalb zu erledigen, um sein schlechtes Gewissen den wartenden Personen gegenüber zu beruhigen.

Noir in kunterbunt

Grafisch kann die neue, hier erstmals angewandte Engine auf ganzer Linie überzeugen. Unzählige Details lassen sich an jeder Straßenecke entdecken, Werbeschilder zeigen scharfe Bilder und Texte, die man problemlos lesen könnte, wären sie nicht in Japanisch gehalten. Das Ganze bleibt auch im wildesten Kampfgetümmel immer schön flüssig. Ein typisches Problem vieler Open World Spiele sind die sich immer wiederholenden, gleich aussehenden NPC, das ist leider auch in Yakuza 6 bemerkbar, obwohl sich die Entwickler sichtlich Mühe gegeben haben, eine Vielzahl an Charakter- und Kleidungs-Skins zu implementieren.

Ein für viele sicher wichtiger Knackpunkt dürfte die Tatsache sein, dass es weder deutsche Sprachausgabe noch Untertitel geben wird. Die originale, japanische Sprachausgabe bleibt auch in der hierzulande verkauften Version erhalten und ist mit englischen Untertiteln versehen. Ohne guter Kenntnisse zumindest einer dieser beiden Sprachen bleibt einem wohl oder übel ein Großteil dessen, was das Spiel ausmacht, verwehrt. Dafür ist die vorhandene Sprachausgabe exzellent eingesprochen und hochwertig produziert. Die Musik trägt sehr viel dazu bei, dass dieser seltsame Mischmasch aus ernster, immer wieder schwierige Themen aufgreifender Story, umrahmt von typisch japanischen Skurrilitäten und abstrusen Nebenquests, funktioniert. Zu jedem Zeitpunkt passt sie sich dem Geschehen und dem Ton der jeweiligen Szenerie an. Vom J-Pop, über Pianoklänge, bis hin zu Rockigem.

FAZIT

Fans und Kenner der Reihe wissen genau was sie erwartet und können getrost zuschlagen, sobald das Spiel in den Regalen steht. Yakuza 6: The Song of Life bieten mehr von allem was sie lieben, sieht besser aus und bildet einen schönen Abschluss des Epos rund um den Drachen von Dojima. Geneigte Neueinsteiger müssen aber nicht bangen, die Geschichte die hier erzählt wird funktioniert ohne Vorwissen zu den anderen Teilen und wichtige Personen aus Kiryus Vergangenheit werden zu Beginn vorgestellt. Wer mit dem Setting etwas anfangen kann und einmal eine etwas andere Open World-Erfahrung sucht, für Stunden in dem einen oder anderen Minigame versinken will und dem Englischen (oder Japanischen) mächtig ist, dem sei Yakuza 6 wärmstens ans Herz gelegt.

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Was ist Yakuza 6: The Song of Life? Fortsetzung und Finale der Saga um Kazuma Kiryu, den „Dragon of Dojima“.
Plattformen: PS4
Getestet: PS4
Entwickler / Publisher: Sega / Atlus
Release: 17. April 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

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