Yooka-Laylee im Test

Jeder Sammler hat einen Schandfleck in seiner liebevoll zusammengetragenen Kollektion. Bei mir ist das der leere Platz, wo eigentlich ein Nintendo 64 stehen sollte. Natürlich habe ich damit auch viele tolle Spiele verpasst, so wie etwa Banjo-Kazooie. Zum Glück gibt es aber Crowdfunding, dazu noch Ex-Mitarbeiter vom Original- Entwickler Rare, die gerne wieder einmal ein „Collectathon“ – Platforming-Game entwickeln wollen und somit nun auch endlich einen inoffiziellen Nachfolger mit dem Namen Yooka-Laylee.

Ich habe einmal gelesen, dass es in den Neunzigern eine einfache Formel gab, wie man einen antromorphen Jump’n Run Helden modellieren musste, um damit Erfolg haben. Am Anfang stand dabei immer die Entscheidung, welche Spezies der Held angehören sollte. Mit ihm sollten auf den ersten Blick solche Adjektive wie liebenswert, niedlich und sympathisch assoziiert werden. Früher war das noch ziemlich einfach. Will man aber heutzutage ein Helden-Unikat, wird die Wahl durch die Vielzahl an Konkurrenten deutlich eingeschränkt. Als nächster Punkt auf der Liste stehen Spezialfähigkeiten. Springen alleine lockt keinen mehr hinter dem Ofen hervor, nein man muss mindestens einzigartige Angriffs-Move beherrschen und Hindernisse auf möglichst spektakuläre Weise überwinden. Am besten, man hat einen Kumpel, der einem dabei tatkräftig unter die Arme greift. Dann fehlt noch ein schnittiger Name – zumindest etwas besseres als beispielsweise Franz das freche Frettchen. Und zu guter letzt braucht man noch einen würdigen Gegenspieler – jemanden der deine Freunde entführt oder noch besser die Weltherrschaft an sich reissen will.

Dann holen wir unsere Checkliste raus und schauen, ob sich Yooka-Laylee auch an all diese Vorgaben hält. Flauschige, fellbedeckte Protagonisten gibt es schon zur Genüge, nehmen wir ein Reptil. Wie wäre es mit einem Chamäleon? Passt, das gibt es bislang noch nicht – Check! Ein fliegender Begleiter… also ein Vogel? Ups, gibt es schon. Es fliegt, es fliegt, …. die Fledermaus – Check! Nächster Punkt: Ein cooler, eingängiger Name. Beim indirekten Vorgänger wurden die Helden nach Musikinstrumenten benannt, das hat sich bewährt. Was gibt es sonst noch für gitarrenähnliche Zupfinstrumente? Genau, wir nennen die beiden einfach Yooka und Laylee – Check! Spezialfähigkeiten? Hüpfen versteht sich wohl von selber, Wirbelattacke sowieso und ein Dash-Move für eine schneller Fortbewegung ist auch Pflicht. Den Rest soll sich der Spieler dann im Verlauf der Geschichte einfach selber freischalten – also Check! Fehlt noch der Gegenspieler. Der böse Capital B, der übrigens aussieht wie der pummelige kleine Bruder von Gru aus „Ich – Einfach unverbesserlich“, und sein Gehilfe Dr. Quack haben mithilfe einer mysteriösen Maschine alle Bücher der Welt gestohlen und wollen damit zumindest die Marktherrschaft an sich reißen. Nicht sehr einfallsreich, ist aber mehr als ausreichend – also Check! Alles abgehakt, dann können wir ja mit dem eigentlichen Spiel beginnen.

Soooo viel zu tun…

Was beim Charakterdesign gut funktioniert, das kann man auch mit dem Gameplay machen und so versucht Entwickler Playtonic mit Yooka-Laylee spielerisch möglichst nahe am Nintendo 64 Original zu bleiben. Anstatt Münzen müssen wir nun Buchseiten, so genannte Pagies, einsammeln  – und das ist mitunter auch  schon der gravierendste Unterschied zum Vorbild. Die Pagies benötigt man, um weitere Spielabschnitte freizuschalten. Ausgehend von einer Hub-Welt kommen wir dann in insgesamt fünf verschiedene Spielwelten mit jeweils einem anderen Thema. So führt uns das Abenteuer beispielsweise in einen Dschungel, eine Eiswüste sowie in ein Casino. Diese Spielwelten sind dazu noch in mehrere Phasen unterteilt. Zunächst können wir nur ein sehr eingeschränktes Gebiet bereisen, erst mit der entsprechenden Anzahl an Pagies wird die komplette Welt zugänglich und um die Tür zum Endgegner zu öffnen, müssen wir abermals Buchseiten hergeben. Wie unschwer zu erkennen ist damit die primäre Aufgabe ziemlich simpel: Sammeln, sammeln und wieder sammeln!

Zusätzlich zu den Pagies gilt es noch über tausend Federn zusammenzutragen. Mit diesen können Yooka und Laylee dann bei der zwielichtigen Schlange Trowzer neue Fähigkeiten freischalten. Damit erlernen wir etwa eine Stampfattacke, können kurzfristig unter Wasser laufen oder flattern dann durch die Luft. Dadurch erreichen wir neue Gebiete und finden weitere Federn und Pagies. Aber nicht alle begehrten Sammelobjekte liegen einfach in der Gegend rum, viele müssen etwa aus der Gefangenschaft befreit werden oder erhalten wir von NPCs für das Erledigen diverser Aufgaben. Damit nicht genug. In jeder Welt gibt es noch so genannte Mollycools. Die können wir bei der Oktopuss-Dame Dr. Puss abgegeben und werden dann mit ihrem D.N.Ray-Gerät in ein anderes Lebewesen oder Fahrzeug transformiert. Im ersten Abschnitt werden wir dadurch zur Pflanze, in der Eiswelt zum Schneepflug und das Casino überfliegen wir als Helikopter. Das erlaubt uns zusätzliche Rätsel zu lösen. Wer dann noch immer nicht genug hat, der kann Wettrennen gegen Wolken austragen, Geister einfangen oder wir suchen nach Münzen für Arcade-Automaten. Yooka-Laylee treibt damit das „Collectathon“ – Platforming-Gameplay auf die Spitze. Einerseits verspricht das zahlreiche, abwechslungsreiche Spielstunden, andererseits verliert man in den riesigen Spielwelten aber auch oft die Übersicht und die Orientierung.

Back to the Nineties

Nicht nur spielerisch orientiert man sich sehr eng an die Vorlage, auch in Sachen Technik ist man in vielen Bereichen in der Vergangenheit stecken geblieben. Im positiven Sinne betrifft das die Musik. War es in Banjo-Kazooie noch eine Langhalslaute (Banjo) und Membranophon (Kazoo) mit der die Titelmelodie gespielt wurde, ist es in Yooka-Laylee eine Ukulele (wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat, der sollte den Spieletitel schnell und laut aussprechen). Diese Klänge haben mitunter Ohrwurm-Qualität und auch die restliche orchestrale Musikuntermalung steht diesem um nichts nach. Die Arbeit welche in die Soundkulisse gesteckt wurde, hat man dafür bei der Vertonung der Charaktere eingespart. Hier gibt es nicht mehr als unverständliches Gebrabbel zu hören. Das nimmt sehr viel an Atmosphäre – viel mehr noch es nervt mit der Zeit gewaltig. Dazu kommt noch, dass man die zahlreichen Zwischensequenzen nicht wegklicken kann.

Optisch kann Yooka-Laylee mit stimmungsvollen und abwechslungsreichen Spielwelten sowie dem liebevollen Design der Hauptcharaktere punkten. Abseits des Duos sind die Figuren aber farblos und manchmal sogar etwas unsympathisch und unerträglich, gutes Beispiel dafür ist etwa die Schlange Trowzer. Auch hätte ich mir mehr Buddy-Klamauk zwischen den beiden Protagonisten gewünscht. Der Humor kommt zwar nicht zu kurz, aber es wäre sicherlich noch mehr drinnen gewesen. Technisch konnten wir außerdem auf der getesteten Konsolenversion gelegentliche Einbrüche der Frameraten und kleinere Grafikfehler beobachten. Nichts gravierendes, aber dennoch störend.

Ein echter, großer Kritikpunkt ist die Steuerung. Die ist unpräzise, hakelig und unnötig umständlich. Vor allem wenn sich Yooka zusammenrollt, um sich schneller fortzubewegen oder um unpassierbare Rampen zu überqueren, ist das kleine Chamäleon kaum unter Kontrolle zu bringen. Kommt dann die Kameraführung nicht nach oder bleibt sie an Objekten hängen, steigt der Frust. Dass die Rücksetzpunkte nach dem virtuellen Ableben meist nicht besonders spielerfreundlich gesetzt sind, verschlimmert dieses Manko noch viel mehr.

Für Mehrspieler gibt es auch noch was

Eigentlich nicht erwähnenswert, aber der Vollständigkeit halber: Ja Yooka-Laylee verfügt auch über mehrere verschiedene Multiplayer-Modi. Im „Buddy-Modus“ übernimmt der zweite Spieler die Kontrolle über das „Bee Team“ und kann mittels Fadenkreuz Federn schnappen sowie Schmetterlinge sammeln. Und dann gibt es noch den Dinosaurier Rextro Sixtyfourus, den man auch während der Einzelspieler-Story antrifft. Benötigt man in der Kampagne noch Münzen, um mit seinen Arcade-Automaten spielen zu können, so darf man die Minispielsammlung im Hauptmenü auch ganz ohne Kleingeld aufrufen. Dabei stehen dann insgesamt acht verschiedene Arcade-Games zur Auswahl wie etwa Kart-Rennen, Hindernisparcours oder Capture the Flag. Alle Spiele können gegen bis zu drei Gegner im lokalen Mehrspieler-Modus ausgetragen werden. Nette Ergänzung, aber kein Highlight.

FAZIT

Auch wenn ich Banjo-Kazooie nie gespielt habe, mit den 3D-Plattformern der späten Neunziger bin ich dennoch sehr gut vertraut. Und vielleicht ist es sogar gut, dass ich den indirekten Vorgänger nicht kenne, denn so wird mein Urteil nicht wie so oft von zu hohen Ansprüchen sowie falschen Erwartungen beeinflusst. Aus diesem Blickwinkel eines Unkundigen kann ich trotzdem mit ruhigem Gewissen behaupten, Yooka-Laylee bietet Nostalgie pur – sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Entwickler Playtonic hat das Collectathon“-Platforming-Gameplay nahezu perfekt in die Gegenwart gebracht, ohne jedoch das Spielprinzip in irgendeiner Weise zu modernisieren. Da bleibt eigentlich nur die Frage, was bringt eine detaillierte HD-Optik, riesige Spielwelten, liebenswerte Hauptcharaktere und gefälliger Humor, wenn Probleme mit der Kamera, die ungenaue Steuerung und einige Designschnitzer das ganze Abenteuer vermiesen. Messen wir aber nicht mit aktuellen Maßstäben sondern setzen wir uns die Nostatlgie-Brille auf, dann ist Yooka-Laylee genau das geworden, was sich die Fans gewünscht haben: Ein Hommage an die 3D Plattformer der späten Neunziger, die diesen rein spielerisch um Nichts nachsteht.

Gesamtwertung: 7.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 4 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test